Lausitz: Kühler Radweg für wärmere Zeiten – Auto & Mobil | ABC-Z

Ziemlich erfolgreich muss irgendjemand irgendwann das Gerücht in die Welt gesetzt haben, der Sommer sei die beste Zeit zum Radfahren. Und so wird gerade geradelt, was das Zeug hält, zum Biergarten, zum Schwimmbad, die Flüsse entlang und die Berge rauf und runter. Was auch nur im Entferntesten den Anschein erweckt, zwei Räder zu haben, wird aus dem Keller gezerrt, quietschende Antiquitäten konkurrieren mit Carbon-Rennmaschinen und Lastenrädern voller Ferienkinder um die raren Zentimeter Radweg.
Dabei ist das Fahrrad, bei Sonnenlicht betrachtet, als Fortbewegungsmittel ziemlich untauglich für die wärmsten Monate des Jahres. Es hat keine Klimaanlage und einen Sattel, der in der Radelpause schnell mal auf Herdplatten-Temperatur hochkocht. Der Helm klebt die Sommerfrisur unrettbar auf die Kopfhaut, das Ergebnis geht nicht einmal mehr als angesagter Sleek Look durch. Und mit Radfahrerteint – Arme und Beine gebräunt, der Rest käsig – sieht man am Strand auch nur so mittelsexy aus.
Eine Meldung allerdings lässt aufhorchen in all dem Ungemach: In der Lausitz wurde unlängst die „kühle Spur“ eröffnet, Deutschlands erster an den Klimawandel angepasster Radweg. 30 Kilometer ist er lang, liegt abseits befahrener Straßen und nah an Badeplätzen. In der Lausitz entsteht nämlich dort, wo früher Braunkohle abgebaut wurde, Europas größte von Menschenhand geschaffene Wasserlandschaft. Entwickelt wurde der Radweg von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern als Gemeinschaftsprojekt des Leibniz-Zentrums für Agrarlandschaftsforschung und der Technischen Universität Cottbus-Senftenberg. Das Ziel: In einem Modellprojekt zu zeigen, wie Fahrradwege auszugestalten sind, um sie an den Klimawandel anzupassen. Damit sich die Menschen auch dann noch aufs Rad setzen, wenn’s heiß ist. Weil das ja nur gut wäre fürs Klima.
Man könnte es durchaus als Akt ausgleichender Gerechtigkeit werten. Schließlich sind Radfahrer neben Fußgängern diejenigen, die sich am klimafreundlichsten fortbewegen. Wer statt des Autos das Fahrrad nimmt, spart nach Berechnungen des Umweltbundesamts pro Kilometer 166 Gramm Treibhausgas-Emissionen. Klingt wenig, summiert sich aber bei einem täglichen Arbeitspendelweg von fünf Kilometern auf 365 Kilogramm pro Jahr.
Für den klimaresilienten Radweg in der Lausitz hat man einigen Aufwand betrieben. Man ließ Drohnen aufsteigen, um herauszufinden, wo es wärmer und wo kühler ist und welchen Effekt Wälder, Baumreihen und Hecken haben. Man befragte Radfahrer nach ihren Wünschen in Sachen Streckenführung, Rastmöglichkeiten, Anbindung an den ÖPNV. Und man pflanzte „schattenspendende Landschaftselemente“, besser bekannt als Bäume.
Man könnte jetzt natürlich ein bisschen lästern über diese verknotete Formulierung. Und in Zweifel ziehen, ob das alles gerechtfertigt ist für gerade einmal 30 Kilometer Radweg. Vielleicht sollte man sich aber, bevor man anfängt zu schimpfen, eine ganz andere Frage stellen – nämlich welcher Aufwand eigentlich betrieben wird für 30 Kilometer neue Autostraße.