Finn Wiebelhaus: Nach Erfolg bei ADAC GT Masters mit HRT in die DTM? | ABC-Z

Seit nunmehr sechs Jahren ist er ein Tempomacher hinter dem Lenkrad. Los ging es damals als Vierzehnjähriger, als die Familie mit einem gebrauchten Kart auf dem Anhänger von Obertshausen aus zu den kleinen Rennstrecken aufbrach – und oft mit Pokalen im Kofferraum heimkehrte. „Ein Dreipersonen-Team“, erinnert sich Finn Wiebelhaus lächelnd: „Mama, Papa und ein Mechaniker.“
Wiebelhaus ist mittlerweile 19 Jahre alt und kennt all die großen Rennstrecken von Spa über den Nürburgring bis Monza aus dem Effeff. Längst nicht mehr im kreischenden Kart, sondern in brüllenden Boliden. Wenn er sich nun ins Cockpit setzt und die 550 PS seines Ford Mustang in Gang setzt, sind allein drei Mechaniker, ein Reifenmann, ein Datenmann, ein Renningenieur und weitere Crewmitglieder des renommierten Haupt Racing Team (HRT) quasi mit an Bord. „So viele gute Leute helfen mir, schnell im Kreis zu fahren“, sagt Wiebelhaus, „das ist schon verrückt.“ Aber mittlerweile auch nötig auf dem Niveau, auf dem der hessische Aufsteiger im Vollgasmodus angekommen ist.
„Das war Wahnsinn“
Am vorvergangenen Sonntag raste der Obertshausener mit im Triumph gerecktem Zeigefinger über die Ziellinie des Hockenheimrings. Vor Tausenden Zuschauern hatte Wiebelhaus eine weitere Kostprobe seines fahrerischen Könnens abgeliefert. Im Finale der Rennserie ADAC GT Masters, etwa die zweite Bundesliga der Sportwagen, hatte er auf Platz vier liegend das Steuer von seinem Teamkollegen übernommen.
Am Ende hatte er die drei vor ihm liegenden Autos überholt, den dritten Saisonsieg nebst vier weiteren Podestplätzen erreicht und unterstrichen, dass das stärkste Team die Rennserie für sich entschieden hat. Schon am Vortag hatte festgestanden, dass das Duo Wiebelhaus/Owega nicht mehr vom Spitzenplatz zu verdrängen ist.
„Das war Wahnsinn. Die Saison mit diesem Sieg zu beenden, fühlte sich unglaublich an“, sagt Wiebelhaus. Auf den Bildern, die ihn von der HRT-Crew (alle in T-Shirts mit den Konterfeis der jungen Fahrer) umringt, samt Trophäe auf dem Dach des Ford Mustangs sitzend zeigen, sieht man ihm den Stolz über das Erreichte an. Ein Meilenstein in der jungen Karriere des Spätstarters – viele Konkurrenten haben schon mit sechs Jahren mit Kartsport begonnen –, der nun weitere Türen öffnen könnte.
Einen asphaltharten Verdrängungswettbewerb gibt es nicht nur auf der Piste, sondern auch abseits der Rennstrecken. Klassen wie Kart, Formel 4 (in der er 2023 fuhr) und auch GT sollten für junge Tempomacher wie ihn immer Durchgangsstationen sein. Wer zu lange in einer Klasse kreist, gilt schnell als Sitzenbleiber innerhalb einer großen Konkurrenz. „Es gibt viele gute, junge Fahrer auf der Welt, auch andere Deutsche“, weiß Wiebelhaus.
Sein nächstes Ziel: Der Aufstieg in die Deutsche Tourenwagen Masters (DTM). Wenn möglich mit einem Vertrag als Werksfahrer für einen der großen Hersteller in der Tasche. Gerne würde er bei Ford bleiben, wo er sich wohlfühle und aktuell schon einen Kontrakt als Junior-Fahrer besitzt. Verhandlungen darüber, wie es weiter- beziehungsweise höher hinaus gehen kann, stehen in den kommenden Wochen an.
