Krieg in Europa? „Putin erleidet Niederlage“ – Franzose hackt auf Kreml-Chef ein | ABC-Z

Der herbstliche Nebel über den Feldern unter dem Flugzeug des deutschen Außenministers löst sich auf, als der Vormittag anbricht. Ähnliche Klarheit streben die europäischen Verbündeten und die Nato-Länder für ihre Verteidigungsstrategie gegenüber Russland an. In Warschau kommen sie am Montag zum „Warschauer Sicherheitsforum“ zusammen.
Der deutsche Außenminister Johann Wadephul (CDU) reist mit einer Delegation an, auch Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) ist vor Ort, ebenso mehrere Bundestagsabgeordnete .Die Bundesregierung will hier zeigen: Das Weimarer Dreieck, bestehend aus Polen, Frankreich und Deutschland und oft schon totgesagt, ist ziemlich lebendig. Mit der Ukraine zusammen nennen sie es „Weimarer Dreieck plus“. Aus Frankreich reist Wadephuls Amtskollege Jean-Noel Barrot an, aus der Ukraine Andrii Sybiha.
Wadephul zu Drohnen-Überflügen: „Bewusste Angriffe im Graubereich“
Alles dreht sich um die jüngsten Luftraumverletzungen in Estland und Polen. Der Nato-Staat Dänemark spricht von „hybrider Kriegsführung“ – selbst wenn noch nicht geklärt ist, wer die Drohnen zu den dänischen Flughäfen und Militärstützpunkten entsandt hat. Dass der Kreml ein Interesse hat, westliche Staaten zu destabilisieren und die Bevölkerung mit IT-Attacken und ominösen Drohnen-Überflügen zu verunsichern, gilt unter Experten als Tatsache.
Die Verletzungen des Nato-Luftraums durch Moskau „sind keine Irrtümer, sondern bewusste Angriffe im Graubereich“, warnte Wadephul. Sie seien Teil der hybriden Aggression des russischen Präsidenten Putin. „Solche Provokationen sind brandgefährlich und haben nur ein Ziel: unsere Entschlossenheit zu testen.“
Außenminister Johann Wadephul in Warschau: Europa versprüht Optimismus.
© Michael Kappeler/dpa | Michael Kappeler
Europäische Partner wollen Druck auf Russland erhöhen
Im Zentrum des Warschauer Treffens steht eine Frage: Wie muss sich Europa verändern, damit es Putin das Fürchten lehrt? Und wie gelingt das? Für Sybiha steht fest: Es braucht ein einheitliches Luftverteidigungssystem in Europa. „Die Ukraine ist kein Pufferbereich mehr zwischen Russland und der EU, sondern ein Faktor der europäischen. Sicherheitsarchitektur“, sagte der ukrainische Außenminister.
Dass die europäischen Partner und Nato-Verbündeten den Druck auf Russland erhöhen wollen, daran lassen sie in der polnischen Hauptstadt keinen Zweifel aufkommen. Frankreichs Außenminister Barrot kündigte weitere Sanktionen gegen Russland an: die vollständige Abkehr vom russischen Erdgas bis 1. Januar 2027, Sanktionen gegen den Erdgaskonzern Rosneft, Restriktionen für Kryptowährungen und weitere Schritte. Der Vorstoß müsse noch mit den USA abgestimmt werden, sagte Barrot. „Aber wenn das gelingt, wird es einen Wendepunkt im Ukraine-Konflikt darstellen.“ Schon jetzt, führte Barrot aus, erleide Russland gleich zwei Niederlagen – militärisch im Kriegsgebiet und wirtschaftlich im eigenen Land. „Die Kapazitäten der russischen Raffinerien sind infolge der ukrainischen Angriffe um 17 Prozent gesunken. Die Zivilgesellschaft leidet.“ Um das alles zu verschleiern, verstärke der Kreml seine Provokationen gegen die Nato-Staaten.
Europäische Minister versprühen Optimismus
Vor dem Hilton-Hotel in Warschau steht eine CAESAR-Selbstfahrhaubitze, flankiert von polnischen Soldaten. Im großen Saal des Hotels ist kein Platz mehr frei. Die Außenminister des „Weimarer Dreieck plus“ sitzen auf der Bühne. Wird Frankreich ebenfalls bald von Russland ins Visier genommen, nach Dänemark und Norwegen, die nicht zur Ostflanke der Nato gehören, fragt die Moderatorin. Ein klares Ja oder Nein liefert Barrot nicht, aber er sagt: „Polen ist ein Land, das uns sehr am Herzen liegt.“ Frankreich wolle zur Stärkung der Ostflanke beitragen, um Drohnen frühzeitig aufzuspüren und zu zerstören. Er wiederholt seine Botschaft: Russland geht der Niederlage entgegen.
Es ist ein erstaunlicher Optimismus, den die Minister verbreiten. Russland habe bisher keines seiner Ziele erreicht. Es mache einen Fehler nach dem anderen, heißt es. Auf den US-Atomschirm sei noch immer Verlass. Die Zeit spiele gegen Putin. Nun müsse man nur noch zusammenhalten und sich als Westen nicht von Moskau spalten lassen – und die Verteidigung müsse schneller aufgebaut werden, um Luftraumverletzungen zu begegnen.
„Putin führt Krieg gegen uns“
Mehr Botschaft als Wirklichkeit, urteilt die Sicherheitsexpertin Claudia Major am Rande der Konferenz. „Die Nato-Partner sind politisch nicht so geeint, und ohne die USA funktioniert die erforderliche Abschreckung gegenüber Russland auch nicht.“ Man sende Washington positive Signale, um sich die USA als Rückversicherung zu erhalten. Erfolgreiche Abschreckung heiße, das Kalkül Russlands so zu verändern, dass es von einem Angriff absieht. Und das könne Europa, so Major, ohne die USA kaum. Die Europäer müssten selbst stärker werden, ohne den USA den Eindruck zu vermitteln, sie würden nicht mehr gebraucht, und ohne eine Abschreckungslücke in Europa zu riskieren: Das sei eine Gratwanderung. Erschwerend komme hinzu, dass die Nachrüstung zu langsam voran kommt, weil auch die Industrie sich umstellen muss.
Hauptstadt Inside von Jörg Quoos, Chefredakteur der FUNKE Zentralredaktion
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Der Ukrainer Andrii Sybiha kühlte die positive Grundstimmung in Warschau ebenfalls herunter. „Wir müssen uns vom Wunschdenken verabschieden: Russland führt Krieg gegen uns.“ Es gelte, den Preis für künftige Angriffe zu erhöhen – und die Lage müsse für Putin persönlich gefährlich werden. Wie das konkret erreicht werden könnte, sagte er nicht. Sanktionen müssten mit den USA gemeinsam erfolgen, denn nur europäische reichten nicht aus.
Die Antwort auf die Frage, wie Europa zum gefürchteten Gegner Russlands werden könnte, lautet wohl wie bisher: alleine erstmal gar nicht.















