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Die Höhle der Löwen: Achtundneunzigjähriger verzaubert Investoren | ABC-Z

Auf fünf weißen Eames-Lounge-Stühlen lauern die „Löwen“ auf ihr nächstes Beutetier. Sie sind Investoren, die in der Sendung „Die Höhle der Löwen“ des Senders Vox Start-ups in Sekunden in der Luft zerreißen können. Doch in der Ausgabe am vergangenen Montagabend sind sie ganz handzahm, schmelzen regelrecht dahin. Der Grund: Heinz Schlechtingen.

Mit unsicherem Schritt kommt der Rentner durch den Metalltunnel ins Studio und lässt theatralisch seinen Gehstock fallen. Entsetzen bei Techinvestor Frank Thelen, der aufspringen will, sich in letzter Sekunde jedoch auf die Benimmregel „Ladys first“ besinnt. So muss Jurorin Janna Ensthaler den Stock des älteren Herren aufheben. Thelen entschuldigt sich – er habe gedacht, es sei Teil der Inszenierung. Unternehmer Ralph Dümmel kommentiert trocken: „War es auch. Aber trotzdem muss ihm jemand helfen.“ Denn so viel sei bereits verraten: Grundlos ließ der Senior seine Gehhilfe nicht fallen.

„Die ist richtig spot-on und saugut umgesetzt“

Nachdem der erste Schreck verflogen ist, stellt sich der Gast vor: „Ich bin Heinz, 98 Jahre alt.“ Thelen entweicht ein „Wow“, aus dem Hintergrund ertönt anerkennendes Pfeifen. Jurorin Judith Williams erklärt, er habe den Löwen-Rekord gebrochen – gemeint ist sein hohes Alter. Als inoffizieller „Chief Quality Officer“, wie es in der Bauchbinde heißt, stellt Schlechtingen die Idee des Unternehmens „Steets“ vor. Und die kommt von seinem Enkel Phil Janßen.

Der möchte mit seinen beiden „Genossen“, wie Großvater Schlechtingen sie nennt, den Geschäftspartnern Philipp Battisti und Thorben Engel, ein leidiges Problem bei Gehstöcken beheben. Denn sobald ältere Leute einmal beide Hände brauchen, sei es beim Einkaufen, beim Türöffnen oder beim Händewaschen, müssten sie ihren Stock anlehnen. Oft rutscht dieser dann ab und fällt zu Boden.

Die Lösung, so simpel wie genial – oder wie es Thelen sagt: „Die ist richtig spot-on und saugut umgesetzt“ –, besteht aus einer Art kleinem Stativ. Das könne an jedem „handelsüblichen“ Gehstock montiert werden. Unter dem Handlauf der Krücke befinde sich ein Hebel, ähnlich einer Bremse am Fahrrad. Die könne man ziehen, damit sich am Fuße der Gehhilfe ein vierbeiniges Stativ ausfährt. Schon kann die Krücke einfach abgestellt werden. Möchte man den Fuß wieder einklappen, müsse man einfach auf den Boden drücken, dann klappt das Stativ wieder zusammen. Kostenpunkt: 48,95 Euro.

Ein Start-up mit Millionenbewertung

Trotz des stolzen Preises zeigten sich die „Löwen“ begeistert, anders als über die für 15 Prozent der Unternehmensanteile verlangte Summe. Dass die Gründer 300.000 Euro einsacken möchten, sorgt für Unverständnis. Gerade weil das Unternehmen bisher nur 60.000 Euro umgesetzt hat. Carsten Maschmeyer und Judith Williams steigen aus. Dann wird es noch einmal spannend, als die Glossybox-Gründerin Janna Ensthaler „den Investoren-Spruch“ zum Besten gibt: „Lieber einen, der dich liebt, als drei, die dich mögen“, um dann eine von denen zu werden, bei der es für die Liebe doch nicht reicht.

Erst als die drei „Genossen“ davon sprechen, zwei Patente für ihre „triviale“ Erfindung zu erhalten, werden Ralph Dümmel und Frank Thelen noch einmal wach. Letzterer will sichergehen, ob das Ganze „granted“ sei. Es wird nachverhandelt, Thelen warnt: „Wer hier reinkommt und nicht weiß, was ich kann, der ist hier falsch.“

Kommt es zu einem Deal?

Die drei Gründer einigen sich mit Thelen auf 25 Prozent für 300.000 Euro. Besiegelt wird der Deal mit einer Umarmung unter Männern, der Kopf darf sich bloß nicht berühren, mit der Hand wird sich kollegial auf den Rücken geschlagen. Gründer Janßen sagte auf Anfrage der F.A.Z., dass Opa Schlechtinger „mit seiner warmherzigen, trockenen Art den Vogel abgeschossen“ habe.

Thelen wird von seiner Kollegin gefragt: „War das nur der Business-Case oder war da auch ein kleines bisschen Herz dabei?“ Der Investor verzieht sein Gesicht: „Produkt. Ich find’ das echt ’ne gute Lösung.“ Oder wie Williams es formuliert: „Frank, du musst ganz schön verliebt sein. Du hast gerade 300.000 Euro für dieses Gestell ausgegeben.“ In Thelens Sinne denkt man: Wie gut, dass die Deutschen immer älter werden. So auch Heinz Schlechtinger. Der feierte einen Tag vor der Ausstrahlung seinen 99. Geburtstag.

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