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So war die Nacht der SZ-Autorinnen und -autoren 2025 – München | ABC-Z

Das Erste, was ins Auge fällt, wenn man am frühen Freitagabend vor dem Volkstheater im Schlachthofviertel ankommt, sind die vollen Fahrradständer. Da hat nichts mehr Platz. An allen Hofseiten stehen Räder so eng beieinander, als ob die Thermo-Sattelüberzüge, die an manchen von ihnen zu sehen sind, allein noch nicht genug gegen den frischen Herbsttag ausrichten könnten.

Eng und kuschelig geht’s auch drinnen im Volkstheater zu. Zum 19. Mal hat die Süddeutsche Zeitung zur Nacht der Autorinnen und Autoren eingeladen. Es kommen so viele Leserinnen und Leser, dass manches Mal ein Saal bis auf den letzten Sitzplatz besetzt ist und sich an den Türen Schlangen bilden. Mit Blick auf das Programm mit 17 Panels und drei Aktionen zum Mitmachen, im Rahmen derer Redakteurinnen und Redakteure der SZ über ihre Arbeit sprechen, verwundert der Andrang nicht.

Welche unterschiedlichen Kriterien für die Entscheidung wichtig sind, welche Texte auf der Titelseite erscheinen, darüber spricht Ulrich Schäfer (stellvertretender Chefredakteur, hier rechts) mit Matthias Becker (Homepage-Chef), Jens Schneider (Nachrichtenchef) und Carolin Werthmann (Leiterin Ausgabenteam). (Foto: Robert Haas)

Auf der großen Bühne 1 diskutieren der stellvertretende Chefredakteur Ulrich Schäfer, Nachrichtenchef Jens Schneider und die Leiterin des Ausgabenteams Carolin Werthmann darüber, wie die Titelseite der SZ entsteht. Außerdem sitzt Homepage-Chef Matthias Becker etwas abseits des Trios mit Laptop an einem Tisch – er betreut den Auftritt der SZ auf der Homepage und gibt dem Publikum live Einblicke in seine Arbeit.

Zum Beispiel in das Dashboard, auf dem viele Zahlen und Kurven zu sehen sind. Sie verraten, wie häufig Texte online aufgerufen werden und wie viele Leser im Verlauf des Tages die Homepage besuchen. Becker macht auf die außergewöhnliche Spitze aufmerksam, die an diesem Tag für elf Uhr vormittags zu sehen ist – da gab das Nobelkomitee die Preisträgerin des Friedensnobelpreises bekannt.

Fast bis auf den letzten Platz besetzt: So sieht es bei den meisten Panels an diesem Abend aus.
Fast bis auf den letzten Platz besetzt: So sieht es bei den meisten Panels an diesem Abend aus. (Foto: Robert Haas)

Ein Zuschauer möchte wissen, wie die SZ Schnelligkeit und Qualität gegeneinander abwägt. Mehrere Faktoren spielten dabei eine Rolle, sagt Becker: Bei erwartbaren Ereignissen wie der Bekanntgabe der Friedensnobelpreisträgerin, da wolle man natürlich schnell sein – durch den feststehenden Termin lasse sich das gut vorbereiten, der Schnelligkeit stehe nichts im Weg. Doch Becker sagt auch: „Die Wenigsten haben mehrere Nachrichten-Apps und kriegen deshalb gar nicht mit, wer jetzt am schnellsten war.“

Dann erzählt er noch von anderen Situationen, in denen Schnelligkeit Nachrang hat. So hätten einen Tag zuvor einige Medien eine Push-Nachricht versendet, wonach womöglich eine Drohne über einem Nato-Flugplatz gesichtet worden sei – von der SZ gab es jedoch keine Eilmeldung. Denn Becker bewertete die vorhandene Informationslage zu diesem Zeitpunkt als zu dünn, wie er sagt. Eine Stunde später hätten die Agenturen Entwarnung gemeldet: keine Drohne, vermutlich nur ein Vogel. „Da war ich froh, dass ich keinen Push losgeschickt habe.“

Auch auf den anderen Bühnen kommen die Diskussionen immer wieder auf den Aspekt, der beim journalistischen Arbeiten so wichtig ist: Es geht um eine sorgsame Abwägung mehrerer Faktoren. So erzählt Afrika-Korrespondent Paul Munzinger von der Suche nach geeigneten Protagonisten für seine Reportage, in der er über indigene Volksgruppen schreibt, die in der Demokratischen Republik Kongo nun erstmals sesshaft werden. Mit Unterstützung lokaler Journalisten habe er mehrere Dörfer abgeklappert, dort mit vielen Menschen gesprochen – und am Ende abgewogen: Bei wem liegt das Sesshaft-Werden noch nicht allzu lange zurück, doch lange genug, sodass sich etwas erzählen lässt? Es brauche die richtige Mischung.

