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Warum Hosen von deutschen Marken so beliebt sind | ABC-Z

Vor einigen Wochen ist die Modemarke Closed mit ihrer Insolvenz in die Schlagzeilen geraten. Als Erfinder der „Pedal Pusher“-Jeans hatte das Hamburger Label in den Achtzigerjahren Kultstatus. Bei dem Modell handelt es sich um eine verkürzte, eng anliegende Jeans mit hohem Bund, die 2010 noch mal einen neuen Hype entfachte, nachdem die Schauspielerin Sarah Jessica Parker sie im Kinofilm „Sex and the City 2“ getragen hatte. Ob es daran lag, dass Closed zu viele andere Produkte wie Oberteile, Jacken und Pullover angeboten hat, an Fehlern im Management oder ob das Ende der allgemeinen Konsumzurückhaltung geschuldet ist, bleibt offen. Die Marke ist jedenfalls in bester Gesellschaft. Die Mehrheit der deutschen Modelabels kämpft derzeit mit herausfordernden Rahmenbedingungen und steht, wenn überhaupt, solide da, ist aber nicht international prägend im Geschäft.

Doch es gibt sie, die Modelabels aus Deutschland, die ungeachtet der Konjunktur, Kaufzurückhaltung und Preissensibilität erfolgreich sind, und das mit nur einem Produkt: die Hosenanbieter, so wie Closed es einmal war, bevor Oberbekleidung und Accessoires hinzukamen. Unternehmen wie Mac, Cambio, Raffaello Rossi, Seductive, Angels oder Brax wachsen seit Jahren. Woran liegt das?

„Die Hose wird gebraucht“

Vielleicht zunächst einmal daran, dass die Hose ein Alltagsprodukt ist, unabhängig von modischem Interesse, Alter und Geschlecht. Sie ist ein Gebrauchsgegenstand. Demzufolge machen Hosenspezialisten nicht nur mit den modisch gerade angesagten weiten Jeans und Hosen ihre Umsätze, sondern auch mit den Standardmodellen.

„Die Hose wird immer gebraucht“, sagt auch Brax-Chef Marc Freyberg. „Das macht den Markt weniger volatil und abhängig von modischen Entwicklungen.“ Modell Shakira etwa, eine schmal geschnittene Jeans, führt bei Brax seit Jahren die Bestsellerliste an. Bei Raffaello Rossi ist die locker sitzende „Jogginghose“ Candy der Renner, die jetzt von einer Variante mit einer etwas weiteren Beinsilhouette abgelöst wird.

Dieser Text stammt aus der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung.



Anders als im schnelllebigen Modebusiness werden die Klassiker nicht jede Saison ausgetauscht, sondern über Jahre angeboten und allenfalls mal in Qualitäten oder Details verändert. Damit die Kunden ihre Hose immer wiederfinden, hat jede Form ihren Namen. Ob Carola, Elaine, Angela oder Shakira, sie begleiten viele Frauen mitunter verlässlicher als ihre Ehemänner. Gleiches gilt für die Herren, mit denen ebenfalls ein dankbares Hosengeschäft zu machen ist.

Diese Kombination aus Bedarf und Mode zahlt sich aus. Brax hat 2024 mit 361 Millionen Euro Umsatz das beste Jahr in der Firmengeschichte abgeschlossen. Mac, mit über sechs Millionen verkauften Hosen pro Jahr Marktführer bei Damenhosen, will keine Zahlen nennen, spricht aber von einem dynamischen Wachstum in den vergangenen fünf Jahren. Der Hosenlieferant Angels konnte seinen Umsatz laut dem Fachmedium „Textilwirtschaft“ innerhalb von drei Jahren von knapp 30 Millionen Euro auf fast 50 Millionen Euro steigern. Die Schera Group, zu der die Marken Raffaello Rossi, Seductive und Rossi gehören, hat nach eigenen Angaben von 2015 bis 2024 den Umsatz von 20,5 Millionen auf 55,5 Millionen Euro erhöht.

Funktion, Qualität, Passform

Im Unterschied zu deutschen Komplettkollektionen, die im internationalen Wettbewerb zunehmend unter Druck geraten, weil sie nicht modisch genug oder zu klein sind, um im Kampf um Markenbildung mit den Marketingmaßnahmen großer Mitbewerber mitzuziehen, geht es bei Hosen, neben der Optik, genau um das, wofür deutsche Mode bis heute steht. „Die deutsche Modekultur ist geprägt von den Themen Funktion, Qualität und Passform“, sagt Eveline Schönleber, Geschäftsführerin von Mac. „Die Hose ist kein Beiwerk und deshalb abhängig vom Selbstverständnis von Unternehmen, die ihr Handwerk können.“

Für Brigitte Schellenberger, Mitinhaberin und Produktchefin von Raffaello Rossi, ist Komfort der Schlüssel zum Erfolg. „Wenn eine Kundin sich in einer Hose wohl und auch noch schön fühlt, hat man sie gewonnen.“ Es gibt Kundinnen, die legen sich ihre Lieblingshose sogar auf Vorrat in verschiedenen Farben an.

