Bonsai-Kunst in Karpfsee: Gerhard Kucks Miniatur-Garten – Bad Tölz-Wolfratshausen | ABC-Z

Versteckt am Ende einer schmalen Stichstraße steht ein Haus inmitten eines verwunschenen Gartens. Wer über verwitterte Stufen dieses grüne Reich betritt, findet sich an einem besonderen Ort mit nicht alltäglichen Gewächsen wieder. Ein kleines Stück Asien mitten in Oberbayern lädt zum Erkunden ein. Es ist der Garten von Gerhard und Margarete Kuck in Karpfsee, einem Ortsteil der Gemeinde Bad Heilbrunn.
Vor 19 Jahren wurde der heute 73-Jährige von einem Virus gepackt, der ihn bis heute nicht loslässt: Gerhard Kuck hat sich der Aufzucht und Kultivierung von Bonsai-Bäumen verschrieben. Rund um sein Haus sind lebende Miniatur-Schätze zu bestaunen – und käuflich zu erwerben.
Die Liebe zur Natur und zum Gärtnern verspürte Gerhard Kuck schon früh. Dreieinhalb Jahre lang arbeitete er in der ehemaligen Gärtnerei Holzmann in Bad Heilbrunn. Lange Zeit sammelte er Kakteen. Bis ihn eine neue Liebe kalt erwischte und er sich das erste Mal in einen Bonsai verguckte. Bonsai ist japanisch für „Baum in der Schale“. Seine Ehefrau ermunterte Gerhard Kuck, den Miniatur-Baum zu kaufen. „Das muss so 2006 gewesen sein. Von da an ging es los“, erzählt er.
Was Kuck an Bonsais faszinierte, war ihre Kompaktheit. „Klein und handlich, das hat mir gefallen“, sagt er. Anfangs sei er erschrocken über die Preise. Je nach Alter, Baumart und Form kann ein Bonsai mehrere Tausend Euro kosten. Kuck entschied sich, „ein Geschäft daraus zu machen“. Platz auf seinem Grundstück hatte er.
Die Grundlagen brachte er sich bei, besuchte Workshops unter anderem in der Münchner Bonsai-Zentrale und bildete sich fort. Auf Vermittlung eines Bekannten bezog Kuck seine ersten Bonsais direkt aus Japan. Mittlerweile kauft er sein „Rohmaterial“ in Thüringen und Spanien.
Denn nicht alle seine Bonsais zieht der 73-Jährige selbst. Wenn er ein schönes Exemplar sehe, so Kuck, das bereits veredelt wurde, reize ihn, dieses weiter zu pflegen und zur „Vollendung“ zu bringen. Ganz nach dem Motto: Der Weg ist das Ziel. „Mei“, sagt Kuck, es könne schon mal sein, dass dann nach einer Bestellung 20 Bäumchen mehr im Garten stehen. Momentan hegt er 600 Bonsais.


Die Kunst, Miniatur-Bäume in Töpfen zu kultivieren, stammt ursprünglich aus China. Etwa 700 nach Christus begannen die Chinesen, Techniken zu entwickeln, Gehölze in Zwergform anzupflanzen. Diese Kunst nannte sich „Pun-tsai“ und wurde von der Oberschicht ausgeübt. Komplette Landschaften im Kleinen entstanden. Je bizarrer die Bäumchen geformt waren, desto wertvoller waren sie. Poeten beschrieben sie in ihren Gedichten, Maler hielten sie auf Bildern fest.
Vor mehr als 1000 Jahren sollen die ersten Mini-Landschaften nach Japan gekommen sein. Der Beginn von „Bon-sai“. Zen-Mönche entwickelten eigene Richtlinien zur Gestaltung, sodass ein einzelner Baum für sie das Universum darstellte. Der Bonsai symbolisiert Einfachheit, Harmonie und Natürlichkeit. Die Gestaltung und Pflege, die Hingabe und Achtsamkeit fordert, war für Zen-Buddhisten eine Form der Kontemplation und Meditation. Sie sollte nicht zuletzt den Respekt vor der Natur zum Ausdruck bringen.


Im 19. und 20. Jahrhundert kamen Bonsais in den Westen. 1867 wurden die kunstvollen Zwerg-Bäumchen auf der Weltausstellung in Paris einer breiten Öffentlichkeit vorgestellt.
Die spirituelle Bedeutung von Bonsais ist vielschichtig. Sie sind Glücksbringer. Weil sie sehr alt werden können, sind sie Symbol für Langlebigkeit und Widerstandskraft.

Der fernöstlichen Philosophie hat sich Kuck nicht verschrieben. Ihn fasziniert die durch Menschenhand geschaffene Wuchsbegrenzung und das ästhetische Gestalten. Durch das regelmäßige Beschneiden bleiben die Blätter kleiner als bei den großen Vertretern. Nur Blüten und Früchte könne man nicht „kleinzüchten“. Die Wurzeln werden ebenfalls regelmäßig eingekürzt.
Während in Japan Bonsai-Landschaften nie mit vier Bäumen gestaltet werden, hält sich Kuck nicht an diese Regel. Die Vier oder „shi“ gilt als Unglückszahl, weil sie genauso ausgesprochen wird wie das Wort „shi“, was Tod bedeutet. Nur die japanische Schreibweise ist unterschiedlich. „Wir leben nicht in Japan“, sagt Kuck. Erlaubt sei, was gefällt. Alles, was verholzt, könne ein Bonsai werden, sagt der 73-Jährige, wie Rosmarin oder Thymian.

Auch Pflegemaßnahmen führt Kuck zu anderen Zeitpunkten aus. In Japan würden Azaleen nach der Blüte umgetopft. „Das passt dort, weil dann die Regenzeit beginnt. Ich setzte Azaleen vor der Blüte in neue Schalen, weil es danach bei uns zu heiß wird. Das würde ihnen nicht guttun.“

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Gießen dauert in der Regel eineinhalb Stunden pro Tag. Liegt die Temperatur im Sommer bei mehr als 30 Grad, muss Kuck ein zweites Mal ran. In diesem Jahr hat er bereits 200 Bäumchen umgetopft. Nicht in gängige Blumenerde. Der Spezialist mischt sein eigenes Granulat unter anderem aus Lava und Bims. Um die Äste in die für Bonsais charakteristische Form zu biegen, verwendet der Gärtner Aluminiumdrähte in unterschiedlicher Stärke.
Die für Bonsais typischen Pflanzschalen stellt Kuck selbst her – seine Arbeit im Winter. Als er niemanden fand, der sie brennen wollte, schaffte Kuck sich einen eigenen Brennofen an. „Der Bausparer war fällig“, erzählt er. Inzwischen ist der Ofen 14 Jahre alt. „Er tut es immer noch.“ Und Kuck: Mit seinen 73 Jahren ist noch lange nicht Schluss. „So lange es Spaß macht.“