Darum zahlen Menschen im Hasenbergl viel mehr für den Müll als in der Innenstadt | ABC-Z

Eigentlich hatte sie die 400 Euro für einen Besuch bei ihren Enkeln in Niederbayern eingeplant, erzählt Elfriede Krojer (62). “Aber dann musste ich ihnen sagen: Nein, die Oma kann leider doch nicht kommen. Sie hat kein Geld.”
Wofür sie es ausgab? Im Mai bekam sie einen Brief ihres Vermieters, der Münchner Wohnen, das ist die städtische Wohnungsbaugesellschaft. Krojer sollte 493 Euro für ihre Betriebskosten nachzahlen, also nicht für die Heizung, sondern für Hausmeister, das Licht im Treppenhaus und die Müllabfuhr.
Für die Rentnerin war das ein Schock. Seit 2018 lebe sie in dem Haus an der Kämpferstraße im Harthof und immer habe sie für die Betriebskosten zwischen 30 und 60 Euro nachgezahlt. Und jetzt plötzlich fast 500? Krojer konnte sich das nicht erklären.
Sie wandte sich an Christian Schwarzenberger von der Linken, der in ihrem Viertel geholfen hatte, falsche Heizkostenabrechnungen zu korrigieren.

© Daniel Loeper
von Daniel Loeper
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Es stellte sich heraus: Krojers Betriebskostenabrechnung war falsch. Rund 100 Euro stellte die Münchner Wohnen allen Bewohnern zu viel in Rechnung. Diesen Fehler gibt die Münchner Wohnen zu. 391 Euro musste Elfriede Krojer trotzdem bezahlen. Der Besuch bei den Enkeln war damit gestrichen.
Wer in Schwabing lebt, zahlt nicht mal halb so viel
Zu Ende ist Krojers Geschichte damit allerdings noch nicht. Denn Schwarzenberger und andere Mitglieder der Linken prüften nicht nur ihre Abrechnung, sondern (nach eigenen Angaben) über 200 im ganzen Münchner Norden, alle von städtischen Wohnungen.
Dabei fiel der Linken auf: Die Kosten für den Müll sind im Harthof und auch im Hasenbergl, wo eher ärmere Münchner leben, mehr als doppelt so hoch wie in der Innenstadt. Die Dokumente, die Die Linke sammelte, zeigen: Während ein Haushalt in Schwabing knapp 400 Euro im Jahr für den Müll zahlt, sind es in diesen Vierteln über 600 bis 900 Euro.

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von Martha Schlüter
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Wie kommt das? Um das zu erklären, veranstalteten Christian Schwarzenberger und Theo Glauch von der Linken eine Pressekonferenz in einem Stadtteilcafé im Hasenbergl, wo die Stadt endet, wo hinter den Wohnblocks nur noch Wiese und dann die Autobahn kommt.
Der Vermieter darf die Müllkosten umlegen
Grundsätzlich sind die Müllgebühren pro Tonne in ganz München gleich. Diese werden nicht vom Vermieter festgelegt, sondern vom AWM. Der Vermieter darf diese Kosten auf die Mieter umlegen. Wer wie viel bezahlt, hängt damit zusammen, wie groß die Wohnung ist.
Die Linke verglich Abrechnungen der Münchner Wohnen in verschiedenen Vierteln. Ihr Ergebnis: In Schwabing zahlte ein Haushalt 2,30 Euro pro Quadratmeter Wohnfläche. Im Harthof 5,20 Euro pro Quadratmeter. Der Rekord liegt laut der Linken im Hasenbergl: 13,30 Euro pro Quadratmeter Wohnfläche, also sechsmal so viel wie in Schwabing.
Ein Grund ist, dass in diesen Wohnblöcken mehr Tonnen stehen, die häufiger geleert werden. An der Ittlingerstraße im Hasenbergl stehen laut der Linken pro Wohnung doppelt so viele Tonnen wie in Schwabing, die noch dazu doppelt so oft abgeholt würden. Macht viermal so viele Abholungen, also viermal so hohe Kosten.
Eine Bewohnerin, die ihren Namen lieber nicht in der Zeitung lesen will, erzählt, dass viele der Tonnen allerdings nicht gebraucht würden, sondern leer blieben. Sie zahle inzwischen 330 Euro mehr im Jahr für den Müll als noch 2019. “Für mich ist das sehr viel”, sagt sie.
Mehr Tonnen sind nicht der einzige Grund für die höheren Kosten. Das liegt auch am Sperrmüll.
Betten, Schränke, Matratzen, alles Mögliche werde auf die Straße gestellt. “Und jeden Montag kommt ein orangener Wagen und klaubt alles zusammen”, erzählt Annemarie Wagner. Ein anderer Bewohner erzählt von Waschmaschinen und Autoreifen, die irgendwer im Viertel ablege. Wer, wissen beide nicht – nur, dass sie es selbst nicht sind, aber trotzdem dafür zahlen müssen.

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Die Linke fand heraus: Für den Sperrmüll im Hasenbergl hat die Münchner Wohnen ein privates Unternehmen beauftragt. Dieses verlange 75 Euro pro Kubikmeter. Der AWM will 20 Euro pro Kubikmeter (plus eine Anfahrtspauschale von 50 Euro).
Schwarzenberger und Theo Glauch fordern deshalb, dass für die Sperrmüll-Entsorgung keine privaten Unternehmen zuständig sein sollten. Sie finden: “Mit den Nebenkosten von Mietern sollte niemand Profite machen dürfen.” Elfriede Krojer sagt, dass sie mehr als dreimal so viel für den Müll zahlt wie jemand in Schwabing, sei eine “bodenlose Frechheit”. “Bin ich denn weniger wert?”, fragt sie.
Die Anzahl der Tonnen sei keine Willkür
Wie erklärt die Münchner Wohnen das Ganze? Ein Sprecher antwortet: “Die Anzahl der Tonnen und deren Leerungsfrequenz richten sich nach dem tatsächlichen Müllaufkommen. Dieses wiederum hängt maßgeblich vom Verhalten der Bewohner*innen ab.” Falsche Mülltrennung, überfüllte Tonnen, missbräuchliche Nutzung würden zu zusätzlichen Leerungen führen – und damit zu mehr Kosten.

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Auch die Münchner Wohnen nennt den Sperrmüll ein Problem. In zwei Straßen mache dessen Entsorgung 20 Prozent der Kosten aus. Eine “24-Stunden-Überwachung all unserer Liegenschaften” sei allerdings unmöglich.
Nicht nur in Häusern der Münchner Wohnen zahlen Menschen im Hasenbergl mehr für den Müll. Eine Sprecherin der Dawonia teilt mit: In ihren Anlagen im Hasenbergl zahlen die Bewohner im Schnitt sechs Euro pro Quadratmeter Wohnfläche, in der Innenstadt zwei. Auch hier sei der Sperrmüll ein Auslöser. “Wir versuchen die Müllkosten jetzt durch neue Unterflur-Container runterzukriegen”, sagt die Sprecherin. Für die braucht man einen Code. Das soll verhindern, dass einfach irgendwer dort Müll ablegt.