FC Bayern, BVB und Co: Transfers – Der Ablöse-Wahnsinn schockt die Bundesliga-Klubs | ABC-Z

Der Verdacht verhärtet sich. Die deutschen Klubs hinken der europäischen Konkurrenz hinterher, können kaum noch mithalten. Insbesondere die Engländer treiben die Preise nach oben, ein Premier-League-Aufsteiger investiert mehr Geld als Bayern. Die Bundesliga wird zur Ausbildungs-Liga.
Stolz hielt Max Eberl das Trikot gemeinsam mit Luis Díaz in die Kameras. Endlich hatte der Sportchef des FC Bayern einen Spieler gefunden, den er als neuen Star präsentieren konnte. Immerhin kommt der Kolumbianer vom englischen Meister Liverpool und kostet bis zu 75 Millionen Euro Ablöse. Er soll zu einer neuen Attraktion der Liga werden.
Genau da aber beginnt das Problem: Bayern hat Díaz, den Königstransfer, bekommen, weil der nach Liverpools großem Transfer-Angriff beim englischen Meister nicht mehr zwingend gebraucht wurde. Mit den Bayern-Millionen lassen sich die Engländer rund die Hälfte der Summe zahlen, die sie selbst in Leverkusens Florian Wirtz investiert haben. Den wollte auch Bayern, aber der wollte lieber nach Liverpool und in die Premier League.
Bei dessen Ablöse, das hat Max Eberl selbst geäußert, hätten die Bayern unabhängig von der Absage des Spielers, um dessen Gunst sie über Monate so laut und selbstsicher gekämpft haben, eh nicht mithalten können.
Denn in Europa explodieren die Ablösen.
Englische Klubs geben für neue Spieler 3,6-mal so viel aus wie die deutschen
Auch in der Bundesliga steigen die Summen extrem. Um 70,1 Prozent gingen die Transferausgaben in den vergangenen zehn Jahren hoch. Von 477,90 Millionen Euro 2015/16 auf 812,88 in der vergangenen Saison. Nur: In der Premier League investierten die Klubs 95,92 Prozent mehr als zehn Jahre zuvor – 2,88 Milliarden in der abgelaufenen Saison statt 1,47 Milliarden. Die englischen Vereine geben für neue Spieler 3,6-mal so viel aus wie die deutschen.
Auch die Italiener investieren mehr in neue Stars (776 Millionen Euro Serie A, Stand 5. August). Die Auswertungen belegen, dass die deutschen Vereine auf dem Transfermarkt immer mehr abrutschen bzw. an Boden verlieren. Noch schlimmer ist es für die spanischen Vereine – allerdings nicht für Real Madrid und den FC Barcelona, die wie der amtierende Champions-League-Sieger Paris in Frankreich eine Sonderrolle spielen.
Preistreiber sind die Engländer und mittlerweile die Saudis, wenn sie einen Star unbedingt haben wollen. Besorgniserregend ist: Im obersten Regal – bei Transfers mit einer Ablöse von über 60 Millionen Euro – können die deutschen Vereine nicht mitmischen. Höchstens mal der FC Bayern, wenn er an sein Limit geht und es aus England keine Konkurrenz gibt. Wie bei Harry Kane, der vor zwei Jahren für 100 Millionen Euro von Tottenham gekommen war, oder jetzt bei Díaz.
Im Bereich zwischen 30 und 60 Millionen Euro sind Borussia Dortmund und in diesem Sommer Bayer Leverkusen vertreten. In der englischen Liga sind alle 20 Vereine in der Lage, in diesem Segment einzukaufen. Die Masse der Bundesliga-Vereine greift in den Kategorien zwischen 15 und 30 Millionen bzw. 5 und 15 Millionen Euro zu.
Im internationalen Vergleich bedeutet das: Unsere Vereine bekommen für mittelmäßige Summen auch nur Mittelmaß – oder sie setzen auf Top-Talente, die sie zu Stars machen wollen. Wie Dortmund jetzt bei Jobe Bellingham (19), der für etwas mehr als 30 Millionen von Sunderland verpflichtet wurde, oder Leverkusen mit Jarell Quansah (22), der für bis zu 35 Millionen vom FC Liverpool kam. Die „Reds“ sicherten sich eine Rückkaufoption für über 60 Millionen Euro.
Das zeigt, wie die Bundesliga im Ausland, und vor allem in England, gesehen wird: als Ausbildungsliga. Liverpool schnappte sich mit Wirtz und Jeremie Frimpong (24) von Leverkusen sowie Frankfurts Hugo Ekitiké (23) für zusammen rund 275 Millionen Euro Ablöse drei der vier spannendsten Stars auf ihren Positionen der abgelaufenen Bundesliga-Spielzeit – nur der FC Bayern konnte Jamal Musiala (22) mit einer saftigen Gehaltserhöhung auf rund 25 Millionen Euro pro Jahr halten.
