Verbraucherschützer gehen gegen Gebühren für Handgepäck vor | ABC-Z

AUDIO: Verbraucherschützer klagen gegen Handgepäck-Gebühren (4 Min)
Stand: 11.08.2025 07:25 Uhr
Wie groß und schwer ein Handgepäckstück sein darf, ist stets abhängig von der jeweiligen Fluggesellschaft. Damit soll nach dem Willen der Verbraucherzentrale Bundesverband Schluss sein. Sie hat sich nun einer europaweiten Aktion angeschlossen und verklagt Fluggesellschaften wegen unzulässiger Handgepäck-Gebühren.
Eine Tasche, die sicher für alle Airlines passt? Fehlanzeige – es sei denn, sie ist wirklich sehr klein. Und wer schon mal ein zu großes oder schweres Gepäckstück mit an Bord nehmen wollte und dabei erwischt wurde, weiß: Das kann teuer werden.
Zustimmung von Reisenden am Hamburger Flughafen
In den langen Schlangen vor der Sicherheitskontrolle am Hamburg Airport hat kaum jemand nur ein kleines Handgepäck dabei. Welche Größe je nach Fluglinie und Tarif zulässig ist, beschäftigt die Reisenden. “Je öfter man fliegt, desto eher weiß man, worauf man sich einlässt, aber teilweise ist es schon nervig und stressig, gerade wenn man unter Zeitdruck steht”, sagt eine Urlauberin. Und ein junger Mann gibt zu bedenken: “Wenn es verschiedene Größen gibt, kann es schnell zu Verwirrung kommen. Denn man fliegt ja nicht immer mit derselben Airline, sondern guckt, was einem gerade vor allem von den Kosten her am ehesten zuspricht.” Der Wunsch: ein einheitlicher Preis, damit es zu keinen Missverständnissen kommt.
Verbraucherschützer: Handgepäck-Regelungen sind verwirrend
Europaweit sind Verbraucherschützer nun mit Musterverfahren gegen einige Fluggesellschaften vor Gericht gezogen. Die Verbraucherzentrale Bundesverband hat sich der Aktion angeschlossen. Ziel sei mehr Transparenz bei den Handgepäck-Gebühren für Reisende. “Unseres Erachtens nach ist es verwirrend, wenn jede Airline andere Gepäck-Regelungen hat”, sagt Verbraucherschützerin Kerstin Hoppe im Gespräch mit NDR Info. Die Airlines würden durch dieses Geschäftsmodell sehr viel Geld dazuverdienen. Wenn man ein Gepäckstück online dazubuche, sei es noch halbwegs bezahlbar. Wer aber erst am Gate feststelle, dass das Handgepäck die erlaubten Maße überschreitet, für den werde es richtig teuer: “Dann ist man in einer richtigen Drucksituation, dass man womöglich 60 bis 80 Euro nachzahlen muss oder nicht an Bord gehen kann oder das Gepäckstück dalassen muss.”
Klagen gegen Easyjet, Wizz Air und Vueling Airlines
Deshalb hat die Verbraucherzentrale insgesamt sieben Airlines abgemahnt. Gegen Easyjet, Wizz Air und Vueling Airlines laufen sogar bereits Klagen. “Ein Schlagwort ist quasi unlauterer Wettbewerb und das andere Schlagwort: Es gibt eine europäische Vorschrift dazu, wie Preise angegeben werden müssen”, erläutert Rechtsexpertin Hoppe. Der Europäische Gerichtshof hat bereits vor Jahren verkündet, dass “notwendiges Handgepäck” kostenfrei transportiert werden müsse. Aus Sicht der Verbraucherschützer benötigen Passagiere an Bord mehr als das, was derzeit bei den abgemahnten Fluglinien als kostenloses Handgepäck zulässig ist.
