Handball: DYN mit starken Zahlen – Stefan Kretzschmar hofft auf FC Bayern im Handball | ABC-Z

Handball in Deutschland boomt. Die Kooperation der Liga mit dem Streaminganbieter Dyn zahlt sich aus. Legende Stefan Kretzschmar sieht großes Potenzial. Und hat Mitleid mit den Spielerinnen des Krisenklubs HD Ludwigsburg.
Der Handball in Deutschland entwickelt sich enorm positiv. Zu diesem Schluss kamen Größten des Sports bei einem Zusammentreffen auf einem Termin des Sport-Streaming-Unternehmens Dyn (gehört wie WELT zur Axel Springer SE) Donnerstagmittag in München.
Stefan Kretzschmar berichtete, der Deutsche Handball-Bund (DHB) habe „so viele Mitglieder wie nie“. Es seien derzeit rund 750.000. Und Christian Seifert, Gründer und Gesellschafter von Dyn, stellte fest, dass das Interesse am Handball und den weiteren von Dyn übertragenen Sportarten gestiegen ist. Beim Handball seit 2022 um 8,3 Prozent, wie Seifert in einer Präsentation darlegte. In Deutschland interessieren sich demnach 27,7 Millionen Menschen für Handball. Der Sport sei nach Fußball die Liga-Sportart Nummer zwei in Deutschland.
Dyn überträgt seit zwei Jahren unter anderem die Spiele der deutschen Handball-Bundesliga, zudem Basketball, Volleyball, Tischtennis und Hockey. Seifert sieht das Vorhaben, „mit Dyn die Werte des Sports in die Gesellschaft zu tragen“, als erfolgreich gestartet an. „Die Kundenzufriedenheit kommt an die von Netflix ran“, sagte der ehemalige Chef der Deutschen Fußball-Liga (DFL). „Handball ist on the rise“, der Handball sei auf dem Vormarsch. Die deutsche Liga sei die stärkste Liga der Welt. Jetzt gelte es, die positive Entwicklung gemeinsam fortzusetzen, denn man sei noch nicht am Ziel.
Dem Sender sei es mit der Liga und den Verbänden in den vergangenen Jahren gelungen, die Wahrnehmung des Sports zu fördern und zu stärken. Man habe Strukturen gestärkt und die Klubs so ausgestattet, dass sie ihre Marken stärken können. Zudem hat Dyn sein Rechte-Portfolio erweitert.
„Die Aufgabe macht mir jeden Tag Spaß“, sagte Seifert über seinen Job und die Entwicklung mit Dyn. „Es ist ein Mittelstreckenlauf. Wir sind gerade erst gestartet.“ Die Zuschauer-Quoten bei Topspielen liegen zwischen 100.000 und 200.000. Zehn Prozent der Netto-Abogebühren von Dyn kommen dem Handball-Nachwuchs in Deutschland zugute, dieses Programm ist Seifert enorm wichtig.
Kretzschmar lobte Dyn als „überragend.“ Es sei die beste Plattform, die der Handball je gehabt habe. „Wir haben viel vor“, sagte der ehemalige Nationalspieler und heutige Sportvorstand des deutschen Meisters Füchse Berlin: „Wir sind nicht der Altherren-Sport.“ Viele junge Menschen würden auf die Spieler zukommen und die Spiele verloren. Im deutschen Handball gebe es viele interessante Spieler, so Kretzschmar.
DFL beteiligt sich an Dyn
Auch Trainer Bennet Wiegert vom Champions-League-Sieger SC Magdeburg kam zu dem Termin nach München. Er sagte über den Push, den Dyn der Sportart Handball gegeben habe: „Die Grenzen kann ich noch nicht richtig erkennen. Und das ist schön.“
Dyn weitete zuletzt seinen Gesellschafterkreis aus: Die Unternehmen der Schwarz Gruppe sowie die DFL haben eine Einigung über die Beteiligung an dem Unternehmen im Zuge einer Kapitalerhöhung erzielt. Das Engagement der Schwarz Gruppe beläuft sich auf einen Anteil von rund 42,5 Prozent. Ein Anteil in gleicher Höhe verbleibt bei Axel Springer. Die DFL hält künftig einen Anteil von rund 6,5 Prozent. Drittgrößter Gesellschafter ist somit Gründer Christian Seifert mit rund neun Prozent. Der Abschluss der Transaktion steht unter dem Vorbehalt der behördlichen Genehmigungen.
