„Alternativer Nobelpreis“ für Aktivisten aus Myanmar | ABC-Z

Der Kontakt mit Justice for Myanmar (JFM) geschieht über verschlüsselte Internetdienste, das Interview muss schriftlich erfolgen. Die Antworten stammen von Sprecher Yadanar Maung, über den zwar nichts bekannt ist, bei dem es sich den Angaben zufolge aber „um eine echte Person handelt“.
Die Organisation, die sich selbst als „geheime Gruppe von Aktivisten aus Myanmar“ bezeichnet, bekommt den diesjährigen Right Livelihood Award („Alternativer Nobelpreis“) der Jury laut Bekanntgabe am Mittwoch zufolge „für ihren Mut und ihre bahnbrechenden Recherchen, die die internationale finanzielle Unterstützung für die korrupte Militärjunta aufdecken“.
Die strengen Sicherheitsvorkehrungen sind den Aktivisten zufolge notwendig, weil sonst „reale Gefahren“ drohen: „Aufgrund der zunehmenden Gewalt der Junta und eines Netzwerks schmutziger Geschäftemachereien, die sie ermöglichen, arbeitet Justice for Myanmar anonym“, schreibt der Sprecher.
Hilfe aus China und Norwegen
Er nennt dann gleich einige Unternehmen, die dem Regime beim Aufbau eines autoritären Überwachungsstaats geholfen hätten. Die chinesische Firma Geedge etwa, die Geräte zur Internetzensur liefere, und der norwegische Telekommunikationskonzern Telenor, der vor seinem Rückzug aus Myanmar Daten an das Regime weitergegeben habe.
Die Auszeichnung bestärke die Gruppe in ihrer „Entschlossenheit, die Finanzströme zu unterbinden, die weiterhin eine brutale und illegale Militärjunta stützen“, schreibt der Sprecher. Den Preis, der am 2. Dezember in Stockholm verliehen wird, teilt sich JFM mit einer Gruppe von Pazifik-Insulanern, der taiwanischen Digitalministerin Audrey Tang und den Emergency Response Rooms (ERRs) in Sudan. Anders als diese Preisträger wird die Gruppe aus Myanmar am Mittwoch aus Sicherheitsgründen keine Pressekonferenz geben. Das Interview mit der F.A.Z. wurde exklusiv im Vorfeld organisiert.
Die Jury weist in ihrer Pressemitteilung darauf hin, dass sich Myanmar derzeit an einem Scheideweg befinde. Seit dem Militärputsch im Jahr 2021 versinkt das Land immer tiefer in einem blutigen Bürgerkrieg. Die Spannungen verschärfen sich zur Zeit, weil das Militär im Dezember zum ersten Mal wieder Wahlen abhalten will, um seine Herrschaft zu legitimieren. Um diese von Aktivisten so bezeichneten „Scheinwahl“ durchführen zu können, verstärkt das Militär seine Angriffe auch auf zivile Ziele.
Wie Arbeit hat Erfolg
JFM fordert Unternehmen und Regierungen weltweit deshalb auf, dem Regime den Zugang zu Geld, Waffen und Kerosin zu verwehren. Der Jury zufolge hat die Gruppe Waffenhandel, Offshore-Vermögenswerte und die Komplizenschaft von Firmen bei Gräueltaten aufgedeckt.
Die Aktivisten nennen einige Erfolge: So beendete der europäische Flugzeughersteller Airbus eine Zusammenarbeit mit einer Tochtergesellschaft der chinesischen Firma AVIC, die Flugzeuge und Waffen an Myanmars Militär geliefert habe. Der französische Konzern Total Energies und der japanische Getränkekonzern Kirin hätten sich nach ihren Recherchen aus dem Land zurückgezogen.
Die Arbeit der Aktivisten hat auch in Deutschland Spuren hinterlassen. So kam es zu Ermittlungen gegen die deutsche ND Satcom, die Kommunikationsausrüstung an Myanmars Militär geliefert haben soll. Gegen den Lastwagen-Hersteller MAN wurde JFM zufolge ermittelt, weil er Komponenten für ein südkoreanisches Kriegsschiff geliefert hatte, das an Myanmars Militär verkauft wurde.
Das Unternehmen geriet auch wegen seiner Verbindungen zu dem chinesischen Hersteller Sinotruk ins Visier, dessen Lastwagen bei Angriffen auf Zivilisten sowie für den Transport von Verhafteten verwendet worden seien. Einige der Geschäfte, auf die JFM aufmerksam machte, sollen gegen das deutsche Außenwirtschaftsgesetz und die Dual-Use-Verordnung der EU verstoßen.
Auf die Spur kommen die Aktivisten diesen Geschäften ihren Angaben zufolge durch Tipps von Whistleblowern, aber auch durch sogenannte Open-Source-Recherchen. „Wir suchen online nach Beweisen, untersuchen durchgestochene Dokumente und analysieren Finanzdaten. Wir verfolgen den Fluss von Geld, Waffen und Einfluss, der die Junta und ihre Terrorkampagne aufrechterhält“, so der Sprecher.
Dabei halten die Aktivisten die Sanktionen und Embargos, die von den USA und der EU gegen Myanmars Machthaber verhängt wurden, für wichtig, aber nicht ausreichend. Länder wie China, Russland und Belarus „finanzieren, bewaffnen und legitimieren die Junta und begünstigen damit direkt ihre internationalen Verbrechen“, so der Sprecher. Mindestens 54 südostasiatische Unternehmen unterhielten weiterhin Geschäftsbeziehungen mit dem Regime oder seinen Tochterunternehmen. Der Sprecher findet, dass auch Deutschland bei der Durchsetzung von Sanktionen und Embargos „proaktiver“ vorgehen sollte.





















