Gesundheit

Wegovy: Hohe Abbruchquote – der alarmierende Umgang mit der Abnehmspritze und die Folgen |ABC-Z

Abnehmspritzen erzielen schnelle Erfolge beim Abnehmen. Doch es gibt einen Haken: Die Behandlung muss langfristig fortgesetzt werden, sonst droht das Gewicht wieder rasant zu steigen. Dänische Forscher liefern nun eine alarmierende Analyse zum Produkt Wegovy.

Von den Nutzern der Abnehmspritze Wegovy bricht dänischen Daten zufolge gut die Hälfte die Behandlung innerhalb eines Jahres wieder ab. „Diese Abbruchquote ist besorgniserregend, da diese Medikamente nicht als vorübergehende Schnelllösung gedacht sind“, sagte der Hauptautor der Studie, Reimar Thomsen von der Universität Aarhus. „Damit sie wirksam sind, müssen sie langfristig eingenommen werden.“

Ein Hauptgrund für die hohe Abbruchquote seien wahrscheinlich die hohen Kosten solcher Medikamente, vermutet das Team zu den bei der Jahrestagung der Europäischen Vereinigung für die Erforschung von Diabetes (EASD) vorgestellten Ergebnissen. Die dänischen Daten bestätigten die Ergebnisse vorangegangener Analysen, sagte Anja Hilbert vom Universitätsklinikum Leipzig, die selbst nicht an der Auswertung beteiligt war.

Das Problem ist: Die positiven Auswirkungen von Abnehmspritzen auf die Appetitkontrolle gehen wieder verloren, wenn die Behandlung abgebrochen wird. Wie Forscher erst kürzlich im Fachjournal „BMC Medicine“ berichteten, folgt einige Wochen nach Therapieende häufig eine deutliche, anhaltende Gewichtszunahme. Menschen müssen solche Medikamente womöglich lebenslang einnehmen, um ihr Gewicht zu halten.

Das Team um Thomsen hatte Daten aus landesweiten Gesundheitsregistern zu Erwachsenen ohne Diabetes untersucht, die zwischen Dezember 2022 und Anfang Oktober 2023 mit der Wegovy-Nutzung begonnen hatten. Von den rund 77.000 einbezogenen Erstnutzern verwendete mehr als die Hälfte (ca. 40.000) das Medikament nach einem Jahr nicht mehr. 18 Prozent davon brachen die Behandlung bereits innerhalb von drei Monaten ab.

Hohe Kosten für Abnehmspritze

Bedeutsamster Faktor war das Alter: 18 bis 29 Jahre alte Nutzer brachen die Behandlung mit einer um 48 Prozent höheren Wahrscheinlichkeit innerhalb des ersten Jahres ab als 45- bis 59-Jährige. Jüngere könnten sich die teuren Medikamente vermutlich weniger leisten, hieß es von Thomsens Team. Ein weiterer Grund könnte Verhaltensmedizinerin Hilbert zufolge sein, dass jüngere Patienten meist eine bislang nicht so schwer ausgeprägte Adipositas haben.

Ein weiterer Hinweis auf die Kosten als zentralen Faktor liefert den dänischen Wissenschaftlern zufolge das Ergebnis, dass in einkommensschwachen Gebieten lebende Nutzer die Behandlung mit einer um 14 Prozent höheren Wahrscheinlichkeit abbrachen als Menschen aus einkommensstarken Gegenden. In Deutschland kostet die Behandlung mit sogenannten GLP-1-Rezeptor-Agonisten wie Semaglutid und Tirzepatid zur reinen Gewichtsreduktion einige Hundert Euro pro Monat. Die gesetzlichen Krankenkassen übernehmen diese Kosten in der Regel nicht.

Die Studie ergab auch, dass Männer die Behandlung mit einer um 12 Prozent höheren Wahrscheinlichkeit abbrachen als Frauen. Das Team um Thomsen nennt als möglichen Grund, dass Männer eher unzufrieden mit dem erzielten Ergebnis seien – GLP-1-Rezeptor-Agonisten wirkten bei ihnen im Allgemeinen schlechter als bei Frauen. Hilbert ergänzte, dass Männer allgemein ein weniger ausgeprägteres Gesundheitsverhalten zeigten.

„Die dänischen Ergebnisse sind sehr wahrscheinlich prinzipiell auf Deutschland übertragbar, mit ähnlichen Abbruchraten und Barrieren, solange Kosten, Erstattung und strukturierte Begleitprogramme nicht verbessert werden“, sagte Frank Tacke von der Charité-Universitätsmedizin Berlin, der selbst ebenfalls nicht an der Analyse beteiligt war.

Hierzulande werde der in Wegovy enthaltene Wirkstoff Semaglutid ebenso wie der ähnliche Wirkstoff Tirzepatid derzeit vor allem zur Behandlung des Typ-2-Diabetes verordnet. „In dieser Gruppe ist die Abbrecherquote in Deutschland erheblich niedriger, vermutlich unter 20 Prozent.“ In dieser Indikation werde das Medikament von den gesetzlichen Krankenkassen erstattet. Wegen der dabei niedrigeren Dosierung träten zudem tendenziell weniger Nebenwirkungen auf.

Weiterführende Studien zu Semaglutid

Einschränkend weisen die dänischen Wissenschaftler zu ihren Daten unter anderem darauf hin, dass mildere Nebenwirkungen wie Magen-Darm-Beschwerden und andere mögliche Gründe für einen Abbruch in den Registern nicht vollständig erfasst werden können und wahrscheinlich unterschätzt wurden. Auch hätten keine Informationen zum jeweils erzielten Gewichtsverlust vorgelegen.

GLP-1-Rezeptor-Agonisten wie Semaglutid und Tirzepatid wurden ursprünglich für Diabetes entwickelt und haben sich als vielversprechend für die Gewichtsabnahme erwiesen, da sie den Appetit reduzieren und die Sättigungssignale vom Darm an das Gehirn verstärken. Semaglutid steckt im Mittel Ozempic, das in Deutschland gegen Diabetes 2 zugelassen ist. Es ist auch in Wegovy enthalten, das eine Zulassung gegen manche Formen von Übergewicht hat. Tirzepatid (Handelsname Mounjaro) hat für beides eine Genehmigung.

Zudem prüfen Forscher viele weitere Anwendungen: Nieren und Leber sollen von solchen Präparaten profitieren können, die Mittel sollen Herzinfarkte und Schlaganfälle verhindern und bei obstruktiver Schlafapnoe helfen. In Studien wird auch untersucht, ob die Präparate auch bei Sucht und Depression helfen und neurodegenerative Erkrankungen wie Parkinson und Alzheimer bremsen könnten.

Noch sind allerdings auch sehr viele Fragen etwa zu möglichen Langzeitfolgen der Stoffklasse offen. Um sie abschätzen zu können, sind die Präparate bisher nicht lange genug im Einsatz.

Annett Stein, dpa/rc

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