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„Keine Fehlerkultur“: Kritik an Plänen für Maßregelvollzug in Bayern – Bayern | ABC-Z

Der bayerische Landtag berät über eine Änderung des Maßregelvollzugsgesetzes, das die Unterbringung von psychisch oder suchtkranken Straftätern in gesicherten Psychiatrien regelt. Nach der Geiselnahme am Straubinger Bezirkskrankenhaus (BKH) und einer Flucht aus dem Bezirksklinikum Mainkofen vor einem Jahr soll insbesondere der Schutz der Öffentlichkeit vor den Insassen hervorgehoben werden. Der Münchner Strafverteidiger David Mühlberger, der häufig Mandanten im Maßregelvollzug vertritt, kritisiert die Pläne des Sozialministeriums. Bei den Gesetzesänderungen handle es sich um „Selbstverständlichkeiten“.

Der Fachanwalt sieht ein anderes Problem im System des Maßregelvollzugs. „Nach wie vor entscheiden Therapeuten ohne juristische Expertise über die Freiheit der Patienten.“ Mühlberger sagt, dass das Risiko rechtswidriger Entscheidungen dadurch groß sei. Er erlebe das bei seinen eigenen Mandaten immer wieder.

Der Maßregelvollzug ist darauf angelegt, Menschen, die sich aufgrund einer psychischen Erkrankung oder einer Drogensucht strafbar gemacht haben und laut Gericht nicht voll schuldfähig sind, zu behandeln und durch stufenweise Lockerungen zu resozialisieren. Dazu gehören je nach Therapiefortschritt zum Beispiel begleitete und unbegleitete Ausgänge innerhalb oder außerhalb des Klinikgeländes. Stark gelockerte Patienten dürfen bei positivem Verlauf auch außerhalb der Klinik wohnen und einer Arbeit nachgehen.

Mühlberger berichtet von Mandanten, die schon so weit waren, aber ihre Lockerungen verloren hätten, „aus nicht nachvollziehbaren Gründen“. In einem Fall sei ein Patient in die streng gesicherte „Abbruchstation“ verbracht worden, obwohl er schon draußen lebte und vor dem Abschluss seiner Therapie stand. Mühlberger zufolge sei er als Beifahrer im Auto eines Freundes in eine Polizeikontrolle geraten, im Fahrzeug sei eine leere Lachgasflasche gefunden worden. „Das ist gar nichts“, sagt Mühlberger über die juristische Bewertung. Trotzdem sei der Mann in die Klinik zitiert worden und sitze dort seit Monaten „wie in U-Haft“. Er habe seinen Job verloren, Frau und Kind stünden ohne ihn da.

„Solche Entscheidungen über freiheitsgewährende oder -entziehende Maßnahmen müssen stets von Juristen getroffen werden“, fordert Mühlberger von der Politik. Sonst sei die Gefahr groß, dass Lockerungen aufgrund von „Sympathie und Antipathie“ gewährt und entzogen würden. Wie in einem Gefängnis sollten auch in jeder Bezirksklinik Juristen über die Maßnahmen wachen, findet der Anwalt.

„Es ist richtig, dass rechtliche Fragen im Maßregelvollzug eine zunehmende Rolle spielen“, sagt dazu der Straubinger CSU-Abgeordnete Josef Zellmeier. Der Jurist ist Vorsitzender des Straubinger Maßregelvollzugsbeirats. Die Frage, ob es neben Medizin- und Pflegepersonal auch Juristen brauche, „kann man durchaus diskutieren“, sagt er. Wichtiger findet er allerdings Sicherheitsfragen. In der letzten Beiratssitzung sei zum Beispiel diskutiert worden, wie man die Einschleusung von Drogen in die Klinik besser unterbinden könne. Das Problem habe zugenommen.

Zuletzt war bekannt geworden, dass die mutmaßlichen Geiselnehmer nach eigenen Angaben Drogen konsumiert haben sollen, bevor sie am 17. August 2024 einen Pflegehelfer überwältigt und sich so den Weg aus der Straubinger Klinik erpresst haben. Ihre Klinikzimmer wurden nach dem Ausbruch vollständig gereinigt, bevor die Polizei Spuren sichern konnte. Die Staatsanwaltschaft Regensburg geht von einem Missverständnis aus.

Es könne „nicht offen über Probleme gesprochen werden“, beklagt der Grünen-Abgeordnete Schuberl

Während sich auch das Sozialministerium in seinem Gesetzentwurf auf die Sicherheit der Kliniken konzentriert, beklagt die Opposition im Landtag eine mangelnde Auseinandersetzung mit den Ursachen der Geiselnahme in Straubing. „Die Söder-Regierung hat keine Fehlerkultur“, kritisiert der niederbayerische Grünen-Abgeordnete Toni Schuberl, der zahlreiche Anfragen an die Staatsregierung zu den Vorgängen in den Bezirkskrankenhäusern Straubing und Mainkofen gestellt hat. „Das wirkt runter bis in die Behörden, wo nicht offen über Probleme gesprochen werden kann, und dann kommt es zu solchen gefährlichen Vorfällen.“

Erst kürzlich ereigneten sich am Straubinger Bezirkskrankenhaus weitere Vorfälle: Anfang August verschwand ein 34-jähriger Patient bei einem Ausgang, er ist laut Polizei noch nicht wieder aufgetaucht. Von ihm soll offiziellen Angaben zufolge keine Gefahr ausgehen, er sei vermutlich ins Ausland geflüchtet. Ein weiterer Patient nahm sich laut Polizei am Abend des 7. August in seinem Zimmer das Leben.

Der Bezirk Niederbayern, Träger des BKH Straubing, will auf Anfrage dazu keine Auskunft geben. Beiratsvorsitzender Zellmeier sagt, dass sich Tragödien wie diese leider nie vollständig verhindern lassen würden. Er will nach der Sommerpause eine Sprechstunde für Patienten organisieren, um sich über die Situation zu informieren.

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