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Drohnenüberflüge über kritische Infrastruktur in Schleswig-Holstein – Politik | ABC-Z

Bei den jüngsten Drohnenüberflügen von kritischer Infrastruktur in Schleswig-Holstein geht es nach Einschätzung von Sicherheitsbehörden nicht um das Ausspähen der Objekte. Dies erfuhr die SZ am Mittwoch aus Sicherheitskreisen. Demnach stuft man den Spionagewert von möglicherweise aufgezeichneten Bildern der Gebäude und Unternehmen als „begrenzt“ ein. Solche Aufnahmen seien zwar nicht wertlos, weil sie genauere Bilder liefern könnten als Satellitenaufnahmen, etwa, wenn man Anschläge vorbereiten wolle. Aber auch eine Drohne könne beispielsweise nicht durch Wände schauen, hieß es.

Der Spiegel hatte berichtet, dass Drohnen vergangene Woche ein Kraftwerk in Kiel, das Universitätsklinikum, das Werksgelände der Marinesparte von Thyssenkrupp, den Landtag in Kiel und weitere Gebäude überflogen haben. Schleswig-Holsteins Innenministerin Sabine Sütterlin-Waack (CDU) bestätigte am Mittwoch im Innen- und Rechtsausschuss des Landtages die Berichterstattung, die Hintergründe seien jedoch unklar, es gebe derzeit „keine qualitativ gesteigerte Gefährdungslage“.  Die Staatsanwaltschaft Flensburg hat  ein Ermittlungsverfahren gegen unbekannt eingeleitet.

Provozieren, verunsichern, Reaktionen testen, Ressourcen binden – das dürften die Motive sein

Die Behörden gingen nun dem Verdacht nach, die Fluggeräte hätten die Objekte gezielt angesteuert, um diese zu „vermessen“, hieß es in dem Bericht. Auch über Mecklenburg-Vorpommern waren in den vergangenen Tagen Drohnen unbekannter Herkunft gesichtet worden. Das dortige Innenministerium hat für das erste Halbjahr 2025 vier meldepflichtige Vorfälle erfasst, davon einer über einem Offshore-Windpark vor Rügen, drei weitere über Militärgelände.

Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) betonte zum Abschluss der Kabinettsklausur in der Villa Borsig in Berlin, nicht jede Drohne sei automatisch eine Bedrohung. „Auch nicht jede Drohne, die durch fremde Mächte gesteuert wird, ist automatisch eine Bedrohung.“ Russland gilt als mutmaßlicher Akteur hinter den Drohnenflügen, einen Beleg hierfür gibt es allerdings nicht. Vieles sei als Provokation anzusehen, das gelte auch für die Vorfälle vergangene Woche in Schleswig-Holstein, sagte der Innenminister. Dobrindt hatte zuvor seine Pläne für eine bessere Drohnenabwehr vorgestellt, die unter anderem ein Drohnenabwehrzentrum umfassen.

„Keine qualitativ gesteigerte Gefährdungslage“: Schleswig-Holsteins Innenministerin Sabine Sütterlin-Waack (CDU) berichtet im Kieler Landeshaus über die Drohnenflüge. (Foto: David Hammersen/dpa)

Aus Sicherheitskreisen hieß es, man vermute hinter den Drohnenflügen drei Motive: Erstens ginge es darum, die Reaktionsfähigkeit Deutschlands zu testen. Dies gelte sowohl für die Abwehrmaßnahmen wie einen Abschuss als auch für die Frage, wie schnell die Politik reagiere und wie sich die Öffentlichkeit verhalte. Zweitens wollten die Akteure Ressourcen binden. Polizei und Politik müssten tätig werden, die Urheber wollten so „den Gegner beschäftigen“. Drittens gehe es darum, Verunsicherung zu erzeugen, eine Irritation der Bevölkerung, aber auch der Politik. Die Botschaft der Flüge über kritische Infrastruktur sei: „Wir erreichen euch überall.“ Drohnen sollen demnach die Stimmung im Land negativ beeinflussen. Landesinnenministerin Sütterlin-Waack sagte, man sehe hier Mittel der hybriden Kriegsführung. „Wir wissen, dass Drohnen Angst verbreiten.“ Ebendies sei beabsichtigt.

