Gynäkologin zu sexueller Gesundheit: “HPV ist ein Thema, das sehr oft angesprochen wird” | ABC-Z

Interview | Gynäkologin zu sexueller Gesundheit
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“HPV ist ein Thema, das sehr oft angesprochen wird”
Am 4. September ist der Internationale Tag der sexuellen Gesundheit. Fokus in diesem Jahr: Selbstbestimmung. Ein wichtiger Punkt, sagt Gynäkologin Anna Stamm, denn um die eigene Gesundheit sollte man sich auch in sexuellen Belangen kümmern.
rbb|24: Hallo Frau Stamm. Das Motto für den diesjährigen Internationalen Tag der sexuellen Gesundheit 2025 ist “Selbstbestimmung” – wie ist das gemeint?
Anna Stamm: Beim Thema sexuelle Gesundheit geht es viel darum, dass man seine Sexualität so auslebt, wie man es möchte – also selbstbestimmt – und dabei die eigene Gesundheit im Blick hat. Daher haben die beiden Stichworte sehr viel miteinander zu tun. Zumal, wenn es um den Schutz der eigenen sexuellen Gesundheit geht.
Wann ist man sexuell nicht gesund?
Sobald man Beschwerden hat, die sexuell auftreten und die das Sexualleben beeinträchtigen. Aber es gibt auch Erkrankungen, von denen man gar nicht merkt, dass man sie hat. Bei einigen kommt das dann erst durch ein Screening oder einen anderen gezielten Test raus.
Dazu könnte ja auch HPV (Humane Papillomviren) gehören. Dagegen gibt es eine Impfung für Menschen jeden Geschlechts. Über die ist immer wieder mal zu hören, wenn man sich nicht in jungen Jahren impfen lasse, lohne sich das später gar nicht mehr. Stimmt das?
Die Impfung ist tatsächlich am besten geeignet für Menschen, die noch nicht sexuell aktiv sind. HPV ist aber nicht nur bei penetrativem Geschlechtsverkehr übertragbar, sondern auch durch Petting. Also über die Hände oder anderen körperlichen Kontakt.
Wie hoch der Nutzen für andere Personen ist, ist schwer zu sagen. Denn man weiß ja nicht, mit wie vielen von diesen Viren jemand schon Kontakt hatte. Die Stiko empfiehlt die Impfung bis zum 18. Geburtstag und bis dahin übernehmen auch die Krankenkassen die Kosten.
Wenn jemand beispielsweise mit Mitte zwanzig noch nicht sexuell aktiv ist und noch keine Impfung erhalten hat, kann er oder sie die Krankenkasse individuell nach einer Kostenübernahme fragen, denn unter Umständen lohnt es sich dann ja immer noch, sie nachzuholen.
Kondome sind in diesem Zusammenhang also beispielsweise nur eingeschränkt wirksam. Gibt es bei der allgemeinen Nutzung von Kondomen eigentlich mehr zu beachten, als dass sie aufgezogen werden müssen?
Es ist sehr wichtig, dass ein Kondom gut passt. Da macht es für den Mensch mit Penis eventuell Sinn zu schauen, ob es sich um eine Größe handelt, die in den gängigen Supermarkt-Größen nicht enthalten ist. Im Internet finden sich auch kleinteiligere Größen.
Außerdem muss man schauen, wie man das Kondom aufbewahrt. Der Klassiker, es lange im Portemonnaie mit herumzuschleppen, ist nicht günstig, weil sich das beispielsweise negativ auf das Material auswirken kann.
Schmerzen beim Sex gehören sicherlich zum Themenbereich sexuelle Gesundheit. Nehmen viele diese Schmerzen einfach hin oder thematisieren das die meisten betroffenen Frauen bei Ihnen?
Ich erlebe vermehrt, dass Frauen mich gezielt darauf ansprechen. Aber ich glaube, dass es da immer noch eine hohe Dunkelziffer von Frauen gibt, die das still hinnehmen und nicht darüber sprechen. Es ist noch immer ein sehr tabuisiertes Thema.
Schmerzen beim Sex ist ein weites Feld, das junge Frauen und auch beispielsweise Frauen in den Wechseljahren betreffen kann. Die Gründe für die Schmerzen sind vielfältig.
Welche Themen zur sexuellen Gesundheit werden in Ihrer Praxis am häufigsten angesprochen? Und welche bleiben oft unausgesprochen? Gibt es weitere Tabuthemen, von denen Sie sich wünschen, dass Patientinnen häufiger mit Ihnen darüber sprechen?
HPV ist ein Thema, das sehr oft angesprochen wird. Da gibt es sehr viel Unsicherheit. Gerade auch mit dem neuen Screening für Gebärmutterhalskrebs. Bei jungen Patientinnen versuche ich selbst immer noch einmal das Thema sexuell übertragbare Erkrankungen wie beispielsweise Chlamydien zu anzusprechen. Das kommt eher von mir und nicht so sehr von den Patientinnen.
Die Wechseljahre beispielsweise sind kein Tabuthema mehr?
Die Generation von Frauen, die jetzt gerade in die Wechseljahre kommen, redet recht offen darüber und ist auch oft recht gut vorinformiert. Die ältere Generation, also Frauen, die sich schon deutlich nach den Wechseljahren befinden und die möglicherweise noch immer Beschwerden haben, spricht das noch nicht so offen an.
Als wie offen und auch vorinformiert hinsichtlich sexueller Themen erleben Sie denn ganz junge Frauen?
Ich habe das Gefühl, dass junge Frauen da grundsätzlich sehr offen sind. Sie sprechen viele Dinge an. Der Wissensstand ist aber sehr unterschiedlich. Einige haben sich intensiv mit den Themen auseinandergesetzt und haben ein großes Vorwissen. Aber das gilt nicht für alle.
Ist für die jüngeren Frauen, die Sex mit Männern haben, HIV eigentlich noch ein Thema?
HIV wird in meinen Augen von ihnen oft sogar eher etwas überbewertet. Es ist noch immer als Schreckgespenst in den Köpfen drin. Dabei spielt es ja gar keine so große Rolle mehr, denn andere Erkrankungen wie Chlamydien oder Tripper sind heute wesentlich häufiger.
Welche Entwicklungen in der Medizin oder Forschung halten Sie derzeit für besonders spannend im Bereich weiblicher Sexualität?
Ich finde es gut, dass überhaupt mehr geforscht wird. Gerade zu Themen wie Endometriose – diese Erkrankung beeinflusst häufig die Sexualität mit – oder auch zu den Wechseljahren. Da sind auch wir Ärzte heute alle sehr viel mehr sensibilisiert und sprechen Patientinnen auch auf bestimmte Beschwerden an. Ich finde es auch gut, dass das Thema Beckenboden derzeit sehr präsent ist. Der Beckenboden hat auch sehr viel mit dem sexuellen Erleben zu tun. Das wurde lange Zeit eher abgetan – inzwischen hat man mehr im Blick, wie wichtig das ist.
Sie sind ja nicht nur niedergelassene Ärztin, sondern virtuell auch auf Instagram als “frau_gyn” aktiv. Wie kommt das?
Ich habe das Gefühl, dass da viel Bedarf ist, denn ich bekomme sehr viel Resonanz dort. Instagram ist ein gutes Medium, um Menschen einen leichten Zugang zu Informationen zu verschaffen. Da die Plattform auch mit sehr vielen Falschinformationen besetzt ist, ist es mir wichtig, da ein Gegengewicht zu schaffen.
Vielen Dank für das Gespräch.
Das Interview führte Sabine Priess, rbb|24
Der International World Sexual Health Day findet alljährlich am 4. September statt.