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Jim Jarmusch erhält den Goldenen Löwen in Venedig | ABC-Z

Venedig rollt den Streamingdiensten gern den roten Teppich aus. Netflix hatte in diesem Jahr gleich drei große Produktionen im Wettbewerb – bei der Preisvergabe aber setzt die Jury ein Zeichen fürs klassische (Arthouse-)Kino. Der Spezialpreis der Jury etwa ging an Gianfranco Rosis schön fotografierten Dokumentarfilm „Below the Clouds“, der vom Alltagsleben am Fuße des Vesuvs handelt.

Mit dem Silbernen Löwen für die Beste Regie zeichnete die Jury den Amerikaner Benny Safdie für seine Arbeit „The Smashing Machine“ aus. Safdie, der zuletzt als Schauspieler in Christopher Nolans „Oppenheimer“ zu sehen war, hatte sich den Regiestuhl bislang meist mit seinem Bruder Josh geteilt, etwa beim Thriller „Der Schwarze Diamant“. Für „The Smashing Machine“, der vom Aufstieg und Fall des Mixed-Martial-Arts-Kämpfers Mark Kerr erzählt, holte Safdie Dwayne Johnson zurück ins ernste Schauspielfach. Das Vertrauen zwischen Darstellern und Regisseur zeigt sich besonders in Szenen, in denen Johnson Risse in der harten Schale seiner Figur offenlegt. Safdie erzählt mit Sensibilität von den Menschen, die ein Sportgenre begründeten, das heute zum Millionengeschäft ausgewachsen ist – und er tut das mit einer Begeisterung, dass selbst ein Publikum, das sich nicht primär für Kampfsportarten interessiert, immer wieder die Luft anhält.

Schauspiel-Auszeichnung von Toni Servillo und Nachwuchspreis für Luna Wedler

Als lang überfällige Auszeichnung muss hingegen der Coppa Volpi für Toni Servillo gedeutet werden. Der gebürtige Neapolitaner hat die Auszeichnung als bester Schauspieler in Venedig längst verdient, hatte man in den vergangenen Jahren sein Talent doch immer wieder in italienischen Produktionen im Wettbewerb bewundern dürfen – mal als Mafiakiller (etwa 2023 in „Adagio“), mal als Komiker (etwa 2021 in „Qui rido io“). In Paolo Sorrentinos „La Grazia“ vereinte er in diesem Jahr als scheidender Staatspräsident beide Qualitäten, ernste Szenen brach er mit Humor und musste dafür nur eine Augenbraue heben.

Der US-Amerikaner Jim Jarmusch erhält für sein Drama über Familiendynamiken den Hauptpreis des Festivals.AFP

Als beste Darstellerin zeichnete das Festival die Chinesin Xin Zhilei in „The Sun rises on us all“ aus. Den Marcello Mastroianni Award, also den Nachwuchspreis für die Darsteller, erhielt die Schweizerin Luna Wedler. In Ildikó Enyedi in Marburg gedrehtem „Silent Friend“ gibt Wedler eine junge Biologin zu Beginn des 20. Jahrhunderts, die sich gegen die verkrusteten Strukturen der Universität behaupten muss und unter einem alten Ginkgo-Baum im Botanischen Garten Inspiration für ihre eigene Forschung findet.

Auch die beiden Hauptpreise gingen an kleine Produktionen. Den Silbernen Löwen erhielt die tunesische Regisseurin Kaouther Ben Hania für „The Voice of Hind Rajab“, in dem sie das Team der Rettungszentrale des Roten Halbmonds in Gaza zeigt, das einem kleinen Mädchen, dessen Familienangehörige unter israelischem Beschuss starben, helfen will. Hania verwob dabei Dokumentarisches mit Fiktion, nutzte die Originaltonspur des Notrufs des Mädchens und ließ die Szenen von Darstellern nachspielen. Kann das in einem Festival, an dessen Rand aktuelle Politik immer wieder diskutiert wurde – die Organisation „Venice4Palestine“ hatte zu Beginn der Filmfestspiele das Festival in einem offenen Brief zu einer Stellungnahme aufgefordert – als zaghaftes politisches Statement gedeutet werden? Produziert haben das Werk, das den Hamas-Terrorangriff auf Israel am 7. Oktober 2023 als Auslöser des Krieges nicht thematisiert, unter anderen Brad Pitt, Mara Rooney und Joaquin Phoenix.

Goldener Löwe für Jim Jarmusch

Den Goldenen Löwen erhielt Jim Jarmusch für seinen in losen Episoden erzählten Film „Father Mother Sister Brother“. Wie schon in „Night on Earth“ oder „Coffee and Cigarettes“ blickt Jarmusch an verschiedenen Schauplätzen auf ähnliche Themen. Diesmal treffen erwachsene Kinder auf ihre Eltern und stellen fest, dass sie sich nichts mehr zu sagen haben. Jarmusch, der seine Sonnenbrille selbst bei der Preisübergabe nicht abnahm, lies ein: „Oh, Shit“ hören und bedankte sich für die Auszeichnung für seinen „stillen Film“ und betonte, dass Kunst Politik nicht direkt ansprechen müsse, um politisch zu sein.

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