Sport

Olympia in Deutschland? Otto Fricke, der neue DOSB-Vorstand im Porträt – Sport | ABC-Z

Es erfüllt fürwahr den Tatbestand der üblen Nachrede, wenn man Otto Fricke, dem neuen Vorstandsvorsitzenden des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB), eine sportfremde Vita attestiert. Ja, er habe nie Spitzensport betrieben, bekennt Fricke, hält dann seine bunte Breitensportkarriere dagegen, von Baseball bis Ski alpin. Auch kann Fricke glaubhaft versichern, dass er Menschen mit seinem speziellen Fachwissen den Nerv raubt. Kostprobe: Er kenne den exakten Tag, an dem bei den Sommerspielen in München das olympische Feuer erlosch, den 11. September 1972! Höchste Zeit, dass Deutschland die Sommerspiele mal wieder zugesprochen bekommt. Am liebsten in den nächsten drei Jahren, für die Fricke beim DOSB fest unterzeichnet hat.

Die Frage drängte sich ja auf, als der DOSB den 59-Jährigen im vergangenen Juni vorstellte als seinen neuen höchsten Hauptamtlichen: Kann jemand, der zumindest keine einschlägigen Arbeitsnachweise als Sportfunktionär oder aus verwandten Branchen mit sich führt, diesen Dachverband leiten, der in den vergangenen Jahren oft mehr mit sich selbst beschäftigt war als mit seinem eigentlichen Auftrag? Gewiss, Fricke, gelernter Jurist, saß bis 2025 für die FDP im Bundestag, als haushaltspolitischer Experte hat er auch mit Sportvertretern verhandelt. Andererseits wurde am Donnerstag, als sich Fricke in einer Medienrunde in Frankfurt vorstellte, deutlich: Einen Dachverband aus einer Spezialwirtschaft zu führen, mit 102 Mitgliedsorganisationen und 28 Millionen Mitgliedschaften, ist noch mal eine andere Preisklasse. Und just in der Debatte um die deutsche Olympiabewerbung gab es prompt neue Irritationen.

Dabei hatten Vertreter aus dem organisierten Sport zuletzt durchaus erbauliche Signale vernommen; Fricke arbeite sich schnell und mit aufrichtiger Freude ein, ließ sich vernehmen. Die Aufzeichnung der DOSB-Mitgliederversammlung 2024 habe er etwa bis zur letzten Sekunde verfolgt, versicherte Fricke am Donnerstag – durch manche Dinge müsse man sich eben durchquälen, scherzte er. Mit solchen Anekdoten schafft er schnell Vertrauen. Man nimmt es ihm auch ab, wenn er sagt, dass er sich als „Dienstleister“ für die vielen Mitglieder und ihre Interessen im DOSB verstehe, vom Breiten- bis zum olympischen und paralympischen Sport. Das tönt schon anders als unter dem einstigen DOSB-Präsidenten Alfons Hörmann, der Vorwürfen widersprach, während seiner Amtszeit habe ein „Klima der Angst“ geherrscht. So kann der frische Blick von außen auch helfen.

Auch reklamierte Fricke am Donnerstag einen Punktsieg auf ihm vertrauten Geläuf: Nach den finalen Verhandlungen des Bundes stehen dem Sport nun zur Sanierung seiner maroden Sportstätten eine Milliarde Euro zu – pro Legislaturperiode und nicht pro Jahr, wie sich der DOSB es gewünscht hatte. Aber ohne Fricke, so klang es durch, wäre es vielleicht noch weniger geworden. Bei anderen drängenden Themen äußerte er sich indes erst auf Nachfrage: Bei der Spitzensportreform, bei der sich Bund und Sport seit Langem vergeblich um eine bessere Sportförderung bemühen, wolle er erst einmal die Vorschläge der neuen Staatsministerin Christiane Schenderlein abwarten. Beim Kampf gegen sexualisierte Gewalt trug Fricke wiederum einen interessanten Ansatz vor. Er verstehe die Bemühungen, eine Agentur zu schaffen, die Übergriffe künftig unabhängig von Sportverbänden sanktionieren kann – das sogenannte Zentrum für Safe Sport. Die jüngsten Berichte aus der Leichtathletik hätten aber gezeigt, dass man vor allem verhindern müsse, dass Trainer in einem Bundesland auffällig werden und dann in einem anderen Bundesland weiter wirken – und ihre Vorgeschichte verborgen bleibt, aus Datenschutzgründen. Da könne er sich eine Art zentrales Register vorstellen, das auch nicht strafbare Vorfälle erfasst.

Just bei einem der drängendsten Themen, der deutschen Olympiabewerbung, bewies Fricke dann, wie leicht man sich in dem Durcheinander verheddern kann, das sein neuer Arbeitgeber zuletzt verursacht hatte. Am Mittwoch hatte Fricke im Ausschuss für Sport und Ehrenamt des Bundestages einem SZ-Bericht widersprochen, wonach sich das Prozedere für die Kür des deutschen Olympiakandidaten wieder geändert hat. Dabei hatte der DOSB in einem „Drei-Stufen-Modell“ im April 2025 klar davon gesprochen, dass eine außerordentliche Mitgliederversammlung im Herbst 2026 über einen (!), offenkundig vorausgewählten Kandidaten abstimmen werde. Dieses Modell hat sich zuletzt wieder dahingehend geändert, dass auch mehrere der derzeit vier Kandidaten im Herbst 2026 in eine Kampfabstimmung ziehen könnten – was den internen Wettstreit deutlich verlängern könnte.

Fricke räumte am Donnerstag nun zwar ein, dass er verstehe, wenn man diese jüngsten „Präzisierungen“ als Änderung auffasse. Diese Änderung halte sich aber an einen Beschluss, den die DOSB-Mitgliederversammlung schon im Dezember 2024 gefasst hatte. Dort hatte der DOSB tatsächlich die Möglichkeit erörtert, die Mitglieder am Ende über mehrere Konzepte abstimmen zu lassen. Er hatte das Prozedere im April 2025 aber eben anders zugeschnitten – wir haben vier Bewerber, davon wird vor der finalen Abstimmung ein Konzept vorausgewählt –, ehe er nun gewissermaßen das alte Modell wieder ermöglichte. Als würde ein Parlament Steuersenkungen beschließen, sie dann kassieren und dann doch wieder einführen – und behaupten, es habe sich nach dem Hin und Her ja nichts geändert.

Wie die betroffenen Regionen und Mitgliedsverbände solch originellen Ausführungen aufnehmen, darf man mit Spannung erwarten – wie den Umstand, dass ein Jahr vor der geplanten Kür des deutschen Olympiakandidaten vieles unklar bleibt: von der Finanzierung bis zur Frage, ob ein unabhängiges Gremium im Sommer 2026 die Kandidaten noch mal bewertet, wie es mal geplant war.

So schnell kann man als Neuer im Alltag ankommen.

Back to top button