Wird Chloe Malle die neue Vogue-Chefin? | ABC-Z

Stand dieser Auftritt womöglich am Anfang der Idee? In „And Just Like That“, der Nachfolgeserie von „Sex and the City“, spielt Candice Bergen wieder die „Vogue“-Chefin mit dem kantigen Namen Enid Frick. Die Hauptfigur Carrie hatte in „Sex and the City“ erst ihre Schwierigkeiten mit der eiskalten Chefredakteurin. Aber zum Schluss bot ihr Enid Frick für die bevorstehende Hochzeit mit Mr. Big ein Shooting für die Zeitschrift an, wenn auch nur für die Brautausgabe, über die Modekenner lächeln.

Hat die Fiktion wieder einmal die Fakten vorweggenommen? Nur dass nicht Candice Bergen, die 79 Jahre alte amerikanische Schauspielerin, als Nachfolgerin von Anna Wintour bei der „Vogue“ vorgesehen ist, sondern ihre Tochter Chloe Malle. Laut „New York Post“ sind die Kandidatinnen Nicole Phelps (Chefin von „Vogue Runway“) und die Instagram-Mode-Chefin Eva Chen schon nicht mehr im Rennen um den begehrtesten Posten in der Welt der Modemagazine. Stattdessen könnte die 39 Jahre alte Malle aufsteigen, Redakteurin der Website vogue.com. Offiziell mit­geteilt werden soll die Personalie aber erst zur New York Fashion Week, die am 11. September beginnt.

Es wäre ein logischer Schritt. Denn Chefredakteurin der amerikanischen „Vogue“ wird man nicht einfach so. Der familiäre Hintergrund ist in den feineren Kreisen an der amerikanischen Ostküste noch immer entscheidend, erst recht bei Anna Wintour, die als Tochter eines Chefredakteurs und Förderin von vielen „nepo babys“ einen Instinkt hat für Menschen, die nicht einfach nur durch Leistung überzeugen.

In dieser Hinsicht überzeugt Chloe Malle sofort. Ihre Mutter ist in Dutzenden Filmen und Serien aufgetreten, wurde für den Oscar nominiert und erhielt zwei Golden Globes. Ihr Vater Louis Malle, mit dem Candice Bergen von 1980 bis zu seinem Tod 1995 verheiratet war, gehörte seit den Fünfzigerjahren mit Filmen wie „Fahrstuhl zum Schafott“ (1958), „Atlantic City“ (1980) und „Auf Wiedersehen, Kinder“ (1987) zu den wichtigsten französischen Regisseuren. Ihrer einzigen Tochter gaben sie den Namen Chloe Françoise – außer der Liebe zu Frankreich zeugt das womöglich auch schon von stilistischem Raffinement, denn Chloé ist eine der wichtigsten Pariser Modemarken.

Chloe Malle steht für einen konservativen New Yorker Modestil mit starkem französischem Einfluss. Die Hochzeit mit ihrem Mann Graham Albert hat sie 2015 im väterlichen Herrenhaus Le Coual nördlich von Toulouse gefeiert. Dort hat sie schon als Kind ihre Sommer verbracht, und in diesem Jahr war sie mit Mann und den beiden gemeinsamen Kindern dort. Fachlich ist sie nicht nur als Online-Chefin ausgewiesen, sondern auch als Podcasterin („The Run-Through with Vogue“) und als Autorin, die zum Beispiel ein großes Stück über Lauren Sanchez vor deren großer Hochzeit mit Jeff Bezos geschrieben hat. Nicht zuletzt: Welche amerikanische Modejournalistin spricht schon Französisch?

Für Anna Wintour wäre es eine logische Nachfolgerin. Denn von ihrem alten Freund Karl Lagerfeld wird „Nuclear Wintour“ gelernt haben, dass man am besten als Legende überlebt, wenn die Nachfolgerin das eigene Lebenswerk nicht überstrahlt. Virginie Viard, die er protegierte, musste in ihren fünf Jahren bei Chanel als seine Nachfolgerin letztlich scheitern. Und für Chloe Malle wird der neue Job schon deswegen eine schwere Prüfung, weil Wintour ihr und dem Verlag Condé Nast als „Global Editorial Director“ und „Chief Content Officer“ erhalten bleibt.

Was noch schwerer wiegt: Der Übergang fällt ausgerechnet in eine Zeit, in der die „Vogue“ an Auflage und Anzeigenumsatz einbüßt. Michael M. Grynbaum hat gerade unter dem Titel „Empire of the Elite“ einen wortgewaltigen Abgesang auf die verkrampft glamouröse Kultur des Verlags Condé-Nast geschrieben. Der Medienjournalist der „New York Times“ macht für die Printkrise die sozialen Medien verantwortlich: „Unsere heutige Instagram-Kultur, retuschiert, voller Markennamen und geprägt von der ,fear of missing out‘, in der hübsche Menschen an hübschen Orten hübsche Dinge tun, ohne dass man selbst dabei wäre, ist eine Do-it-yourself-Nachbildung des Universums, das die prominenten Redakteure von Condé Nast Monat für Monat, Jahr für Jahr sorgfältig geschaffen haben.“

Tröstlich immerhin für Chloe Malle, die mit ihrem persönlichen Instagram-Account auf 50.000 Follower zusteuert, dass sie diese schöne neue Welt längst von innen kennt.