Billig-Airlines werben mit Flugpreisen, die aber nicht das gesamte “angemessene” Handgepäck umfassen. Das sei Verbrauchertäuschung und verstoße gegen geltendes Recht, erklärt auch die Verbraucherzentralen-Vorständin Ramona Pop in einer Pressemitteilung. “Das Handgepäck, was sie anbieten, ist in der Regel zu klein, zu gering und man muss draufzahlen.” Durch Regelungen würden Flugpreise besser vergleichbar, führt Hoppe aus.
Fluglinien argumentieren mit Wahlmöglichkeit
Die Fluggesellschaft Easyjet dagegen erklärt schriftlich, dass sich immerhin 40 Prozent ihrer Passagiere mit dem kostenlosen Handgepäck zufriedengeben würden. Wie Easyjet betont auch der Bundesverband der Deutschen Luftverkehrswirtschaft im Gespräch mit NDR Info, dass Reisende von der Wahlmöglichkeit profitieren würden. Pressesprecherin Carola Scheffler spricht sich deshalb auch gegen einen einheitlichen Standard aus: “Eine Vereinheitlichung der Gepäckregeln würde den Passagieren die Möglichkeit nehmen, das Gepäck individuell auf ihre jeweilige Reise abstimmen zu können und letztlich nur für das zu bezahlen, was benötigt wird.”
Die Airlines würden den Passagieren Tarife mit unterschiedlichem Preisniveau und verschiedenen Handgepäck-Optionen anbieten – und in den Buchungsprozessen sei genau ersichtlich, welche Abmessungen das Gepäck haben darf, was man bucht und was kostenlos ist. Das gelte zumindest für die deutschen Airlines, die ihr Branchenverband vertritt, sagt Scheffler.
Hamburg Airport: Nicht weniger Arbeit durch einheitliche Handgepäck-Vorgaben
Ein für alle Fluglinien gleichermaßen geltendes Standard-Maß könnte also Vor- und Nachteile für die Reisenden bedeuten. Für den Hamburger Flughafen würde es im Übrigen keine Arbeitserleichterung mit sich bringen, sagt der stellvertretende Pressesprecher Philipp Wolf NDR Info. Die Kontrolle der zulässigen Größe erfolge an den Gates und liege somit in der Hand der jeweiligen Airline.
Zu wenig Platz für mehr oder größeres Handgepäck?
Ein weiteres Argument der Fluglinien für ihre individuellen Regelungen von Größe und Anzahl der Handgepäck-Stücke: der begrenzte Platz in der Kabine. Verbraucherschützerin Hoppe findet das wenig einleuchtend: “In all den Fällen, in denen ich abgemahnt habe, war immer ein kleines Gepäckstück frei und man konnte ein größeres dazu buchen und bezahlen. Und wenn die Airline das selber anbietet, bedeutet das ja auch, dass man beide Gepäckstücke mitnehmen dürfte.”
Eine andere Position nimmt ein Geschäftsreisender am Hamburg Airport ein: “Ich fliege beruflich 50 bis 60 Mal im Jahr und mich nervt immer, wie vollgestopft die Gepäckablage-Fächer sind. Vor allem im Winter, wenn es matschig ist und die schmutzigen Räder der Trolleys dort sind, wo man seinen Mantel reinlegt.” Von daher würde er es begrüßen, wenn es deutlich mehr kosten würde, zusätzliches Handgepäck mitzunehmen. Im Gegenzug könnte seiner Meinung nach aufzugebendes Gepäck günstiger werden.
Verbraucherzentrale geht noch nicht gegen deutsche Billig-Airlines vor
Gegen deutsche Billig-Airlines wie Condor und Eurowings hat die Verbraucherzentrale bisher noch keine Musterverfahren angestrengt. Das könnte aber durchaus noch kommen, sagt Rechtsexpertin Hoppe. Ob und wann die Handgepäck-Vorgaben tatsächlich neu geregelt werden, ist noch nicht abzusehen. Doch was die Klagen der Verbraucherzentrale angeht, ist Kerstin Hoppe zuversichtlich: “Ich rechne in einem halben Jahr mit den ersten Entscheidungen.” Flugreisende, die von den jetzigen Handgepäck-Regeln genervt sind, müssen sich also wohl noch etwas gedulden.