Leichtathletik-WM: Wenige deutsche Lichtblicke in der dicken Luft von Tokio – Sport | ABC-Z

Die Kunst des Geradeausschauens beherrscht die deutsche Sprinterin Gina Lückenkemper ganz gut. Sie konnte deshalb bei ihrem 100-Meter-Vorlauf am ersten Tag der Leichtathletik-WM in Tokio problemlos übersehen, wer in den Bahnen neben ihr startete. Zu ihrer Rechten nämlich die Titelverteidigerin Sha’Carri Richardson aus den USA, zu ihrer Linken die viermalige Weltmeisterin Shericka Jackson, zwei Konkurrentinnen also, die der 2022-Europameisterin Lückenkemper normalerweise überlegen sind.
„Das hat mich nicht gehemmt“, berichtete Gina Lückenkemper zufrieden, nachdem sie die Prüfung erfolgreich bestanden hatte. Richardson (11,03 Sekunden) und Jackson (11,04) waren zwar tatsächlich überlegen. Auf den dritten Platz zur direkten Halbfinalqualifikation schob sich außerdem in 11,08 die Australierin Torrie Lewis. Aber als Vierte in 11,12 Sekunden schaffte letztlich auch Gina Lückenkemper als 13. dieser ersten Runde den Aufstieg. „Ganz solide“ fand sie ihre Leistung und gab sogleich das Kommando für das Halbfinale am Sonntag: „Attacke!“
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Ein Zeichen der Zuversicht ging aus von dem Auftritt der selbstbewussten Lückenkemper – eines, das die Mannschaft des Deutschen Leichtathletik-Verbandes (DLV) gut gebrauchen konnte. Denn der Auftakt in Tokio zeigte schon eher, dass schwere Tage zukommen dürften auf die DLV-Delegation in und um Japans elegantes Nationalstadion im Stadtteil Kasumigaoka.
Erste Tage sind immer wichtig bei großen Meisterschaften, weil sie den Ton setzen können für das, was folgt. Und für die Deutschen setzte es gleich am frühen Morgen den ersten Dämpfer. Geher Christopher Linke, 36, aus Potsdam war mit großer Zuversicht ins Rennen über 35 Kilometer gegangen. „Ich bin aktuell in der besten Saison meines Lebens“, hatte er vor dem Start gesagt. Man merkte ihm an, dass der zweimalige Olympia-Fünfte bei seinen achten Weltmeisterschaften endlich die erste Medaille gewinnen wollte. Und er ging auch los wie vom unbedingten Siegeswillen getrieben, entschlossen, schnell. Bis Kilometer 15 hielt Linke einen Spitzenplatz.
Dann verließen ihn die Kräfte. Einer nach dem anderen überholte ihn. Am Ende schleppte sich Linke nach 2:36:10 Stunden auf Platz 14 ins Ziel, knapp acht Minuten hinter dem ersten Weltmeister von Tokyo 2025, dem Kanadier Evan Dunfee (2:28:22). „Zu viel riskiert“, sagte Christopher Linke enttäuscht. Seine Erfahrung auf den letzten Kilometern beschrieb er als „Horror“.

Es ist nicht Neues, dass Japan gerade für Ausdauersportler eine besondere Herausforderung sein kann. Das schwüle Wetter hier hat schon viele überfordert. Der Weltverband World Atletics wollte der drückenden Sommerhitze in Tokio ausweichen, indem er die WM in den September verschob. Aber in diesem September ist es immer noch heiß. Und die Langstreckenwettbewerbe von 8 Uhr morgens auf 7:30 vorzuverlegen, brachte auch nicht viel. Es hatte geregnet am Abend vor dem WM-Auftakt. Die Luft am Samstag war dampfig und schwer. Nicht nur Christopher Linke hatte damit Probleme.
„Man hat schon gemerkt, dass das hier was anderes ist als in Europa“, sagte Läufer Frederik Ruppert von der LAV Stadtwerke Tübingen nach seinem Vorlauf über 3000 Meter Hindernis. Ruppert ist mit der Empfehlung eines Diamond-League-Finalsieges in Zürich nach Tokio gekommen. Außerdem belegt er mit 8:01,49 Minuten Platz zwei in der Jahresweltbestenliste. Er ist ein Medaillengeheimtipp, und er schaffte dann auch nach einer kontrollierten Leistung in 8:27,83 den Sprung ins Finale am Montag. Aber im Schlusssprint wäre er fast noch von seinem Rang unter den ersten Fünf verdrängt worden, den er für die Finalteilnahme brauchte. Er hatte zu früh das Tempo gedrosselt – wohl, um sich bei der hohen Luftfeuchtigkeit zu schonen.
Auch Weitsprung-Olympiasiegerin Malaika Mihambo tut sich schwer
Sein Hinderniskollege Karl Bebendorf kam mit den Bedingungen nicht zurecht und verpasste die angestrebte Endlaufteilnahme. Dafür kam Niklas Buchholz als Fünfter des dritten Hindernisvorlaufs überraschend weiter – Sportler anderer Nationen haben eben auch mit der Schwüle zu kämpfen. Umso höher war die Vorstellung von Nele Weßel aus Wiesbaden über 1500 Meter einzuschätzen: In persönlicher Bestleistung von 4:03,57 Minuten empfahl sich die Mittelstrecklerin für das Finale und sagte: „Das ist wie eine Medaille für mich.“
Es war also nicht alles schlecht bei diesem WM-Auftakt für den DLV. Aber begeisternd waren die ersten Eindrücke auch nicht. Von drei DLV-Werferinnen überstand nur Shanice Craft mit 63,51 Metern die Diskus-Qualifikation. Die 4×400-Meter-Mixed-Staffel war chancenlos im Kampf um die Finalteilnahme. Weitsprung-Olympiasiegerin Malaika Mihambo erreichte als Neunte mit 6,63 Metern den Endkampf.
Die Stimmung war gut unter den Zuschauern im weiten Runde des Nationalstadions, auch wenn noch viele Plätze auf den Tribünen frei blieben. Die Olympiasiegerin und neue 10 000-Meter-Weltmeisterin Beatrice Chebet aus Kenia (30:37,61 Minuten) und der Kugelstoßgewinner Ryan Crouser aus den USA (22,34 Meter) bekamen ihren verdienten Applaus von den Rängen. Aber die Deutschen spürten schon am ersten Tag die harte Wirklichkeit dieser WM in Japan.