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Lena Cassel über Duelle von Frauen- und Junioren-Teams: “Diese Testspiele sind hinderlich für einen gerechten Umgang” | ABC-Z

Interview | Lena Cassel

“Diese Testspiele sind hinderlich für einen gerechten Umgang mit dem Frauenfußball”


Bild: IMAGO/Michael Weber IMAGEPOWER

Die Sportmoderatorin Lena Cassel hat selbst höherklassig Fußball gespielt und musste sich häufiger in Testspielen mit männlichen Junioren messen. Im Interview mit rbb|24 kritisiert sie die Tests, denn sie würden ein altes Narrativ befeuern.

rbb|24: Frau Cassel, Sie selbst haben Regionalliga-Fußball für Fortuna Köln gespielt. Mussten Sie auch Testspiele gegen männliche Jugend-Teams absolvieren?

Lena Cassel: Es ist mir im Verlauf meiner fußballerischen Laufbahn auf jeden Fall widerfahren. Ich sage das bewusst in dieser Wertung. Ich fand es demotivierend und habe es damals schon nicht verstanden, warum wir das machen, weil es wenig mit der Realität zu tun hat. Auch wenn man da in irgendeiner Form einen etwaigen Spielverlauf simulieren möchte. In Pflichtspielen haben wir nie gegen Männer oder Jungs gespielt.

Wie liefen solche Spiele ab?

Wir haben immer verloren. Ich fand es nicht erkenntnisreich, weder für die Junioren-Mannschaft noch für uns. Am Ende gab es bei uns eher Ernüchterung, weil wir auch gemerkt haben, dass wir dort keine Chance haben und uns auch schnell bewusst war, warum das so ist. In jedem Laufduell ziehst du den Kürzeren.

Ist aus ihrer Sicht der Unterschied rein auf die athletischen Voraussetzungen zurückzuführen?

Es ist ein Fakt, dass Männer oder Jungen den Frauen körperlich überlegen sind. Es geht da nicht um deine Sprintfähigkeit, die ausreichend ist, wenn du gegen andere Frauen spielst. Die körperlichen Unterschiede sind eklatant und ich glaube, das ist auch einer der Gründe, warum diese Testspiele für mich absolut sinnfrei sind.

Der Frauenfußball ist mit dem Männer- oder Juniorenfußball nicht vergleichbar, ein fairer Vergleich nicht möglich. Man lässt auch keine Frau zum Test im 200-Meter-Lauf gegen einen Mann antreten, genauso wenig wie beim 100-Meter-Freistil im Schwimmbecken. Deshalb gibt es die Zweiteilung im Sport, weil sie sinnvoll und fair ist.

Zur Person

Lena Cassel, Moderatorin bei "hart aber fair". (Bild: IMAGO / HMB-Media)

IMAGO / HMB-Media

Lena Cassel

Die Sportjournalistin und -moderatorin ist in einem kleinen Dorf in der Nähe von Köln aufgewachsen. In ihrer aktiven Zeit spielte sie u.a. für den SC Fortuna Köln und Türkiyemspor Berlin. Während ihres Bachelor-Studiums der Medienwissenschaften ging sie zur ARD Sportschau. 2019 startete Cassel in Berlin einen Neuanfang und arbeitete zwei Jahre für “Hertha TV”. Mittlerweile moderiert die 30-Jährige für Amazon Prime und DAZN. Ihre Autobiografie “Aufstiegskampf” erschien im April 2025.

Was bringen dann diese Tests? Es muss ja einen Mehrwert für die Trainer geben, sonst würden die Partien nicht stattfinden.

Ich sehe diesen sportlichen Mehrwert nicht. Und taktische Mannschaftsausrichtung kannst du auch gegen Frauen trainieren. Wir sind nicht in die Sprintduelle reingekommen. Wir sind nicht in die Zweikämpfe reingekommen. Nichts von alledem hat mit Talent zu tun. Es hat etwas mit Voraussetzungen körperlicher Natur zu tun und die werden wir nicht erreichen als Frauen.

Was machen solche negativen Testspiel-Ergebnisse mit den Spielerinnen. Ist da der eigene Selbstwert auch angekratzt?

