Volkswagen-Batteriefabrik: Nächster Anlauf für die Zelle | ABC-Z

In Salzgitter wird noch geschraubt und kalibriert, perfekt ist längst nicht alles. An einem Punkt legt sich Volkswagen-Manager Frank Blome aber schon jetzt fest: Einen Stolperstart wie bei Northvolt werde es hier, in der Batteriezellfabrik von Volkswagen, nicht geben, sagt er. Blome, 56 Jahre alt, ist im VW-Konzern für den Aufbau der eigenen Zellproduktion verantwortlich. Er leitet die Batterie-Tochtergesellschaft Powerco. Der Druck ist hoch, und zuletzt hatte Europa auf dem Weg zu mehr eigener Wertschöpfung in der Zelltechnik viele Rückschläge erlitten. Für Blome ist das aber kein Grund zum Abwinken, im Gegenteil: Es gehe um eine Technologie, die man „absolut beherrschen“ müsse, um möglichst unabhängig zu sein, sagt er.
An einem Vormittag kurz vor Beginn der Automesse IAA Mobility hat VW in Salzgitter jetzt gezeigt, wie weit der Bau der ersten eigenen Batteriezellfabrik vorangekommen ist. Innerhalb von drei Jahren ist in Salzgitter im Südosten Niedersachsens eine vierzig Hektar große Anlage mit zwei Blöcken entstanden, von denen der erste jetzt auf den Produktionsstart zusteuert.
Vom kommenden November an, so kündigt es Blome vor Journalisten an, soll ein serienreifes Produkt aus dem neuen Werk kommen – die neue „Einheitszelle“, die der Konzern in möglichst viele Fahrzeuge seiner Marken einbauen will. Erst geht es nur um Batteriezellen für die Zulassungsverfahren. Vom nächsten Jahr an sollen sie dann auch in Kundenfahrzeugen ankommen, etwa in der neuen elektrischen Kleinwagenfamilie um das VW-Modell ID.Polo, das gerade auf der IAA in München seinen großen Auftritt hat. Für Blome und Powerco ist das der Auftakt zu einem Hochlauf mehrerer Standorte, die einmal die Hälfte des Zellbedarfs im Konzern decken sollen. Den Rest will VW weiter bei asiatischen Lieferanten zukaufen.
Der Umbau des Standorts Salzgitter
Batteriezellen sind das Herz jedes Elektroautos – sie stehen für fast die Hälfte der Wertschöpfung im Fahrzeug. Europa will in diesem Geschäft unabhängiger werden, weg von den dominanten Großproduzenten aus Fernost. Doch der Absturz von Northvolt hat den hiesigen Unternehmen zuletzt ihre Grenzen aufgezeigt. Trotz üppiger Finanzierung und prominenter Partner wie VW und Goldman Sachs bekam das Start-up seine Zellproduktion in Nordschweden nicht so schnell und in der Qualität zum Laufen wie erhofft. Vor einigen Monaten war Northvolt dann spektakulär das Geld ausgegangen
Nun sollen konzerneigene Projekte von VW anrollen. Den Umbau des Standorts Salzgitter vom Motorenwerk zum „Leitwerk Zelle“ lässt sich Europas größter Autohersteller bis zu zwei Milliarden Euro kosten. Wenn alles läuft wie erhofft, wird es das erste Werk eines deutschen Unternehmens sein, das hierzulande im großen Stil Batteriezellen herstellt. Ideen gab es viele in der Branche. Wirklich entstanden sind bisher aber nur wenige Projekte, etwa der Standort des chinesischen Weltmarktführers CATL in Thüringen. Wie es mit dem geplanten Werk von Northvolt im schleswig-holsteinischen Heide weitergeht, ist derzeit noch ungewiss.
Auch VW hatte einst noch größere Pläne, stutzte die Pläne für sein Werksnetz aber zusammen, als der Markt für Elektroautos nicht abhob wie erhofft. Drei Projekte sind geblieben: Salzgitter mit einer Leistung bis zu 40 Gigawattstunden im Jahr, ein Werk im spanischen Sagunt mit bis zu 60 und St. Thomas in Kanada mit bis zu 90 Gigawattstunden. Vorerst sind das nur grobe Zielmarken, zum Start legt Salzgitter mit etwa der Hälfte los. Ausgebaut werde dann „bedarfsorientiert“, sagt VW-Manager Blome, ein Zeichen, wie groß die Unsicherheit weiter ist.
Zellfertigung ist energieintensiv
Der Rundgang zeigt außerdem große Bereiche jenseits der eigentlichen Zellfertigung, vor allem eine ganze Halle für Qualitätskontrolle. Es wirkt, als solle die Fabrik möglichst viele übergreifende Aufgaben für alle Batteriestandorte übernehmen, auch um Arbeitsplätze zu sichern. Die angestammte Motorenproduktion am Standort Salzgitter ist vom Stellenabbau des Konzerns betroffen, der Betriebsrat hat dafür gekämpft, neue Beschäftigung herzuholen und möglichst viele der rund 6000 Arbeitsplätze zu erhalten. Das Problem: Zellfertigung ist energieintensiv, am Standort Deutschland ist sie wegen der hohen Strompreise nur schwer wirtschaftlich zu betreiben. Spanien und Kanada zahlen zudem hohe Subventionen. Das Projekt in Salzgitter entsteht dagegen auf eigene Rechnung. Auf einem Treffen mit EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen (CDU) will die Branche am Freitag auch über stärkere Förderung sprechen.
Bislang sind Bau und Anlauf in Salzgitter im Zeitplan. Und damit das so bleibt, setzt VW auf einen anderen Prozess als Northvolt. Das Start-up hatte – wie alle hiesigen Zellprojekte – Maschinen von Spezialanbietern aus China gekauft. Doch der Anlauf im nordschwedischen Skelleftea geriet zum Debakel, auch weil chinesische Anlagentechniker während Corona nur schwer nach Nordschweden kamen, um den Hochlauf zu unterstützen. VW hingegen lässt seine Anlagen in China bei einem lokalen Partner einstellen und anlaufen, bevor sie nach Salzgitter kommen. Blome zufolge ist auch die Komplexität der Zellvarianten geringer. Die „Einheitszelle“ des Konzerns kann sowohl gängige Nickel-Mangan-Kobalt-Chemien als auch neue Technologien wie Lithium-Eisenphosphat in einem Standardformat abdecken. Damit sieht er VW flexibel aufgestellt, um mit der Marktentwicklung Schritt halten zu können.