Prozess: Anklage wegen erpresserischen Menschenraubs – Bad Tölz-Wolfratshausen | ABC-Z

Eigentlich habe er damals, im Oktober vor drei Jahren, gar nicht mit seinem Freund nach Bad Tölz fahren wollen, sagt Phil M. (alle Namen geändert) an diesem Freitag vor der 1. Jugendkammer am Landgericht München II. Er könne die „Stadt nicht ausstehen“ und fühle sich dort regelrecht „erdrückt“. Doch Phil M., der in Landsberg am Lech wohnte, hatte sich schließlich doch von seinem Freund Marc S. überreden lassen und kam mit.
Heute, so M., wisse er, dass das keine gute Entscheidung war. Denn nachdem er und sein Freund in Tölz angekommen waren, sollen die beiden mit drei Freunden von Marc S. Oliver K. erpresst und zeitweise in ihre Gewalt gebracht haben. Angeblich hatte dieser bei zwei Freunden von Marc S. Schulden von etwas mehr als tausend Euro. Da Phil M. bei der Tat mitgemacht habe, hat die Staatsanwaltschaft unter anderem Anklage wegen erpresserischen Menschenraubs gegen den 25-Jährigen erhoben.
Neben Phil M. auf der Anklagebank sitzt Amir O. Der 21-Jährige ist ebenfalls wegen erpresserischen Menschenraubs angeklagt. Er soll das Opfer geschlagen und getreten haben. Phil M. indes erklärte, er kenne Amir O. nicht und habe ihn bei der mutmaßlichen Tat auch nicht gesehen.
Marc S. sowie zwei seiner Freunde sind bereits wegen erpresserischen Menschenraubs zu Haftstrafen zwischen einem Jahr und zwei Monaten sowie einem Jahr und elf Monaten verurteilt worden. Dass die Urteile vergleichsweise milde ausfielen, hängt dem Vernehmen nach damit zusammen, dass sie in ihrem Prozess Phil M. und Amir O. als mutmaßliche Mittäter nannten.
Phil M.s Verteidiger, Rechtsanwalt Jörg Steinheimer, erklärt zum Auftakt der Verhandlung am Freitag, dass der 25-Jährige bei der mutmaßlichen Tat zwar dabei gewesen sei. Allerdings habe er nur eine untergeordnete Rolle gespielt. Auch Amir O. will mit den Vorwürfen aus der Anklage nichts zu tun haben. Seine Verteidigerin, Rechtsanwältin Birgit Schwerdt, gibt für den 21-Jährigen eine Erklärung ab. Darin macht sie deutlich, dass O. „jede Form der Tatbeteiligung“ bestreite. Der 21-Jährige habe sich nurmehr in der Nähe des Spielplatzes in Tölz befunden, auf dem Marc S. und die anderen Verurteilten sowie Phil M. ihr Opfer, Oliver K., bedrohten. Als ihr Mandant gesehen habe, dass einer der jungen Männer eine Pistole zog und damit schoss – den Ermittlungen zufolge handelte es sich um eine Schreckschusspistole – sei er geflohen. Warum er von den bereits verurteilten Täter nun beschuldigt werde, dafür habe er keine Erklärung, sagt Amir O.
Die Staatsanwaltschaft geht jedoch davon aus, dass Amir O. keineswegs nur Beobachter des Geschehens war und Phil M. eine nurmehr untergeordnete Rolle bei der Tat am Abend des 20. Oktober 2022 spielte. Gemeinsam mit den inzwischen verurteilten jungen Männern sollen sie den Plan gefasst haben, Oliver K., wenn nötig unter Androhung von Gewalt, dazu zu bringen, seine Schulden aus einem Drogengeschäft und einem Darlehen für den Kauf eines Handys zu begleichen.
Dem Opfer wurde auch angedroht, ihm einen Finger abzuschneiden
Oliver K. hatte sich den Ermittlungen zufolge gegen 20 Uhr an jenem 20. Oktober mit Phil M., Amir O. und den anderen jungen Männern auf einem Spielplatz in Tölz verabredet, weil er Drogen von ihnen kaufen wollte. Da Oliver K. mit einem Freund auftauchte und beide sich zudem mit Schreckschusswaffen bewaffnet hatten, eskalierte die Situation. Einem Freund von Marc S. gelang es, Oliver K. und seinem Begleiter ihre Pistolen abzunehmen. Danach forderten die jungen Männer ihre beiden Opfer auf, mit ihnen zu einem See nahe Bad Tölz zu fahren. Auf der Fahrt dorthin soll einer der inzwischen Verurteilten Oliver K. gedroht haben, einen Finger abzuschneiden, sollte er seine Schulden nicht begleichen. Doch Oliver K. hatte das Geld nicht. Er bekam einen Aufschub eingeräumt und sollte den Betrag am nächsten Tag am Bahnhof in Tölz übergeben. Dazu kam es nicht mehr. Er verständigte die Polizei. Ein Urteil in dem Prozess wird für Mitte Oktober erwartet.