NRW Presseschau: “Die AfD wächst dort, wo Abstiegsängste aufkommen” | ABC-Z

Die Kommunalwahl in Nordrhein-Westfalen ist in den Medien das zentrale Kommentarthema. Im Mittelpunkt steht das Erstarken der AfD vor allem in den Ruhrgebietsstädten. Aber auch die Ergebnisse der anderen Parteien und die Bedeutung für die gesamtdeutsche Politik werden analysiert. Ein Überblick:
Der WDR sieht “keine allzu harte Abstrafung für eine eher stotternd
gestartete schwarz-rote Bundesregierung. In Berlin hatte man immense
Angst vor dem ersten und auch letzten Stimmungstest in diesem Jahr.
Jetzt ist man mit einem blauen Auge davongekommen.” Gleichwohl sollte man das Ergebnis nach Einschätzung des Senders als Warnschuss ernst nehmen – die in NRW heillos zerstrittene AfD habe ihre Ergebnisse der Bundestagswahl zwar nicht bestätigt, ihren Stimmenanteil aber trotzdem verdreifacht. Dabei biete sie zu wichtigen kommunalpolitischen Fragen keine Antworten.
Die Süddeutsche Zeitung schreibt, Nordrhein-Westfalen sei weiterhin keine Hochburg der AfD, selbst für westdeutsche Verhältnisse nicht. “Trotzdem reicht der Wahlerfolg sicher aus, um in vielen Gemeinderäten die Mehrheitsbildung zu erschweren”, befürchtet die Zeitung: “In manchen Kommunen wird die Brandmauer getestet werden und die AfD sich der CDU bei einzelnen Sachentscheidungen als Mehrheitsbeschafferin im Rat andienen. Hier ist Standfestigkeit gefragt.”
Der Münchner Merkur schreibt: “Die AfD wächst dort, wo Abstiegsängste aufkommen. Im Ruhrgebiet oder bundesweit an allen Automobil- und Zulieferstandorten schnellen blaue Balken nach oben. Da schlägt die Emotion die Analyse, dass AfD-Ideen einer Renationalisierung die exportorientierte deutsche Industrie brutaler töten würden als jeder Strukturwandel.” Es räche sich, “dass die SPD nicht mehr als Partei der Fleißigen auftritt, also der ‚kleinen Leut‘, die keine Genderdebatten wollen, sondern Sicherheit.” Das Blatt empfiehlt als “Rezept gegen Populisten”, Hauptprobleme zu lösen und Nebendebatten zu lassen.
Die Neue Zürcher Zeitung kommentiert, “dass die bis anhin praktizierte Strategie der AfD-Ächtung und des
moralisch überhöhten ‘Kampfes gegen rechts'” nicht wirke, oder gar, dass
sie der Partei zusätzliche Wähler in die Arme treibe. “Doch diesen
unangenehmen Schluss scheint im Lager der antirechten Demokraten, zu dem
auch viele Journalisten gehören, noch kaum jemand ziehen zu wollen.”
“Der Rechtsruck hat auch Deutschlands Westen erfasst”
Die SZ schreibt zur Lage der Sozialdemokraten: “Ein wichtiger Grund für
die Misere ist, dass bei ihren einstigen Stammwählern – den Arbeitern –
inzwischen die AfD die beliebteste Partei ist.” Die SPD könnte “das
traurige Resultat zum Anlass nehmen, in der Bundesregierung auf ein
schärferes Profil” zu dringen. “Ein schwacher, unsicherer
Koalitionspartner ist ein schwieriger Partner: Das könnte Kanzler
Friedrich Merz noch zu spüren bekommen.”
Auch die Kölnische Rundschau befasst sich mit dem Abschneiden der SPD. Die Partei stehe “besser da als im Bund, sollte die Verluste in ihrem
Ex-Stammland aber ernst nehmen. Dass ein Desaster ausgeblieben sei
(Bärbel Bas), ist ein schwacher Trost.” Als “großen Verlierer” stuft das Blatt die Grünen ein, “ungeachtet des Erfolgs von Berivan Aymaz in Köln, die gegen Torsten Burmester (SPD) in die Stichwahl zieht”.
Das Mindener Tageblatt schaut ebenfalls auf die Grünen. “Für die Grünen ist der Absturz ein Signal, das sie nicht überhören dürfen.” Ihr Anspruch, die Partei der jungen Generation und der urbanen Zentren zu sein, reicht nicht mehr, um in Zeiten wirtschaftlicher Unsicherheit und anhaltender Energiekrisen Rückhalt zu sichern. “Im Alltag vieler Menschen zählen nicht nur ökologische Überzeugungen, sondern die Frage, wie bezahlbarer Wohnraum, sichere Arbeitsplätze und eine verlässliche Infrastruktur gewährleistet werden. Hier haben die Grünen Lücken offengelegt“, heißt es in der Zeitung.
Bei dieser Kommunalwahl sei Nordrhein-Westfalen so richtig politisch durchgeschüttelt worden, befindet die Volksstimme aus Magdeburg: “Die Gewissheiten von schwarzen oder roten Claims, die im deutschen Westen einmal uneinnehmbar erschienen, beginnen endgültig zu schwinden… Der Rechtsruck hat auch Deutschlands Westen erfasst. Denn die AfD ist beileibe kein Ost-Phänomen mehr.” In Ruhrgebietsstädten, die seit Jahrzehnten der Niedergang plagt, seien Menschen für populistische Parolen besonders empfänglich, kommentiert die Zeitung.
(mit Material der Nachrichtenagentur dpa)