Drogen-Werbung per Flyer in Friedrichshain und Berlins krasse Unfälle | ABC-Z

Manchmal habe ich das Gefühl, dass die Nachrichten aus Berlin und meine Wirklichkeit eine Art Eigenleben entwickeln. Dass plötzlich Ereignisse, die scheinbar nichts miteinander zu tun haben, zusammengenommen einen größeren Sinn ergeben. So ging es mir, als ich in den sozialen Netzwerken einen Flyer betrachtete, den mein Dirk Krampitz dort postete. Er hatte ihn am Abend zuvor in Friedrichshain in die Hand gedrückt bekommen. Erst habe er an die allgegenwärtig Werbung von „Uber Eats” gedacht, die momentan an vielen U-Bahnhöfen verteilt wird, schrieb er. Bei genauerer Betrachtung war das Angebot jedoch um einiges dreister.
Die Zettel hatte eine junge, elegant gekleidete Frau verteilt, erzählte er mir, die in einem schwarzen Mantel auf der Warschauer Brücke gestanden hatte und die Zettel den Vorbeilaufenden zwischen S- und U-Bahnhof hinhielt. Nebenan war gerade ein Konzert in der Uber Arena zu Ende gegangen. Auf der Oberbaum- und der Warschauer Brücke traten wie immer Straßenmusiker auf, es wurde gefeiert und getanzt. Die Brücken ziehen an solchen Abenden sehr viele und unterschiedliche Menschen an, weit mehr als das Publikum der Clubs in Friedrichshain.
Das Drogen-Bestellisten per Flyer verteilt werden, war mir neu
„Drug Company”, so nannte sich der Anbieter auf dem Zettel. Zu einer großen Telefonnummer war das Bild einer kiffenden Giraffe samt Palmen und allerlei buntem Zeugs abgedruckt, vielleicht die Fantasie eines Drogentrips. Angebote und Preise standen auf der Rückseite: „Weed“ ab 50 Euro pro 5 Gramm, Ketamin ab 40 Euro das Gramm, auch MDMA, Ecstasy, Speed, Kokain waren im Angebot. Geordert werden konnte per Whatsapp oder QR-Code. Mindestbestellwert: 40 Euro.
Solche Drogen-Bestelllisten, deren Lieferungen mutmaßlich per „Drogentaxi“ kommen, gibt es schon länger. Etwa bei Whatsapp und anderen sozialen Netzwerken. Dass sie Passanten auf der Straße einfach so in die Hand gedrückt werden, war mir und auch meinem Kollegen neu. Und ja, man kann das abtun unter „typisch Berlin”. Oder mit dem wohlfeilen Argument, irgendwo würden sich Menschen ihre Rauschmittel ohnehin kaufen. Wieso also nicht per „Kokstaxi“? Verboten sind solche Angebote natürlich trotzdem. Vor allem aber sind sie scheinbar den meisten egal.
Drogentaxi-Flyer, der in Friedrichshain verteilt wird, Bild vom September 2025.
© Berlin | Dirk Krrampitz
Aber, wie gesagt, manchmal überlagern sich Nachrichten, zumindest in meinem Kopf. Es ist knapp zwei Wochen her, dass wir über einen schlimmen Unfall berichtet haben: Auf der Seestraße im Wedding war ein junger Mann mit einem hoch motorisierten BMW in eine Kindergruppe gefahren. Nur durch viel Glück kam niemand zu Tode. Ich war zunächst erleichtert, als die Polizei sagte, es sei kein terroristischer Hintergrund erkennbar. Dann hieß es, im Wagen des Mannes sei eine größere Menge Marihuana gefunden worden. Einige Tage später kam dann die Bestätigung: Auch im Blut des Fahrers waren Drogen gefunden worden, außerdem Medikamente. Das war dann nur noch eine kleine Meldung – Berlin eben.
Kann man eigentlich noch von „Unfall“ sprechen, wenn sich jemand zugedröhnt ans Steuer setzt?
Oder der Lastwagenfahrer, der Anfang September seinen Truck im Tiergartentunnel in einer zu niedrigen Einfahrt verkeilt hatte. Die Folge: Sperrung des Tunnels, Riesenchaos, Riesenaufregung. Auch hier hieß es wenig später: Glück gehabt, es gab weder Tote noch Schwerverletzte. Und dann: Der Fahrer war nicht nüchtern, sondern hatte 2,4 Promille Alkohol im Blut. Oder die Nachricht vom 10. September: Alkoholisierter Fahrer verursacht Frontalzusammenstoß auf Stadtautobahn. Und so weiter.
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Ich frage mich: Kann man eigentlich noch von „Unfall“ sprechen, wenn sich jemand zugedröhnt ans Steuer setzt und andere Menschen in Lebensgefahr bringt? Denn nichts anderes ist es ja, oder?
Für betrunkene, bekiffte, offiziell: „berauschte“ Autofahrer hat die Berliner Polizei eine Liste zusammengestellt, die ganz ähnlich aussieht wie die der Drogenlieferanten. Auch hier sind Drogenarten, Mengen und Preise aufgelistet. Allerdings unter der nüchternen Überschrift „Alkohol und Drogen am Steuer”. Ich befürchte, die Geldbußen und Punkte in Flensburg sind denen, die es betrifft, genauso egal wie vielen Berlinern die bunten Flyer aus Friedrichshain.
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