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Verfassungsschutzbericht: Poseck kritisiert Dauer von AfD-Eilverfahren | ABC-Z

Der hessische Innenminister Roman Poseck (CDU) hat deutliche Kritik am Hessischen Verwaltungsgerichtshof geübt. Bei der Vorstellung des Verfassungsschutzberichts für das vergangene Jahr wies er darauf hin, dass in Kassel seit dem Herbst 2023 ein Eilverfahren zur Beobachtung der AfD durch den Verfassungsschutz laufe, dessen Ende noch immer nicht absehbar sei.

Die lange Dauer sei „sehr bedauerlich“, konstatierte der frühere Justizminister und Juraprofessor. Er äußerte die „klare Erwartung“, dass man in dieser für die Demokratie fundamentalen Frage schneller zu rechtlicher Klarheit komme. Das Verwaltungsgericht Wiesbaden hatte am 14. November 2023 entschieden, dass zwar die Einstufung der AfD durch den Verfassungsschutz als rechtsextremen Verdachtsfall und die Beobachtung rechtmäßig seien, aber die öffentliche Bekanntgabe der Beobachtung nicht. Sie bedürfe angesichts der negativen Folgen für die AfD einer gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage.

Auch dem Innenministerium untersagten die Wiesbadener Richter, auf seiner Website über die Beobachtung der AfD zu berichten. Dagegen legte die Landesregierung Rechtsmittel ein, während die AfD gegen ihre Einstufung vorging. Seither warten beide Seiten auf eine Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs.

Keine Richterschelte, „aber wir brauchen mehr Tempo“

Poseck erinnerte daran, dass es sich um ein Eilverfahren handele. Eine Sachstandsabfrage beim Gericht in Kassel habe nicht die Zuversicht geweckt, dass bald mit einer Entscheidung zu rechnen sein. In Ländern wie Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg seien vergleichbare Verfahren zur AfD längst abgeschlossen. Er wolle keine Richterschelte betreiben, sagte Poseck, der dem Berufsstand selbst angehört. „Aber wir brauchen mehr Tempo.“

Dass die AfD in dem zweihundertseitigen Verfassungsschutzbericht nicht vorkomme, liege an dem „Maulkorb“ des Verwaltungsgerichts Wiesbaden, erklärte Poseck. Tatsächlich sei die Partei in erster Linie für die Vergiftung des politischen Klimas und die Verrohung der Debatten im Land verantwortlich, fügte er mündlich hinzu.

Der Hessische Verwaltungsgerichtshof teilte dazu auf Nachfragen mit, dass im 8. Senat drei Verfahren in diesem Zusammenhang anhängig seien. Man beabsichtige, „die Verfahren im Laufe des Monats September zu entscheiden“. Die Dauer eines Verfahrens hänge von einer Vielzahl an Faktoren ab, wie zum Beispiel der Komplexität in tatsächlicher und rechtlicher Art, der Belastung des jeweiligen Senates sowie dem Umfang des Beteiligtenvorbringens.

38 Prozent mehr rechtsextremistische Straftaten

Nach Posecks Zahlen gab es im vergangenen Jahr 12.905 Extremisten in Hessen, 205 weniger als im Jahr 2023. Trotzdem sei die Zahl der Straftaten um 34 Prozent auf 2527 gestiegen. Im Rechtsextremismus habe der Zuwachs 38 Prozent betragen.

Diese Zahl übersteige die Gesamtzahl der von allen anderen Extremisten begangenen Taten bei Weitem, stellte Poseck fest. Daran erkenne man, dass Rechtsextremisten weiterhin die größte Bedrohung für die freiheitliche, demokratische Grundordnung seien. „Sie wollen es nicht zulassen, dass Menschen anders sind, als sie es sich vorstellen.“

Immer mehr in ihren Fokus gerieten sexuelle Minderheiten. Dies habe sich beispielsweise gezeigt, als im Juni beim Christopher-Street-Day in Wetzlar Gegendemonstranten einem Aufruf der rechtsextremen Partei „Die Heimat“ gefolgt seien und rassistische Parolen skandiert hätten.

Auch die Bedrohung von links nehme zu, stellte Poseck fest. Aktuell seien vor allem die Verbindungen zu extremen Teilen der propalästinensischen Szene besorgniserregend. Sie propagierten offen israelbezogenen Antisemitismus. Das sei zuletzt bei der illegalen Hausbesetzung im Frankfurter Stadtteil Gallus deutlich geworden.

Die Zahl gewaltorientierter Linksextremisten habe im vergangenen Jahr mit 730 Personen einen Höchststand erreicht. Linksextreme waren nach Posecks Angaben im Jahr 2024 für 155 Straftaten verantwortlich. Das ist ein Plus von zwölf Prozent im Vergleich zu 2023. Dabei handelt es sich vor allem um Sachbeschädigungen.

Soziale Medien als Startampe für Radikalisierung

Der Präsident des hessischen Verfassungsschutzes Bernd Neumann hob die Rolle sozialer Medien als „Startrampen für Radikalisierung“ hervor. „Die Generation Z wächst in einer Welt auf, in der Likes und Klickzahlen oft mehr über ,Wahrheit‘ entscheiden als Fakten oder Quellen.“

Die Bedrohungen durch ausländische Nachrichtendienste gehen nach den Erkenntnissen des Verfassungsschutzes vor allem von Russland aus. Neumann erwähnte Cyberoperationen, Sabotage, den Diebstahl von Informationen sowie Aktionen und Des­in­for­ma­tions­kam­pa­gnen, die auf eine Destabilisierung der Demokratie und Gesellschaft abzielen. Die hybride Kriegführung ziele „auf das Herz unserer demokratischen Funktionsfähigkeit“.

Die gleichzeitigen Bedrohungen von unterschiedlichen Seiten nähmen zu, so Neumann. Poseck nannte aber auch Zahlen, die zeigen sollten, dass die Herausforderungen durch den Extremismus in den meisten anderen Ländern größere Ausmaße angenommen hätten als in Hessen.

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