Für alle Geschlechter: Unisex-Hose, Modell Addison, in Beige von Rossi
Für alle Geschlechter: Unisex-Hose, Modell Addison, in Beige von RossiUnternehmen

Das hat den Vorteil, dass Frauen auch bereit sind, mehr Geld für eine gut sitzende Hose auszugeben. „Wenn Sie einen guten Wein wollen, gehen Sie nicht in den Supermarkt, sondern in die Weinhandlung oder, noch besser, direkt zum Winzer. Genauso verstehen wir uns als Hosenspezialist“, sagt Eveline Schönleber. Denn anders als bei Fast-Fashion-Anbietern wie Zara oder Mango, wo man abwechselnd mal Konfektionsgröße 36 und dann wieder 40 trägt, ist bei den Hosenspezialisten auf das Thema Passform Verlass. Eine 38 ist eine 38. Hinzu kommt, dass im Portfolio sowohl eine Frau mit 1,80 Meter Körpergröße als auch eine mit 1,65 Meter fündig wird. „Passform ist bei Hosen der Code, deutlich mehr als bei Oberteilen“, sagt David Gansbühler, Vorstandsvorsitzender von Cambio. „Die Entwicklung ist komplexer und verlangt Erfahrung sowie eine präzise Schnitttechnik.“

Diese wird noch wichtiger, wenn es um Passformen geht, die nicht der Norm entsprechen. „Eine Hose muss nicht nur sitzen, sondern auch in Bewegung funktionieren, und das bei ganz unterschiedlichen Körperformen. Diese Komplexität beherrscht man nicht über Nacht, dafür braucht es Erfahrung und technische Präzision“, sagt Schönleber.

Know-how mit Historie

Die hiesigen Hosenexperten haben sich dieses Know-how über Jahrzehnte aufgebaut. Die meisten blicken auf eine lange Geschichte zurück. An vorderster Stelle Brax, die sich in den Siebzigerjahren aus der 1888 gegründeten Leineweber-Gruppe heraus entwickelt haben, zunächst als Wäschefabrikant, später als Hosenspezialist. Mac wurde 1973 gegründet, Angels 1980, Cambio 1987. Schera hat zunächst für andere Modelabels produziert, bis die Inhaber Brigitte und Ralf Schellenberger 1991 beschlossen, mit Raffaello Rossi und später Seductive ihre eigenen Marken zu etablieren.

Begleitet viele Frauen zuverlässig: schwarze Hose von Cambio, hier das Modell Anais mit asymmetrischem Bund.
Begleitet viele Frauen zuverlässig: schwarze Hose von Cambio, hier das Modell Anais mit asymmetrischem Bund.Unternehmen

Vor zwei Jahren ist im Hause Schera die Unisex-Linie Rossi dazugekommen, verantwortet von Sohn Tobias, der zusammen mit seinem Bruder vor fünf Jahren ins elterliche Unternehmen eingestiegen ist. Der Zeitpunkt hätte nicht besser gewählt sein können. Das Thema weite Hosen nahm gerade Fahrt auf, die Idee einer modernen Hose für alle Geschlechter öffnete die Türen für neue Kunden und eine jüngere Zielgruppe. Zusammen mit dem Berliner Trendscout Julian Daynov als Kreativdirektor schaffte Tobias Schellenberger es, seine Hosen an namhafte Einzelhändler zu verkaufen. Im letzten Jahr hat Rossi nach eigenen Angaben 2,5 Millionen Euro Umsatz erzielt, in diesem Jahr wird die Kollektion die Umsatz-Hürde von vier Millionen Euro knacken. „Durch Rossi haben wir noch mal eine ganz andere Wahrnehmung“, so Tobias Schellenberger, „und natürlich hat das auch eine Strahlkraft auf unsere anderen Marken.“

Laut einer Studie der „Textilwirtschaft“ wird rund ein Viertel der Gesamtumsätze von Damenmode in Deutschland mit Hosen gemacht. Ob Pandemie, Konjunkturflaute oder Inflation, die Hose bleibt trotzdem die stabile und verlässliche Größe im Modebusiness. In Deutschland ist diese Hosenkompetenz eine der seltenen Erfolgsgeschichten – und ein Alleinstellungsmerkmal. Denn weder in Frankreich noch in Italien gibt es Marken, die vergleichbar arbeiten, also Hosen anbieten – und sonst nichts. Dabei ist die Hose, das zeigen diese Beispiele, deutlich mehr als das.

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