Sport

Machtkampf unter Funktionären: Deutschlands Modernem Fünfkampf droht das Aus | ABC-Z


analyse

Stand: 02.09.2025 22:45 Uhr

Am Sonntag trifft sich der nationale Verband der Modernen Fünfkämpfer in Frankfurt, um zum dritten Mal in diesem Jahr ein neues Präsidium zu wählen. Geht das schief, ist er wohl pleite.

Von Lea Löffler, Linus Klopsch und Jörg Winterfeldt

Der deutsche Verband für den Modernen Fünfkampf (DVMF) geht in seine entscheidenden zwei Wochen. Am kommenden Sonntag findet mal wieder ein außerordentlicher Verbandstag statt, in Frankfurt am Main. Gelingt den Funktionären dort keine Wahl eines von allen Seiten akzeptierten Präsidiums in einem von allen Seiten akzeptierten Prozedere, dann führt der DVMF ein für den deutschen olympischen Sport einmaliges Schauspiel auf: die Selbstvernichtung eines Sportverbandes.

Unter den Athleten lässt sich derzeit eine Art Fatalismus beobachten, es herrscht Endzeitstimmung. “Sollten wir bis zum 15. September kein Präsidium, keinen Vorstand haben, werden wir wahrscheinlich Insolvenz anmelden müssen zum 1. Oktober. Das wäre eigentlich das Ende für den Fünfkampf in Deutschland“, sagt Athletensprecher Patrick Dogue aus Potsdam. Bis “runter in die Jugend” gebe es Athleten, “die mittlerweile die Sportart gewechselt, ganz aufgehört haben. Und wir haben auch Athleten, die die Nation gewechselt haben.“

Fünfkampf-Athletensprecher Patrick Dogue

Juristische Verwicklungen

Die vertrackte Situation ergibt sich aus einem komplizierten Gemisch aus egoistischen Motiven, eitlen Landesfürsten, Vetternwirtschaft, Neid und eklatanten Satzungsschwächen. Aus sportlicher Sicht finden sich die Kaderschmieden und erfolgreichsten Athleten im Osten der Republik, in Berlin und in Potsdam. Sportpolitisch sitzen die Machtzentralen in den großen Landesverbänden Nordrhein-Westfalen und Bayern sowie in Hessen, wo der Dachverband, in Darmstadt, seinen Sitz hat. Der Versuch, beides zusammenzubringen, richtet gerade riesige Flurschäden an – und den DVMF womöglich zugrunde.

Der letzte, nach Auffassung einer Mehrheit einigermaßen ordnungsgemäß gewählte und eingetragene Präsident war der Heidelberger Diplom-Sportlehrer Michael Dörr. Sein Ausschluss durch den Rechtsausschuss des Verbandes sowie zwei separat voneinander durchgeführte außerordentliche Verbandstage binnen 48 Stunden im April ließen die ohnehin angespannte Situation eskalieren. Das Ergebnis: zwei gewählte, parallel agierende Präsidien, die jeweils die Verbandsleitung für sich beanspruchten. Ein Novum im deutschen Spitzensport.

Üppige staatliche Alimentierung

Weil aus Dörrs ursprünglichem Präsidium nur ein Vizepräsident verblieben war, bestellte das Darmstädter Amtsgericht inzwischen einen Sportjuristen als Notvorstand und belegte die Konstellation gleich mit einem Verfallsdatum: 15. September. Das sichert dem Verband derzeit noch das Überleben, denn die Föderation hängt am Tropf der Bundeszuschüsse. Ohne nennenswerte Sponsoren und erhebliche Vermarktungseinnahmen sichern die jährlich etwa 1,4 Millionen Euro an Steuergeldern den Haushalt.

Der Bund knüpft die Auszahlung seiner Förderung an “die ordnungsgemäße Geschäftsführung des Verbandes”, teilt ein Sprecher der Staatsministerin für Sport und Ehrenamt, Christiane Schenderlein, der ARD mit. Als man das für den Fünfkampf nicht gewährleistet sah, hielten die Ministerialen zwischenzeitlich Monatszahlungen zurück. Die “Wiederaufnahme” einer dauerhaften Finanzierung, ließ der Sprecher wissen, knüpfe man an eine “ordnungsgemäße Geschäftsführung”, die nach dem Ausscheiden des Notvorstandes zum 15. September 2025 vorzuliegen habe. Nach dem Verbandstag wird also erneut überprüft.