Um eine „komische Mischung“ hingegen geht es bei Korrespondent-Kollege Peter Burghardt, der aus Washington zugeschaltet ist, als er beschreibt, wie er die aktuelle Stimmung in den USA wahrnimmt. Er kenne Menschen, die ihm von Sorgen erzählen, bald den Job zu verlieren. Doch beim Spaziergang durch seine Nachbarschaft, ja, da denke er sich: „Mensch, schön hier.“

Nicolas Richter und Henrike Roßbach geben Einblicke in die Arbeit der Parlamentsredaktion und den politischen Alltag in Berlin ...
Nicolas Richter und Henrike Roßbach geben Einblicke in die Arbeit der Parlamentsredaktion und den politischen Alltag in Berlin … (Foto: Robert Haas)
... während Marie-Louise Timcke, Vivian Götz und Fabian Heckenberger Einsicht in die Arbeit der SZ-Redaktionen mit KI geben.
… während Marie-Louise Timcke, Vivian Götz und Fabian Heckenberger Einsicht in die Arbeit der SZ-Redaktionen mit KI geben. (Foto: Robert Haas)

Leiter der Parlamentsredaktion in Berlin, Nicolas Richter, und seine Stellvertreterin Henrike Roßbach erzählen vom Entstehen der großen Seite Drei über eine erste Bilanz zur bisherigen Kanzlerschaft von Friedrich Merz, die am Tag nach der Veranstaltung in der SZ erscheint. „Nach einem halben Jahr kann man schon sagen, womit er sich leichter oder schwerer tut“, sagt Richter. Ein unerbittliches Urteil über den Erfolg oder Misserfolg von Merz als Kanzler, das allerdings sei angesichts der kurzen Regierungszeit unangemessen. Die Zwischentöne, auf die komme es zu diesem Zeitpunkt an. Eine Frage der Abwägung.

Beim Panel über den Einsatz von KI in den SZ-Redaktionen zeigt sich eine weitere Art der Abwägung. Redakteurin Vivian Götz, Chef vom Dienst Fabian Heckenberger und die Leiterin des Datenressorts Marie-Louise Timcke machen unter anderem einen Text über das Geschäft mit Behindertenwerkstätten zum Thema, der mithilfe von zwei KI-Sprachmodellen in einfache und leichte Sprache umformuliert wurde. KI im Journalismus, da sind sich die drei einig: ja. Aber ihr blind vertrauen: auf keinen Fall. Erst nachdem die Redaktion die Ergebnisse überprüft hatte, gibt es den Text nun in drei Versionen mit unterschiedlichen sprachlichen Niveaus zu lesen.

Wissensredakteur Christoph von Eichhorn lässt seine Ressortleiterin Marlene Weiß und Datenjournalist Sören Müller-Hansen bei einem Quiz gegen das Publikum antreten: Wer weiß mehr über Klimawandel und Klimaschutz? Ein durchaus ernstes Thema, das den Menschen hier Sorgen bereitet, wie eine kurze Abstimmung mittels Handy ergibt. Und trotzdem herrscht gute Stimmung – selbst dann noch, als sich die Zuschauerinnen und Zuschauer im Quiz der Redaktion knapp geschlagen geben müssen.

Panorama-Redakteur Martin Zips haut in die Tasten – an diesem Abend aber nicht in die seines Laptops, sondern in die eines Klaviers.
Panorama-Redakteur Martin Zips haut in die Tasten – an diesem Abend aber nicht in die seines Laptops, sondern in die eines Klaviers. (Foto: Robert Haas)

Nicht nur gut, sondern heiter ist die Stimmung bei Nadeschda Scharfenberg, stellvertretende Panorama-Ressortleiterin, und Redakteur Martin Zips, der an diesem Abend sein Können als Pianist unter Beweis stellt. Am liebsten würde man die kurzen Glossen, die auf der Panorama-Seite erscheinen, künftig immer mit seinem Klavierspiel im Hintergrund lesen.

Und dann betritt auch noch Familie Ewerdwalbesloh die Bühne, die im vergangenen Jahr US-Light-Night-Moderator Jimmy Fallon zufällig mit dem VW-Cabrio einsammelte und zum Hotel zurückbrachte, nachdem der sich am Tegernsee verlaufen hatte. Mit verteilten Rollen spielen die beiden Journalisten und die Ewerdwalbeslohs das Interview nach, das damals über ihre Fallon-Rettung in der SZ erschienen ist. Den Reaktionen des Publikums nach zu urteilen: eine grandiose Vorstellung.

An diesem Abend zeigt sich im Kleinen, wofür der Journalismus der SZ im Ganzen steht: Auf die richtige Mischung kommt’s an.

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