Arbeitsmigration in Ebersberg: eine Stütze der Klinik und der Gesellschaft – Ebersberg | ABC-Z

Fragt man Marina Matjanovski nach ihrer Heimat, antwortet die 64-Jährige wie aus der Pistole geschossen: „Ich stamme aus Ohrid, dem ‚Jerusalem des Balkans‘, aber daheim bin ich in Ebersberg.“ Dass die gebürtige Nordmazedonierin längst nicht mehr aus dem Landkreis wegzudenken ist, zeigen schon ihre zahlreichen Ehrenämter in Politik und Sport – und ihr Einsatz im Klinikum Ebersberg. Für die Bereichsleiterin des Herzkatheterlabors und der Funktionsdiagnostik der Kardiologie ist das weit mehr als ein Arbeitsplatz.
Mit wie viel Leidenschaft sie bei der Sache ist, wird deutlich, als Matjanovski beim Ortsbesuch stolz die Räumlichkeiten präsentiert, deren Aushängeschild die beiden hochmodernen OP-Säle sind. Davor – getrennt durch eine Bleiglasscheibe – gibt es jeweils zahlreiche Monitorplätze. Ihr Büro ist gleich daneben, in Griffweite hängen acht Kilogramm schwere Bleikostüme. Sie dienen dem Strahlenschutz.

Doch Matjanovski leitet nicht nur das erste Herzkatheterlabor für Notfallversorgung und Routine-Eingriffe des Landkreises, sie hat es maßgeblich mit aufgebaut: „2008 fuhr ich ein Jahr lang fast jeden Tag nach München, um bei Professor Silber in der Müller-Klinik die entsprechenden Fertigkeiten zu erwerben. Am 1. April 2009 fing ich mit den Vorbereitungen des Untersuchungsraumes an, die Eröffnung des Bereichs sollte am 15. Juni sein.“
Doch am 24. April schlug das Schicksal zu: Matjanovskis 25-jähriger Sohn Bojan starb nach einem Autounfall. „Zehn Tage später war ich wieder in der Klinik, wir konnten wie geplant aufmachen“, erinnert sich die verwaiste Mutter. Bis heute wisse sie nicht, wie sie das geschafft habe. „Natürlich sagte die Geschäftsleitung: ‚Bleib daheim!‘ Aber wer hätte dann die Patienten versorgt? Ich war ja allein!“ Gut möglich, dass ihr die Fokussierung auf die Arbeit geholfen habe. Was ihr in jedem Fall viel bedeutete: die Unterstützung, die sie von allen Seiten erfuhr.
Auch heute ist die Wertschätzung nach wie vor groß. So bezeichnet etwa Geschäftsführer Stefan Huber seine Mitarbeiterin als „sehr engagierte, fürsorgliche, kollegiale, loyale und hervorragend qualifizierte Fachkraft, die ihren Beruf mit viel Herzblut ausübt. Sie ist eine große Stütze im Klinikum.“ Kein Wunder also, dass man sie 2016 beim Bau des zweiten, großen OP-Saals aktiv in die Planung einband. Mit einem Augenzwinkern erzählt Matjanovski, wie sie dabei sogar gegenüber den Chefs deutliche Worte gefunden habe, als es um die Ausstattung ging. Sie habe gesagt: „Wir bauen für die nächsten 30 Jahre, da darf man nicht sparen.“
Vorsitzende der Frauen-Union
Ihren Tonfall dabei kann sich jeder vorstellen, der die Frau kennt: charmant, stets respektvoll, aber auch resolut und entschlossen, wenn es um eine Sache geht, die ihr am Herzen liegt. Das gilt für alle Lebenslagen – auch für die politischen Ehrenämter. Zwölf Jahre stand Matjanovski der Frauen-Union Ebersberg vor, deren stellvertretende Vorsitzende sie aktuell ist; im FU-Kreisverband bekleidet sie die Position einer Beisitzerin. 2014 wurde sie in Stadt- und Kreisrat gewählt: „Ich bin christlich-orthodox und gehe auch oft in die Kirche – mal katholisch, mal evangelisch. Darum passen die Werte der CSU sehr gut zu mir.“
Folgerichtig beziehen sich ihre bisherigen Anträge hauptsächlich auf Initiativen im sozialen Bereich, ob Pflegestützpunkt, Kurzzeitpflege oder stationäres Hospiz. Auch für Ausbildungsthemen macht sie sich stark. Sowohl das Pflegepraktikum für die Schülerinnen und Schüler sämtlicher Mittelschulen im Landkreis als auch die Einrichtung eines Lehr-Krankenzimmers „inklusive sämtlichem Equipment“ im Berufsbildungswerk Sankt Zeno gehen auf Matjanovskis Initiativen zurück.