CDU-Politikerin Christiane Schenderlein

Bisher weisen alle Indizien darauf hin, dass am Sonntag das Hauen und Stechen der Funktionäre weitergeht. Der wichtigste Streitpunkt liegt in der Frage, wie viele Wahlstimmen jeder Landesverband am Sonntag überhaupt hat. Das liegt daran, dass die Satzung des DVMF seit Jahren bekannte Schlupflöcher hat, die Manipulationen ermöglichen. Landesverbände können nämlich zusätzliche Voten bekommen, die sich bemessen an der Menge der Athleten, für die sie Lizenzen erwerben. Vereinfacht ausgedrückt: Über Sportlerlizenzen lassen sich legal Stimmen kaufen.

Fachleute staunen seit Jahren schon über Missverhältnisse zwischen der Menge der Athleten, die manche Landesverbände in den vergangenen Jahren an den Start gebracht haben, und der Menge der Lizenzen, die sie erworben haben. Ein besonders auffälliger Fall wird gerade in Sachsen-Anhalt überprüft, wo womöglich für einen Fechtklub mehrere Dutzend Fünfkampf-Lizenzen erworben wurden – allerdings handelte es sich nicht um Fünfkämpfer.

Unwissentlich Fünfkämpfer

Einer der offenbar Betroffenen teilte der ARD schriftlich mit: “Ich spiele Fußball, wir gehören aber einem Fechtverein an. Mir wurde dann zu Beginn des Jahres 2025 mitgeteilt, dass mein Name und der von anderen Fußballern und Fechtern, benutzt wurde, um Lizenzen im Modernen Fünfkampf zu kaufen. Ich wurde nie gefragt, ob mein Name für so eine Lizenz benutzt werden darf.”

Pikante Randnotiz: Als die ARD den derzeitigen Vizepräsidenten Jan Veder fragte, wie viele Sportler den jeweiligen Landesverband im vergangenen Jahr in Modernen-Fünfkampf-Wettbewerben vertreten haben und wie viele Lizenzen der Landesverband erworben hat, teilte Veder jeweils nur die Menge der erworbenen Lizenzen mit. Ob wie vermutet ein Missverhältnis besteht, ließ er offen.

Stellt sich nicht mehr zur Präsidentschaftswahl: Ex-Fünfkämpfer Jan Veder

“In höchster Weise kritikwürdig”

“Ich persönlich bin wirklich erschüttert zu erfahren, was sich im Modernen Fünfkampf in Deutschland in den letzten Jahren abgespielt hat“, sagte Stephan Mayer, sportpolitischer Sprecher der CDU/CSU-Fraktion, der ARD: “Da sind Mechanismen am Werk, die so nicht zeitgemäß sind. Das ist in höchster Weise kritikwürdig.“ Der DVMF müsse „seine Hausabgaben machen“ und insbesondere „die Satzung deutlich überarbeiten“.

Der noch amtierende Vizepräsident Veder war bis Montag Präsidentschaftskandidat, dann gab er überraschend seinen Verzicht bekannt. Er gilt der Seite der großen Landesverbände zugehörig und steht für die Politik, die zuletzt Sportlern massiv geschadet hat. In den Ränkespielen der Landesverbände hatte das Veder-Präsidium beschlossen, den erfolgreichen Bundesstützpunkt in Potsdam zu schließen.

Erfolgreiche, aber womöglich für die Veder-Seite unbequeme Athleten wie Patrick Dogue verloren auf umstrittene Art ihre Förderung. Es gilt als wahrscheinlich, dass die Landesverbände, die bisher hinter Veder standen, am Sonntag einen Ersatzkandidaten ins Rennen schicken.

“Ich habe nur geweint“

Fest steht, dass die im April auf einem der beiden umstrittenen Verbandstage gewählte Barbara Oettinger, eine auch im Deutschen Olympischen Sportbund bestens vernetzte Multifunktionärin, auch dort wieder antritt. Athleten wie Dogue hoffen, dass es ihr gelingt, den Fünfkampf in Deutschland wieder auf eine solide Basis zu stellen.

Die deutsche Olympiateilnehmerin Rebecca Langrehr aus Berlin, deren Vater im Oettinger-Team mitkandidiert, schildert die Auswirkungen der derzeitigen Streitereien für die Athleten: “Ich finde, so wie wir behandelt worden sind, darf grundsätzlich kein Athlet behandelt werden. Und es hätte so weit niemals kommen dürfen. Und ich verstehe nicht, wie Leute damit immer wieder durchkommen.” Die Situation belaste sie psychisch, sie berichtet von Essstörungen und ständiger Übelkeit. “Ich konnte nicht aufstehen”, sagt Langrehr, “ich habe nur geweint.”

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