So groß würde ich es nicht machen. Wir haben es schnell abgehakt. Da musste man einmal in der Vorbereitung durch und gut. Einen großen sportlichen Erkenntniswert hatte das aus meiner Sicht ohnehin nicht, zumindest wurde im Nachgang nicht viel darüber diskutiert in der Mannschaft. Wir haben diese Spiele auch weitestgehend unter Ausschluss der Öffentlichkeit abgehalten, so dass es für keinerlei mediale Aufruhr gesorgt hatte. Das ist aber bei Mannschaften wie Hertha BSC, der Schweizer Nationalmannschaft oder auch den DFB-Frauen komplett anders.

Die Regionalliga-Frauen von Hertha BSC haben unter anderem gegen die eigene U14 eine 1:9-Niederlage kassiert und dafür viel Spott in den Sozialen Medien einstecken müssen. Wie sollte man als Verein damit umgehen?

Zunächst einmal, diese deutliche Niederlage der Hertha-Frauen sagt nichts über die Qualität der Hertha-Frauen aus. Aber sie sagt sehr viel über die Art und Weise aus, wie die Leistung im Sport von Frauen beurteilt wird. Dass ein 14-jähriger Junge aus einem NLZ [Nachwuchsleistungszentrum; Anm. der Red] schneller, athletischer und spielintensiver agiert als eine hochklassige Fußballspielerin, hat nichts damit zu tun, dass sie weniger leisten oder schlechter Fußball spielen kann, sondern dass sie neben den geringeren körperlichen Voraussetzungen auch erst später gefördert wird. Der Verein sollte damit transparent umgehen und dies herausstellen. Das wird aber zu wenig besprochen. Man hat das Gefühl, dass sich da keiner rantraut, weil dann sofort von Diskriminierung die Rede ist.

Ich glaube nicht, dass der sportliche Erkenntniswert so groß ist, als dass es die negativen Folgen übertrumpfen würde.

Lena Cassel, TV-Moderatorin und ehemalige Regionalligaspielerin

Sind solche Tests für die öffentliche Wahrnehmung von Frauenfußball eher kontraproduktiv?

Das befeuert eine Debatte, die überhaupt nicht da sein sollte. Es gibt einen Nährboden und pflanzt den Gedanken weiter, dass der Frauenfußball in irgendeiner Form mit dem Männerfußball vergleichbar sei, wenn du solche Testspiele absolvierst. Das finde ich einfach eklatant, weil es eine Angriffsfläche bietet, die absolut vermeidbar wäre. Denn ich glaube nicht, dass der sportliche Erkenntniswert so groß ist, als dass es die negativen Folgen übertrumpfen würde. Da sollte es mehr Feingefühl bei den Verantwortlichen geben.

Trainerinnen wie Pia Sundhage, aktuell Schweizer Nationaltrainerin, sind große Verfechterinnen solcher Tests mit der Begründung, man könne dann besser die Intensität, Zweikämpfe und Laufleistungen schulen. Wie bewerten Sie das?

Die Zweikampfhärte kann man auch mit einem höherklassigen Frauen-Team gestalten – das entspricht vielmehr dem normalen Zustand. Das Problem ist, diese Testspiele fördern leider jenes Narrativ: ‘Seht her, wieder ein Beweis dafür, dass der Frauenfußball kein ernstzunehmender Sport ist, dass Profifußballerinnen kein Recht darauf haben, mehr Gehalt zu fordern, geschweige denn auf die Gender Pay Gap im Fußball aufmerksam zu machen, weil sie gegen Jungs verlieren.’ Genau diese Debatte wird befeuert. Und wir können nicht davon ausgehen, dass ein Großteil der Gesellschaft das differenzieren kann. Denn leider wissen wir alle, wie verkürzt das dann in den Sozialen Medien dargestellt wird.

Sie wollen also, dass dieser Vergleich zwischen Männer- und Frauenfußball aufhört?

Absolut. Spielerisch kann ich da keine großen Unterschiede erkennen, aber es sind unterschiedliche Kulturen und Voraussetzungen. Es geht nicht darum, Gleichheit herzustellen, sondern es geht um Gerechtigkeit. Diese Testspiele sind unfair und hinderlich für einen gerechten Umgang mit dem Frauenfußball. Das hat etwas mit gerechten Bedingungen zu tun, nicht mit gleichen Bedingungen. Und es ist für mich kein Erkenntniswert und keine Debatte wert, dass 14-jährige Jungs schneller laufen können als erwachsene Frauen.

Frau Cassel, wir bedanken uns für das Gespräch!

Das Interview führte Fabian Friedmann.

Sendung: rbb24 Inforadio, 15.10.2025, 10:15 Uhr


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