Patricia Kadgien: Tochter von SS-Offizier in Argentinien angeklagt | ABC-Z

In Argentinien wurden Patricia Kadgien, die Tochter eines ranghohen Nazi-Funktionärs, und ihr Ehemann wegen „Hehlerei“ und Behinderung der Justiz angeklagt. Den beiden wird vorgeworfen, das im Zweiten Weltkrieg geraubte Gemälde „Porträt einer Dame“ des italienischen Barockmalers Giuseppe Ghislandi verborgen zu haben.
Das Bild war zuvor zufällig in einem Online-Immobilieninserat aufgetaucht, abgebildet über einem grünen Sofa im Wohnzimmer der Kadgien-Familie. Die niederländische Zeitung „Algemeen Dagblad“ brachte den Fund ans Licht und löste damit Ermittlungen und eine von Interpol unterstützte internationale Fahndung aus.
Bei einer Hausdurchsuchung vor einer Woche im besagten Haus in Mar del Plata 400 Kilometer südlich von Buenos Aires war das Gemälde jedoch nicht mehr aufzufinden. Die argentinische Justiz wirft Kadgien und ihrem Mann vor, das Bild vor der Hausdurchsuchung versteckt zu haben, um die Ermittler zu täuschen. Kurz darauf gaben sie es aber heraus. Bei weiteren Durchsuchungen stießen die Ermittler zudem auf 22 Drucke des französischen Fauvismus-Meisters Henri Matisse sowie auf weitere Gemälde unbekannter Herkunft.
Das „Porträt einer Dame“ gehörte einem jüdischen Kunsthändler
Das „Porträt einer Dame“ stammte ursprünglich aus der Sammlung des jüdischen Kunsthändlers Jacques Goudstikker und war während des Zweiten Weltkrieges von den Nazis in den Niederlanden geraubt worden. Ungeklärt ist die Frage der rechtmäßigen Rückgabe. Die Erbin von Jacques Goudstikker, die Niederländerin Marei von Saher, hat bereits eine Klage eingereicht. Derweil schlug die argentinische Staatsanwaltschaft vor, das Gemälde zunächst im Holocaust-Museum in Buenos Aires zu verwahren.
Nach Argentinien gelangte das Werk über verschiedene Stationen, jedoch stets im Besitz von Friedrich Gustav Kadgien, dem 1978 verstorbenen Vater der Angeklagten. Kadgien war ein ranghoher Funktionär im NS-Wirtschaftsapparat und Offizier der SS. Von 1938 an arbeitete er unter Hermann Göring und war verantwortlich für Devisen, Rohstoffe, Zwangsarbeit und den Zugriff auf geraubte Werte wie Gold, Diamanten und Kunst. Nach dem Kriegsende floh Kadgien gemeinsam mit Ludwig Haupt in die Schweiz. Historiker gehen davon aus, dass die beiden dort Zugang zu geheimen NS-Konten hatten.
In den frühen Fünfzigerjahren tauchten Kadgien und Haupt mit gültigen Visa in Südamerika auf, wo sie alles andere als ein bescheidenes Leben im Verborgenen führten. 1954 kauften sie im brasilianischen Pantanal ein gigantisches Landgut, finanziert durch Millionen aus Schweizer Quellen, und gründeten Firmen in Rio de Janeiro und Buenos Aires, über die sie Geschäfte mit deutschen Konzernen wie Rheinmetall oder Siemens abwickelten. Auch die deutsche Industriellenfamilie Thyssen zählte zu ihren Geschäftspartnern. Zeitungen aus der Zeit zeigen Kadgien bei Empfängen mit Ministern und Diplomaten.
Nach Jahrzehnten erfolgreicher Geschäfte starb Kadgien 1978 in Buenos Aires. Erst viel später begannen Historiker seine Geschichte zu rekonstruieren und entdeckten dabei, dass sein Wohlstand wahrscheinlich auf Raubgut und verschleierte NS-Vermögenswerte aus der Schweiz zurückging. Der Fund in Mar del Plata bestätigt diese Spur.