Das perfekte Familienhotel? Urlaub im Hotel Ammos auf Kreta | ABC-Z

„Wir entführen Sie an atemberaubende Strände ins Land der Götter und Mythen. Buchen Sie heute noch Ihren Last-Minute-all-inclusive-Urlaub auf Kreta!“ Jene verstaubten Reisebüro-Slogans katapultieren sich in meinen Kopf, sobald von Kreta die Rede ist. Ich bin nicht allein: Die größte Insel Griechenlands wird oft mit Massentourismus und einer in den Neunzigerjahren stehen gebliebenen Trashigkeit verbunden. Als wesentlich mondäner gelten die kleineren Inseln, etwa Antiparos, wo Tom Hanks in seiner Strandvilla residiert, oder Hydra, wo Leonard Cohen einst lebte und heute Jeff Koons Kunst ausstellt.
Auch ich habe dort unzählige Sommer verbracht, zwischen Maultieren, pittoresken Gassen und unendlichen Steintreppen. Alles ist in seiner Einfachheit wahnsinnig stilvoll und Bohème. Aber eines ist Hydra nicht: kleinkindtauglich. Nach zwei Wochen Schweiß, Schlepperei und Treppenstufen war klar, dass wir beim nächsten Urlaub etwas Bequemeres brauchten. Am besten ein Hotel, das kinderfreundlich, aber eben kein großes Clubhotel ist. Mit richtig gutem, hausgemachtem Essen. Vielleicht sogar mit Pool oder Strandzugang? Und am besten noch schön gestaltet. Und bitte bezahlbar. Einen solchen Ort kann es unmöglich geben. Oder doch?
Ausgerechnet auf Kreta
Ausgerechnet auf der vermeintlichen TUI-Insel Kreta haben wir genau diesen Ort gefunden: in einem kleinen Strandhotel namens Ammos, das Freunde uns empfohlen hatten. Auf dem Weg vom Flughafen Chania ins Hotel fuhren wir an abgerockten Häusern, verblassten Schildern und verschlafenen Tourishops vorbei. Umso größer die Überraschung, als wir beim Ammos ankamen. Moderne Ästhetik, joghurtweiße Steinfassaden mit türkisblauen Türen und überall wachsen saftig grüne Kakteen. „Ey, hast du die Lobby gesehen? Geh mal rein, die musst du dir angucken!“, war das Erste, was mein Partner mir zugerufen hat, als er vom Einchecken kam.
Wenn man den Eingangsbereich betritt, denkt man tatsächlich zuerst, man sei in einer Galerie gelandet. Überall stehen Kunstwerke, Designobjekte und ein Sammelsurium an ikonischen, skurrilen Stühlen. Simone Fattal, Faye Toogood, Michael Anastassiades und Jasper Morrison sind nur einige der Schöpferinnen und Schöpfer. Ästhetisch zieht einen das intime Strandhotel direkt in den Bann. Dann kam ein besonnener, älterer Herr namens Edi zu uns, und seine erste Amtshandlung war es, unserer Tochter die Goldfische zu zeigen, die sie sogar füttern durfte.
Freundlichkeit gegenüber Kindern kenne ich aus anderen Hotels, aber selten habe ich so eine familiäre, liebevolle Art erlebt. Das Auge dafür zu haben, die Stimmung eines Kindes herauszulesen und dann das richtige Bespaßungsangebot hervorzuzaubern, ist eine große Kunst. („Komm, wir gehen Blumen für Mama pflücken!“, „Komm, ich zeig dir diesen einen Zauberstuhl, da kannst du mit den Röllchen an der Lehne spielen!“) Nicht nur das: Im Souterrain des Nebenhauses verbirgt sich ein großes Spielzimmer für Kinder jeden Alters, samt kostenloser Kinderbetreuung.

Die Erzieherin Lina arbeitet seit über einem Jahrzehnt im Ammos und begleitet die kleinen Gäste teils jeden Sommer beim Aufwachsen. Meine Tochter hat zum Schluss eingefordert, zu Lina zum Spielen hinunterzugehen, sodass wir Eltern am Pool dösen konnten. Der Pool ist übrigens beheizt und hat ein integriertes Planschbecken für Kleinkinder. Auch die 33 Zimmer sind stilvoll und zugleich familienfreundlich eingerichtet, mit Küchenzeile, einem sehr großen Waschbecken (ein Baby kann darin baden) und ziemlich unkaputtbaren Möbeln. Entweder mit Blick auf das Meer, auf den Pool oder auf den Garten.
Und das Essen? Wir hatten kaum Anlass, das Hotel zu verlassen, weil es immer etwas auf der Karte gab, auf das wir Lust hatten. Mittags der vielleicht beste griechische Salat des Landes mit Feta vom Nachbardorf, abends Zucchiniblüten-Zitronen-Pappardelle und zwischendurch am Pool knusprige Calamariringe. Das Highlight war für uns das Frühstück: eine Auswahl an Sauerteigbroten, Croissants, Baklava und anderen Schweinereien aus der eigenen Bäckerei Red Jane in Chania. Mit ihrem industriellen, hippen Stil erinnert sie eher an einen Nachtklub (mit sehr langer Schlange).

Wenn man ein paar Stunden im Hotel verbringt, trifft man schnell auf den Mann hinter dem Konzept. Nikos Tsepetis, ein hochgewachsener Fünfundfünfzigjähriger mit Glatze, bunten oversized T-Shirts und Tennisschuhen, dem meistens ein kleiner schwarzer Hund namens Jonny auf den Fersen ist. Als Hotelgast kommt man früher oder später mit ihm ins Gespräch, er hat immer eine Wanderroute oder eine lokal ansässige Künstlerin parat, die man unbedingt besuchen sollte. Bereits Anfang der Siebzigerjahre haben seine Eltern das Grundstück gekauft, aber erst 1996 konnte daraus, dank eines Kredits, den Tsepetis aufgenommen hatte, ein Hotel werden.
Er begann, Stühle, Kunstwerke, Designobjekte zu sammeln und Kaktusgärten anzulegen. Seinen Köchen legte er alte Rezepte vor, Einfachheit und Präzision beim Essen waren sein Ziel. Das Hotel war eigentlich für Paare konzipiert, funktionierte aber von Anfang an gut für Kinder. „Das könnte am Sandstrand liegen, der die ersten 30 Meter flach ist, am Essen – Kinder lieben einfaches Essen – oder an der Ungezwungenheit. Überraschenderweise fühlen sich auch kleine Kinder instinktiv von gutem Design angezogen“, sagt Nikos Tsepetis, der nicht mit Reiseportalen wie Booking.com zusammenarbeitet, sondern jede Buchungsanfrage per E-Mail persönlich beantwortet. „Es ist immer hilfreich, seine Gäste ein wenig zu selektieren, jemand, der keine Kinder um sich haben möchte, wird bei uns nicht glücklich“, so der Hotelbesitzer. Seine Hingabe zahlt sich offenbar aus. Die Stammgäste kommen seit Jahren jeden Sommer wieder. Darunter internationale Prominenz: Am Frühstückstisch begegnete ich der britischen Designerin Fay Toogood und ihrer Familie. Wenige Tage zuvor hatte die Food-Künstlerin Laila Gohar noch entspannt am Pool gelegen, und an Wochenenden schaut sogar der griechische Ministerpräsident Kyriakos Mitsotakis mit seiner Frau zum Mittagessen vorbei. Was sie alle hierher zieht, ist wohl genau das: ein Ort, an dem alle gleich sind.