Die Chancen auf einen Formel-1-Start
Die Frage, die hierzulande schnell im Raum steht: Wann sehen wir dich in der Formel 1? Wiebelhaus beantwortet sie so: „Die Chancen liegen bei Null-Komma-irgendwas-Prozent. Dafür braucht es immens viel Geld und Glück. Der Formel-Weg ist sehr teuer geworden.“
Eine erhebliche Mitgift aus privaten Mitteln und Sponsorenleistungen ist Grundbedingung und beim Familienbetrieb Wiebelhaus nicht in Reichweite. Zumal dem Neunzehnjährigen „GT- und DTM-Rennen beim Fahren oder Anschauen mehr Spaß machen. Das ist mehr Action, und da fliegt in engen Duellen auch schon mal ein Außenspiegel weg“.

Hilfreich für seinen weiteren Weg ist freilich seine Aufsteigergeschichte innerhalb weniger Jahre. Dass er reif für die DTM sein könnte, belegt auch der Beifang des Gewinns des GT Masters: der Sieg in der Wertung „Road to DTM“, mit der der ADAC aufstrebenden Piloten den nächsten Schritt vorbereiten möchte.
Dazu kommt das Lob, das Wiebelhaus von der Führung des HRT-Rennstalls bekommt, für seine Steuerkunst, aber auch für sein Verständnis des Autos und daher die fruchtbare Zusammenarbeit mit den Mechanikern und Ingenieuren. Gegenüber seinen Teamkollegen und auch gegenüber Piloten von vergleichbaren Boliden hat er sich meist als der Stärkere erwiesen.
Sein Glück: Bei HRT hat sich Manuel Reuter seiner als eine Art Mentor angenommen. „Eine Legende unseres Sports“, wie Wiebelhaus den einstigen DTM- und Le-Mans-Champion nennt. Und der ihn „unfassbar viel“ über Autoverständnis und mentale Stärke lehre. Und auch die Bedeutung von physischer Leistungsfähigkeit betont. Wiebelhaus hat einen Fitnesstrainer engagiert, der ihm die Trainingspläne für den heimischen Kraftraum im Keller (in Obertshausen) und während der vielen Reisetage (irgendwo in Europa) schreibt sowie die Fortschritte bei regelmäßigen Treffen (in Österreich) misst.
Wiebelhaus ist auch nach Siegen wie unlängst in Hockenheim kein Partylöwe. Rennrad statt Remmidemmi heißt es für ihn oft. Auf Ausfahrten mit null PS, aber der Kraft seiner zwei Beine, schindet er sich regelmäßig. „Bei einer Rennstunde bei 40 bis 50 Grad im Auto hilft es, wenn man Reserven hat“, sagt er. Jeder kleine Fahrfehler kann rennentscheidend sein. Das galt auch für seine ersten beiden Einsätze bei 24-Stunden-Rennen in diesem Jahr. Bei einem saß er als Zähester seines Viererteams insgesamt acht Stunden hinter dem Steuer.
Am Dienstag, zwei Tage nach dem Rennen am Hockenheimring, war Wiebelhaus schon wieder auf der Strecke. Kurzfristig angesetzte Testfahrten in Barcelona. Wiebelhaus steuert einen Ford Mustang parallel auch bei der GT World Challenge, einer Serie, die 60 Autos gleichzeitig auf den Kurs schickt und damit spektakulär anmutendes Chaos programmiert.
So wie am Sonntag, als es direkt vor Wiebelhaus krachte und er einem Crash nur um Zentimeterbreite entging. Als alles bremste, gab er entschlossen Gas, düste außen an allen vorbei und machte über zehn Plätze gut. Mit Bedacht und Beschleunigung – Wiebelhaus’ Mix, mit dem er es schon weit gebracht hat.





















