Wettbewerb macht weniger hilfsbereit – Wissen | ABC-Z

Bundesjugendspiele, Malwettbewerbe, Wettrennen. Ab dem Schulalter messen sich Kinder und Jugendliche auf unterschiedliche Art und Weise. Wer gewinnt, bekommt Anerkennung, die Eltern sind stolz, und manchmal winkt auch eine Belohnung. Alle möchten gewinnen, jeder will der Beste sein. Das motiviert und treibt Kinder wie Erwachsene an. Mit zunehmendem Alter verlagert sich der Wettbewerb vom Spielerischen hin zu schulischen Leistungen oder beruflichen Erfolgen. Eine Studie hat nun untersucht, wie sich Konkurrenz langfristig auf das soziale Verhalten auswirkt.
Forschende rund um Fabian Kosse, Professor für Volkswirtschaftslehre an der Universität Würzburg, haben dafür Jugendliche in Chile in den Blick genommen. Ihre Ergebnisse haben sie in der Fachzeitschrift Journal of the European Economic Association veröffentlicht. In Chile gibt es ein Programm, bei dem die besten 15 Prozent der Schülerinnen und Schüler garantiert einen Platz an einer renommierten Universität bekommen. Einige Schulen nehmen daran teil, andere nicht. Die Studienplätze sind begrenzt und entsprechend begehrt, die Jugendlichen stehen also in ständiger Konkurrenz zueinander. Für die Studie sollten sie Fragebögen zur sogenannten Prosozialität ausfüllen: Waren sie bereit, einem Fremden zu helfen? Waren sie bereit, Gefallen zu erwidern? Waren sie bereit, anderen zu vertrauen?
Aus anderen Untersuchungen wussten die Forschenden, dass sich Menschen, die bei diesen Fragen hohe Werte angaben, auch im echten Leben so verhielten. Durch das Studiendesign war es möglich, mehr als 5000 Schülerinnen und Schüler zu befragen.
Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler fragten das soziale Verhalten nicht nur kurzfristig ab, sondern auch nach vier Jahren. Die Ergebnisse zeigten: Jene Jugendliche, die im Wettbewerb zueinander standen, zeigten auch Jahre später noch ein weniger soziales Verhalten als die vergleichbare Gruppe ohne Konkurrenzdruck. Sie waren also weniger bereit, auch Fremden, mit denen sie nicht in Konkurrenz standen, zu helfen. „Bei Jungs war der Effekt deutlich stärker“, sagt Studienleiter Fabian Kosse. Jungs tendieren allgemein stärker dazu, sich für einen Wettbewerb zu entscheiden. Das zeigten bereits frühere Studien.
„Es gibt im Leben sensitive Phasen. Wenn man in dieser Zeit etwas einübt oder lernt, bleibt es“
Der Hochschulzugang ist zwar in Chile anders geregelt als in Deutschland, aber die grundsätzlichen Effekte des Wettbewerbs könne man vermutlich auch auf Deutschland und andere Lebensbereiche übertragen, sagt Fabian Kosse. Auch das deutsche Schulsystem basiert auf Leistung, Schülerinnen und Schüler vergleichen sich unweigerlich miteinander. Im Sport wetteifern Kinder wie Erwachsene. An Universitäten und in Unternehmen nimmt der Wettbewerb um Jobs oder Kursplätze zu.
Ob Wettbewerb in allen Lebensphasen diesen Effekt hat, beantwortet die Studie nicht. „Es gibt im Leben sensitive Phasen. Wenn man in dieser Zeit etwas einübt oder erlernt, bleibt es“, sagt Kosse. Solche sensitiven Phasen sind zum Beispiel das Grundschulalter und das späte Jugendalter zwischen 16 und 18 Jahren.
Der Wissenschaftler Fabian Kosse hat schon in früheren Studien die Entwicklung von sozialem Verhalten untersucht. Mit anderen Forschenden konnte er zeigen, dass die Entwicklung häufig davon abhängt, welche Vorbilder die Kinder haben. Spendeten etwa die Eltern viel oder verhielten sich altruistisch, hatte das Einfluss auf das soziale Verhalten der Kinder.
Bei Kindern, die sich weniger sozial verhielten, steigerte sich dieses Verhalten, wenn sie regelmäßig Kontakt zu einem Mentor oder einer Mentorin hatten. Die zusätzliche Bezugsperson konnte ein Vorbild darin sein, sich Zeit für die Kinder zu nehmen, und beeinflusste diese so in ihrer langfristigen Entwicklung.





















