Schuljahresbeginn 2025/2026: Mit einem breiten Fitnessprogramm in die Zukunft – Bayern | ABC-Z

Für 132 000 Mädchen und Buben in Bayern war dieser Dienstag besonders aufregend: Sie marschierten in der Früh herausgeputzt mit bunten Schultüten sowie neuen Ranzen zu ihrer Grundschule und erlebten dort den ersten Schultag ihres Lebens. Für sie und alle anderen der insgesamt 1,76 Millionen bayerischen Schüler und Schülerinnen begann das neue Schuljahr, das Kultusministerin Anna Stolz (Freie Wähler) unter das Motto „Fit für die Zukunft“ stellte.
Ihr Fitnessprogramm gilt für alle, Schüler wie Lehrkräfte, und soll „mehr Bewegung, mehr Medienkompetenz, mehr Chancengerechtigkeit, mehr politische Bildung und weniger Bürokratie“ umfassen.
Ein Bereich, in dem Stolz die Fitness verbessern will, ist die digitale Bildung. Zwei Säulen seien wichtig, um einen „reflektierten und verantwortungsvollen Umgang“ zu fördern, sagte sie nach der Ministerratssitzung am Dienstag. Nämlich die Geräte nur dann einzusetzen, wenn sie „pädagogischen Mehrwert“ bieten, und die „Medienkompetenz“ der Kinder und Jugendlichen zu stärken. „Kompetenz schafft Resilienz“.
Zwar ist Medienkompetenz seit Jahren Teil des bayerischen Lehrplans, aber nicht nur aus Sicht des Landesschülerrates einer, der dringend verbessert werden müsste. Zu unterschiedlich sind die Herangehensweisen und Resultate an den Schulen. Bayerns Schülersprecher fühlen sich so schlecht vorbereitet auf die digitale Welt, dass sie kürzlich ein eigenes Schulfach dafür forderten. Sogar die Kultusministerin sprach von „Aufbauarbeit“, der jetzt offenbar der nötige Schub folgen soll.
Ein Fach wird es nicht geben, aber neues Material für die Lehrkräfte. Die Schulen hätten sich mehr „Hilfe gewünscht“. Ein neuer „Digitalkompass Schule“ mit Materialien zu Künstlicher Intelligenz, Social Media und – als Basis – dem richtigen Umgang mit dem Tablet an sich soll diese Hilfestellung bieten.
Nach Rücksprache mit Wissenschaftlern gelte fortan das Motto: „Je jünger, desto weniger“, sagte Stolz. Damit hatte sie auch schon die im Juni überraschend vollzogene Bremsung der Staatsregierung bei der digitalen Ausstattung der Schulen begründet. Nach nur einem Jahr war die Staatsregierung damit von der 2024 groß angekündigten und im Koalitionsvertrag verankerten 1:1-Ausstattung für Bayerns Schüler und Schülerinnen abgewichen und hatte besonders die digitalen Vorreiterschulen irritiert.
Künftig unterliegen die Jüngsten bei der Digitalisierung besonders strengen Regeln: Bayerische Grundschüler sollen nicht mehr als 20 Minuten am Stück mit dem Tablet oder Smartphone arbeiten, im Einsatz sind nur Leihgeräte. Zudem sind für die Kinder 30 Minuten Bewegung pro Tag vorgeschrieben. Das detaillierte Konzept für diese „Bewegungshalbestunde“ werde Anfang Oktober vorgestellt, sagte die Ministerin, aber kündigte schon mal ein Maskottchen, Videos, eine Choreographie und einen Song an.
Dass Sport der Kultusministerin wichtig ist, ist bekannt, und Fitness soll offenbar bis in den letzten Winkel vordringen: Sogar den alten Waldorf-Spott des Namentanzens scheint Stolz mit Sinn füllen zu wollen. Sie kündigte neue Konzepte an, die Lernen mit Bewegungseinheiten verknüpfen. Vielleicht turnen Bayerns Buben und Mädchen also bald den Satz des Pythagoras.