Aufsteiger Sunderland zahlt Xhaka weit mehr Gehalt als Leverkusen
In diesem Sommer investierten die 18 Bundesliga-Klubs bisher knapp 555 Millionen Euro. Liverpool, das die englische Liga in der vergangenen Saison dominierte, wird alleine etwa 500 Millionen Euro in die Mannschaft pumpen, wenn auch der Deal mit Stürmer Alexander Isak von Newcastle über die Bühne geht.
Auch Vizemeister Arsenal hat schon rund 225 Millionen Euro investiert, Manchester City rund 175 Millionen, Chelsea fast 280 Millionen, selbst Aufsteiger Sunderland 140 Millionen. Der holte u.a. Granit Xhaka vom Champions-League-Klub Leverkusen und zahlt dem weit mehr Gehalt (über zehn Millionen Euro statt sieben bei Bayer). Das Verrückte: Selbst wenn der FC Bayern noch Nick Woltemade für eine übertriebene Ablöse aus Stuttgart holt, wird der Meister aus München Sunderland nicht übertreffen – einen Abstiegskandidaten in England, trotz der Mega-Ausgaben.
Wo ist da noch der Platz für unsere Klubs, wenn es um die Titel in der Champions League, der Europa League und der Conference League geht? Die Chancen hinter den englischen Vereinen, Real Madrid, Barcelona und Paris St. Germain werden immer geringer. Und die Italiener überholen uns auch – zumindest bei den Investitionen in neue Spieler.
Durchschnittlich gab jeder Serie-A-Verein in der vergangenen Saison 65 Millionen Euro an Ablösen für Spieler aus. In der Premier League waren es 144 Millionen im Schnitt – der durch die Top-Klubs mit XXL-Investitionen verzerrt wird. In der Bundesliga reichte es für 45 Millionen. Ein ähnliches Niveau hat die französische Liga mit 40 Millionen.
Das zeigt sich, wenn es um die großen Pokale geht. Paris mit den Katar-Millionen gewann im Finale der Champions League gegen Inter Mailand (5:0). PSG hatte auf seinem Weg Liverpool, Aston Villa und den FC Arsenal aus dem Weg geräumt. Im Endspiel der Europa League standen Tottenham und Manchester United (1:0), der Tabellen-17. gegen den 15. der vergangenen Saison in England. Die Conference League gewann Chelsea.
Die Ablöse-Explosion in Europa zeigt also ganz deutlich die Konsequenzen auf. Ein Spieler wie Wirtz, in den vergangenen Jahren der Superstar der Bundesliga, will sich in der besten Liga mit den Besten messen und nicht bei Bayern am besten verdienen.
Simon Rolfes, sein Sportchef in Leverkusen, weiß, dass die Bundesliga in der internationalen Spitze höchstens bedingt konkurrenzfähig ist. „Wir verlieren nur gegenüber der englischen Liga an Boden, weil dort die Einnahmen weiterhin steigen, während sie in den anderen europäischen Ligen im besten Fall konstant sind“, sagt er. „Die Entwicklung der Bundesliga wird davon abhängen, wie viele Top-Spieler wir selbst ausbilden. Das ist der Schlüsselfaktor, um den wirtschaftlichen Vorteil der Premier League auszugleichen.“
50+1-Regel ist Luxusproblem und Hemmschuh für die deutschen Klubs
Das heißt: Mehr Spieler wie Wirtz formen und zum richtigen Zeitpunkt verkaufen. Am besten nach England, weil das der stärkste Markt ist. Nicht ausgeschlossen, dass das in einigen Jahren selbst für den FC Bayern gilt, der aktuell noch Spieler kauft, die auf ihrem Höhepunkt sind und an Wert verlieren. Das leistet sich nicht einmal Real Madrid.
Einen anderen Weg als den der Ausbildungs-Liga scheint es nicht zu geben, solange sich die deutschen Vereine die 50+1-Regel leisten und damit den großen Einstieg von Investoren verhindern. Auch das zeigt die Auswertung der Ablösen in den vergangenen zehn Jahren: Es können vor allem die Vereine klotzen, die schwerreiche Gönner und Konsortien hinter sich haben. Das trifft auf die englischen und italienischen Klubs zu, ebenso auf PSG.
In der Premier League hat der Einsatz der Milliarden dafür gesorgt, dass die Liga weltweit am attraktivsten ist und sich das Hochglanz-Produkt der Weltstars auch mit Abstand am besten vermarkten lässt. National und weltweit. Diese Einnahmequellen sorgen dafür, dass die englischen Klubs immer weiter investieren können. Jahr für Jahr wächst der Abstand zum Rest von Europa. Und ein Ende ist nicht in Sicht.