Kretzschmar würde ein verstärktes Handball-Engagement des FC Bayern sehr begrüßen. „Wenn jemand dort ein Handball-Herz für sich entdeckt, wäre es ein unheimlicher Gewinn für die Sportart“, sagte er.
Es sei ja nicht so, „dass wir es noch nie probiert oder noch nie angefragt oder uns noch nie damit beschäftigt hätten, dass der FC Bayern, nachdem er sich für den Basketball entschieden hat, sich eventuell auch für Handball interessieren könnte“, so der 52-Jährige. Der FC Bayern sei „ein unfassbar geführter Klub, der Möglichkeiten besitzt, so was anschieben, so was initiieren zu können“.
Vorbild FC Bayern Basketball
Auch Trainer Wiegert ist von einem Handball-Standort München angetan. „Ob ich es mir wünschen würde? Ob es zur Attraktivität der Liga beitragen könnte? Hundertprozentig. Davon bin ich überzeugt“, sagte er. Wiegert schränkte allerdings ein: „Ich weiß aber auch, wie schwer sich das Ganze darstellt.“
Vorbild könnte das vor etwa 15 Jahren vom damaligen Vereinschef Uli Hoeneß angeschobene Engagement des deutschen Fußball-Rekordmeisters im Basketball sein. In den vergangenen elf Jahren gewannen die Basketballer der Bayern fünfmal die Deutsche Meisterschaft.
Um München als Handball-Standort interessanter zu machen, wird der Supercup der Männer und Frauen am 23. August im SAP Garden ausgetragen. Bei den Männern trifft Meister Füchse Berlin auf den deutschen Pokalsieger THW Kiel.
Bei den Frauen spielt der Bundesliga-Dritte HSG Blomberg-Lippe gegen den European-League-Gewinner Thüringer HC. Der deutsche Meister und Pokalsieger HB Ludwigsburg hatte vor wenigen Wochen Insolvenz angemeldet und wurde durch den THC ersetzt. Die Spielerinnen müssen sich nun wohl mitunter neue Vereine suchen: Am vergangenen Montag hatten die Verantwortlichen die Mannschaft darüber informiert, dass die Finanzierung der kommenden Bundesliga-Spielzeit nicht gesichert sei. Die Spielerinnen – darunter viele Nationalspielerinnen – sind nun nicht mehr an ihre Verträge gebunden.
Seifert sagte dazu: „Grundsätzlich tut es mir wahnsinnig leid für die Spielerinnen. Wir haben bald eine WM in Deutschland. Und kurz vor der Saison erfahren einige Nationalspielerinnen, dass sie gar kein Klub mehr haben. Das ist schon fast tragisch.“
Er denke daher in erster Linie an die Spielerinnen und die Angestellten, es gehe auch um Jobs: „Für die Betroffenen ist das sehr bedauerlich.“ Dass der ein oder andere Klub nun fragt, wie es so weit kommen konnte, verstehe er. Es tue ihm auch für die Liga leid, der Klub sei ein Aushängeschild der Liga gewesen. „Auf der anderen Seite: Wenn ein Standort finanziell nicht in der Lage ist, Profihandball zu spielen, dann ist er es halt nicht“, betonte Seifert: „Wenn es nicht jetzt passiert wäre, wäre es nächstes Jahr passiert.“ Das zeige, wenn man so wolle, generell die Gefahr der Abhängigkeit von wenigen Sponsoren oder Mäzenen.
„Das ist tragisch“, sagte Wiegert zu den Folgen de Vorgänge in Ludwigsburg für die Spielerinnen und das Trainerteam. „Das tut mir auch für meinen Trainerkollegen sehr weh.“ Und Kretzschmar sagte: „Es tut mir wahnsinnig leid.“
Julien Wolff ist Sportredakteur. Er berichtet für WELT seit vielen Jahren aus München über den FC Bayern und die Nationalmannschaft sowie über Fitness und Themen aus der internationalen Sportszene.