Ein langer Weg für eine Frau, die Ende der 1980er- Jahre aus dem ehemaligen Jugoslawien in den Landkreis Ebersberg kam. In Skopje hatte sie auf Betreiben ihrer Eltern parallel zur vierjährigen Krankenschwesterausbildung in einem Sprachinstitut Englisch und Deutsch gepaukt. Eine Ex-Dozentin stellte den Kontakt zur deutschen Delegation und dem damaligen Direktor der Ebersberger Klinik, Alois Frank, her. Dieser überzeugte die zweifache Mutter, samt Familie nach Oberbayern umzuziehen.
Die Sprache können, das ist „das A und O“
Matjanovski landete auf der Privatstation – als überhaupt erste und lange Zeit einzige Schwester aus dem Ausland. Schwierigkeiten habe sie jedoch nie gehabt: „Weder mit Patienten noch mit Kolleginnen. Im Gegenteil, alle waren sehr hilfsbereit und ich wurde sorgfältig eingearbeitet.“ Sicher habe dabei auch eine Rolle gespielt, dass sie bereits Deutsch konnte – „Sprache ist das A und O, wenn man sich für eine neue Heimat entscheidet.“ Zudem sei die Zahl der zu integrierenden ausländischen Mitarbeitenden deutlich geringer gewesen als es heute der Fall ist.
Laut Kathrin Stemberger von der Bundesagentur für Arbeit besaßen im Jahr 1994 18,3 Prozent aller sozialversicherungspflichtig Beschäftigten in Krankenpflegeberufen im Landkreis Ebersberg einen ausländischen Pass (Bayern: 7,7 Prozent). Im Juni 2024 waren es hingegen 37,8 Prozent (Bayern: 21,4 Prozent).
Und auch weiterhin streckt das Klinikum Ebersberg seine Fühler weltweit aus. Zuletzt gab es Kontakte nach Indien, Vietnam und den Philippinen, so Klinikchef Huber. Per Anerkennungsprüfung werde sicherstellt, dass bereits ausgebildete Fachkräfte den Anforderungen und Qualitätsansprüchen entsprechen. Bei jenen, die vor Ort ihre Ausbildung absolvierten, sei die Übernahmequote „bisher sehr hoch, weit über 90 Prozent.“
Ihnen ist zu wünschen, dass sie in Deutschland genauso schnell Fuß fassen wie Matjanovski und ihre Familie. Durch Kindergarten, Schule, Musik und Sportverein entstanden Freundschaften. „Sich für die örtlichen Gegebenheiten und die Kultur zu interessieren, fördert das Miteinander“, fasst die Krankenpflegerin zusammen.
Optimaler Türöffner ist ein Ehrenamt. Durch den Sohn kam sie zum Fußball, trainierte 23 Jahre lang die „Pampersliga“ der unter Sechsjährigen. Seit September betreut sie als Leiterin der Sport-Früherziehung eine noch jüngere Altersgruppe. Längst stehen dabei nicht nur Bewegung und Koordination im Vordergrund. „Die Kinder lernen ‚Danke‘ zu sagen und sich zu entschuldigen. Darum ist Sport so wichtig für die Gesellschaft.“
Und was zählt als gelungene Integration? „Offenheit. Und neben dem Umgang mit Landsleuten auch viele Kontakte zu Einheimischen. Die Seele leidet und ist nirgendwo daheim, wenn man nicht mal irgendwo ankommt!“ Marina Matjanovski ist angekommen.