In der Politik löst der Fall aber auch jenseits dieser Verunsicherung Sorgen aus. „Russland führt uns ganz klar unsere Schwächen vor Augen“, heißt es aus der Spitze eines Landesinnenministeriums. Die Botschaft der Drohnenschwärme laute mit Blick auf die Ukraine-Unterstützung: „Auch ihr seid verletzlich!“ Zudem stößt in den Ländern auf immer mehr Unverständnis, dass es kaum Vorwarnungen gebe. Die Drohnen würden oft erst über kritischer Infrastruktur bemerkt. Griffen die Behörden dann ein, sei es für Gegenmaßnahmen viel zu spät. Deutschland müsse viel stärker als bisher an einem Frühwarnsystem arbeiten, auch um Drohnen noch über unbewohntem Gebiet und ohne Kollateralschäden vom Himmel holen zu können. Erst wenn es gelinge, Drohnen abzufangen, lasse sich auch detailliert klären, mit welchem Ziel sie in der Luft seien.

Die Bundeswehr soll künftig leichter eingreifen können

Zwar hatte Innenminister Alexander Dobrindt für diesen Herbst eine Änderung des Luftsicherheitsgesetzes angekündigt, die der Bundeswehr im Wege der Amtshilfe ermöglichen würde, bei der Drohnenabwehr auch im Inland einzugreifen. Doch noch sind juristische Fragen ungeklärt. Zudem soll die Bundespolizei bei der Abwehr von Drohnen mehr Befugnisse erhalten. Sie soll etwa Bahnhöfe und Bahn-Anlagen bewachen, aber auch das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe oder das Regierungsviertel in Berlin. Die Kompetenzen erstrecken sich aber nicht nur auf Angriffe aus der Luft. Der Schutz durch die Bundespolizei soll  „unbemannte Land-, Luft und Wassersysteme“ umfassen. Das Gesetz soll laut Dobrindt bereits am kommenden Mittwoch vom Kabinett gebilligt werden.

Schon seit August 2024 stellen Behörden in Schleswig-Holstein immer wieder illegale Drohnenflüge fest. Erst vor drei Wochen hatten Spezialkräfte den Frachter Scanlark auf dem Nord-Ostsee-Kanal festgesetzt und das Schiff über viele Stunden auf den Kopf gestellt. Rund 40 Polizeikräfte, darunter auch Taucher, waren daran beteiligt. Die Staatsanwaltschaft Flensburg erklärte am Mittwoch, der Anfangsverdacht der Agententätigkeit zu Sabotagezwecken habe sich erhärtet. Die Besatzung soll von Bord aus eine Drohne gesteuert und illegale Aufnahmen von einem Schiff der Marine gemacht haben. Ziel sei es möglicherweise gewesen, die Bewaffnung an Bord für den Fall einer militärischen Auseinandersetzung auszuspähen, hieß es weiter. Auch in diesem Fall führt die Spur nach Russland. Zwar war der Frachter im Karibikstaat St. Vincent und die Grenadinen registriert. Die fünfköpfige Besatzung soll jedoch die russische Staatsbürgerschaft haben. Unterwegs war das Schiff den Angaben zufolge für eine estnische Reederei mit Sitz in Tallinn.

Auch bei den jüngsten Drohnenüberflügen im Norden führt eine Spur nach Estland. Nach Angaben aus Sicherheitskreisen steht ein Schiff im Verdacht, die Drohnen über Schleswig-Holstein gesteuert zu haben, es sei auf dem Weg gewesen von Flensburg nach St. Petersburg, Eigentümer und Management hätten ihren Sitz in Estlands Hauptstadt in Tallinn. Auch die Besatzung dieses Schiffes sei russisch.

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