Düsseldorf erklärt sich zum Fall Weissman – und macht den Fehlstart perfekt – Sport | ABC-Z

Manchmal muss ein Fußballverein der Öffentlichkeit erklären, warum er einen Spieler nicht verpflichten konnte. Zum Beispiel der FC Bayern neulich. Er hatte den Leverkusener Florian Wirtz holen wollen, doch der entschied sich für den FC Liverpool. Dadurch geriet der FC Bayern, der sonst fast alle Spieler kriegt, in Erklärungsnot.
Aber es geht auch ungewöhnlicher: Am Freitag musste der Zweitligist Fortuna Düsseldorf der Jüdischen Gemeinde Düsseldorf erklären, warum er den israelischen Stürmer Shon Weissman kurzfristig nicht verpflichtet hat, obwohl er diesem bereits den Medizincheck abgenommen hatte. Die Bild hatte über die bevorstehende Verpflichtung berichtet, daraufhin gingen im Internet frühere Forderungen des Fußballers nach der Zerstörung Gazas viral, woraufhin wiederum der Verein kurzfristig darauf verzichtete, den 29-Jährigen vom spanischen Zweitligisten FC Granada unter Vertrag zu nehmen.
Meinung
:Diesen israelischen Stürmer muss Fortuna Düsseldorf nicht verpflichten
Drei Tage lang zögerte der Klub, in dieser äußerst sensiblen Angelegenheit die Gründe für den Rückzieher offen und ehrlich darzulegen. Erst am Freitagabend, nach einem Gespräch mit der Jüdischen Gemeinde und dem Antisemitismusbeauftragten der Stadt Düsseldorf, veröffentlichte der Klub auf seiner Internetseite eine Stellungnahme.
Die Jüdische Gemeinde habe in dem Gespräch zum Ausdruck gebracht, dass die Fortuna „in einer Zeit zunehmenden israelbezogenen Antisemitismus“ ungewollt Zeichen gesetzt habe, die für die jüdische Gemeinde problematisch seien. Die Fortuna schrieb dazu, sie bedauere sehr, dass es zu Irritationen gekommen sei und erklärte: „Leider ist aus einem eigentlich unpolitischen Vorgang, einen Spieler zu verpflichten, ein Politikum geworden.“ Man habe aber festgestellt, dass Weissmans in den sozialen Medien getätigte Aussagen und der anschließende Umgang damit nicht mit den Werten des Klubs in Einklang zu bringen waren. „Die abschließende Bewertung aller Informationen und unsere Gespräche mit Shon Weissman haben schließlich zu der Entscheidung geführt, ihn nicht zu verpflichten.“
„Sportlich fehlt mir aktuell ein Stürmer in meinem Kader“, sagt Trainer Thioune
Eine im Internet angefachte Debatte, ob das Fortuna-Vorgehen als antisemitisch einzuschätzen sei, bezeichnete der Vorstand Klaus Allofs am Samstag vor dem Heimspiel gegen Hannover 96 bei Sky als „absurd“: „Warum hätten wir uns dann überhaupt mit einem jüdischen Fußballer beschäftigen sollen?“, fragte Allofs rhetorisch. Man habe Weissman erst kennenlernen und zu bestimmten Themen persönlich sprechen wollen und habe sich erst daraufhin und ohne sich rein auf „Vorurteile“ beschränken zu wollen gegen eine Verpflichtung entschieden.
Auch der Fortuna-Trainer Daniel Thioune war im Laufe der Woche von Medien gefragt worden, wie er die Nichtverpflichtung Weissmans bewerte, aber er antwortete darauf rein fußballfachlich: „Sportlich fehlt mir aktuell ein Stürmer in meinem Kader.“
Am Samstag stand für Düsseldorf das erste Heimspiel der neuen Zweitliga-Saison auf dem Programm. Eine Woche zuvor hatte man das Auftaktspiel beim Aufsteiger Arminia Bielefeld mit 1:5 verloren, so dass dem Spiel gegen Hannover nun schon aus zwei Gründen eine besondere emotionale Bedeutung zugekommen war. Aber auch in diesem Spiel war das Fehlen eines (erfolgreichen) Stürmers ersichtlich. Sechs Zugänge standen in der Düsseldorfer Startelf und mit der Freiburger Leihgabe Florent Muslija wurde ein weiterer relevanter Zugang eingewechselt. Doch auch dieses Spiel verlor die Fortuna. Bei der 0:2 (0:0)-Niederlage trafen für Hannover Boris Tomiak per Foulelfmeter (65.) und Benjamin Källman (87.). Damit ist der Düsseldorfer Saisonfehlstart perfekt.
Die Fortuna geht in ihr sechstes Zweitligajahr
„Zu wenig Energie in der zweiten Halbzeit“, hat Fortuna-Torwart Florian Kastenmeier gesehen. „Das war offensiv zu wenig, und defensiv haben wir zu viel zugelassen.“ Das nächste Zweitligaspiel steht in zwei Wochen beim SC Paderborn an. „Wir werden jetzt nicht den Kopf in den Sand stecken“, sagte nach dem Spiel der Linksverteidiger Moritz Heyer, „wir sollten langsam in den Flow kommen“. Die Debatten um Weissman mochte Heyer nicht als Ausrede für eine alles in allem maue Leistung der Mannschaft gelten lassen.
Fünf der neun besten Fortuna-Scorer aus der vergangenen Saison spielen jetzt bei anderen Klubs, auch die beiden besten Torschützen Dawid Kownacki (jetzt Hertha BSC) und Isak Johannesson (jetzt 1. FC Köln). Weissman hätte eine Misere bekämpfen helfen sollen, die nach seinem geplatzten Transfer umso deutlicher zutage trat.
Vor fünf Jahren ist die Fortuna aus der Bundesliga abgestiegen. Seither hat sie fünfmal vergeblich versucht, dorthin wieder aufzusteigen. Jetzt kommt der sechste Anlauf. Auch in dieser Saison führt der Klub seine Aktion „Fortuna für alle“ fort und bietet diesmal Gratistickets für fünf Heimspiele an: am 30. August gegen den Karlsruher SC, Ende November gegen den 1. FC Magdeburg, kurz vor Weihnachten gegen die SpVgg Greuther Fürth, Ende Januar gegen den SC Paderborn und Mitte April gegen Holstein Kiel. Diese Aktion gilt dem Klub auch als ein Zeichen jener Fan- und Volksnähe, die nach Protesten einiger Fangruppen gewissermaßen mitentscheidend gewesen ist beim Verzicht auf die Verpflichtung von Weissman.