Aber auch die Lehrkräfte sollen fitter werden, Stolz sprach am vergangenen Freitag, in ihrer ausführlichen Pressekonferenz zum Schuljahresbeginn, mehrere „Hilfestellungen“ für diese an. Neben dem neuen Digitalisierungskompass sollen die Lehrpläne überarbeitet werden, um den „Unterschied zwischen Pflicht und Kür“ optisch und inhaltlich klarer zu machen. Der Lehrplan müsse eine „echte Hilfestellung für unsere Lehrkräfte“ sein. Stolz vermied dabei das negativ konnotierte Wort entschlacken und versicherte, dass keine grundlegende Reform anstehe. Diese würde nur „mehr Arbeit machen“, stattdessen gehe es um „Vereinfachung, Verbesserung, Entlastung“.
(Hilfs-)Angebote also statt Ansagen von oben, die wohl dasselbe Ziel haben, aber eher Stolz’ Stil entsprechen. Von Machtworten hält die Ministerin wenig, sie setzt auf Freiwilligkeit.
Beim großen Problem Lehrermangel hat sich diese Strategie zumindest fürs Gymnasium ausgezahlt: Der Gymnasiallehrerverband hatte befürchtet, dass im neuen Schuljahr viele Stellen unbesetzt bleiben, wenn erstmals im neuen G 9 die 13. Klasse aufwächst und auf einen Schlag 30 000 zusätzliche Jugendliche zu unterrichten sind.

:„Unsere Lehrer waren nullkommanull darauf vorbereitet“
Die Ankunft der vielen Flüchtlingskinder 2015 hat das bayerische Schulsystem überfordert. Doch die Startschwierigkeiten konnten dank des Einsatzes aller Beteiligter überwunden werden – ehe die Stimmung kippte.
Während Ministerpräsident Markus Söder sogar mit einer pauschalen Gesetzesänderung geliebäugelt hatte, die Teilzeitmöglichkeiten für alle Beamten eingeschränkt hätte, setzte Stolz auf die Überredungskünste der Schulleitungen und freiwilliges Engagement der Lehrkräfte. Es reichte. Die Ministerin verkündete nun zufrieden, dass viele der Teilzeit-Lehrkräfte an den Gymnasien „deutlich“ aufgestockt haben und zudem 910 neue Lehrerinnen und Lehrer eingestellt wurden.
Auch wenn die Personalsituation derzeit an Grundschulen und am Gymnasium rosiger aussieht als in den anderen Schularten, verwies Stolz auf das Gesamtkonzept Lehrerversorgung samt „Werkzeugkasten“. Jedes Jahr werde die Situation neu bewertet, um dem Lehrermangel zu begegnen. Im Klartext bedeutet das, wenn locken, entlasten und Freiwilligkeitsappelle nicht reichen, können durchaus dienstliche Anordnungen zu mehr Arbeit folgen.
Stolz’ erfolgreichen Appell sah Gabriele Triebel (Grüne) kritisch: Die Unterrichtsversorgung werde gedeckt, „indem überlastete Teilzeitkräfte dazu gedrängt werden, ihre Stunden aufzustocken“. Dabei habe die Regierung den Personalmangel selbst verursacht. Triebel forderte stattdessen eine moderne Ausbildung sowie bessere Arbeitsbedingungen und Entlastung. Der bayerische Lehrer- und Lehrerinnenverband (BLLV) beklagte, dass der „Schweinezyklus“ zurück sei – also der Wechsel zwischen zu viel Lehramtsstudierenden und zu wenig für Schularten und Fächer, je nach Nachfrage.
Außerdem sei die hohe Teilzeitquote von mehr als 50 Prozent ein Zeichen für Überlastung, auch der Anteil der vorzeitigen Ruhestände und Dienstunfähigkeiten habe sich in den vergangenen zehn Jahren verdoppelt. Die Lösung sieht BLLV-Präsidentin Simone Fleischmann in der Umsetzung des Konzepts der von Söder initiierten Lehrerbildungskommission. Was davon aber überhaupt umgesetzt wird, soll derzeit in der Staatsregierung diskutiert werden. Ergebnisse sind nicht vor Frühjahr 2026 zu erwarten.





















