Wirtschaft

Booking-Klage: Wer direkt beim Hotel anruft, spart bei jedem dritten Zimmer | ABC-Z

Wer auf Booking.com ein Zimmer bucht, erhofft sich eine große Auswahl und die Möglichkeit, Preise unkompliziert zu vergleichen – und im besten Fall natürlich, das günstigste Angebot zu erwischen. Doch genau diese Transparenz war lange eigentlich bloß eine Illusion: Hotels, die mit Booking zusammenarbeiteten, durften ihre Zimmer zeitweise auf keiner anderen Plattform – auch nicht auf der eigenen Website – günstiger anbieten. 

Möglich machten das sogenannte Bestpreisklauseln, die Kartellwächter bereits mehrfach skeptisch beäugten. Jetzt haben sich Zehntausende Hotels aus ganz Europa für eine Sammelklage gegen das Onlinebuchungsportal registriert. Sie werfen Booking vor, über Jahre hinweg durch die Preisklausel den Wettbewerb verzerrt und Hotels geschädigt zu haben. 

Sollten die potenziellen Kläger Recht bekommen, dass die Bestpreisklausel jahrelang zu überhöhten Provisionen geführt hat, wäre Schadensersatz in Millionenhöhe denkbar. Nicht nur Hotels, sondern möglicherweise auch Verbraucherinnen und Verbraucher könnten Geld durch mögliche rechtliche Schritte einer niederländischen Verbraucherorganisation zurückbekommen. Was als “Bestpreis” bezeichnet wurde, war womöglich in Wirklichkeit
nicht der günstigste Preis, den Verbraucher hätten bekommen können, so
das Argument der Verbraucherschützer. Für viele stellt sich inmitten der Urlaubssaison aber vor allem noch eine ganz praktische Frage: Bucht man wirklich günstiger über große Plattformen, lohnt sich jetzt noch mehr der direkte Weg zum Hotel? Oder doch die langweilige Pauschalreise? 

Warum wollen die Hoteliers Booking.com verklagen?

Die anvisierte Schadensersatzklage, die insgesamt 30 Hotelverbände wie der deutsche IHA unterstützen, richtet sich gegen Booking, weil die Onlineplattform mit Bestpreisklauseln über zwei Jahrzehnte in Europa den Wettbewerb verzerrt haben soll. Die Hotels fordern eine Entschädigung für erlittene finanzielle Verluste von 2004 bis 2024, weil sie Provisionen für die bei Booking vermittelten Zimmer zahlen mussten, die aus ihrer Sicht überhöht waren.

Ihr Argument: Hätte es ohne Bestpreisklausel mehr Wettbewerb unter Hotelportalen gegeben, hätte Booking nicht so hohe Provisionen durchsetzen können, meint der Hotelverband Deutschland (IHA). Er rechnet bei erfolgreicher Klage mit einem Schadensersatz von bis zu 30 Prozent plus Zinsen auf die in dem Zeitraum gezahlten Provisionen. Gleichzeitig richten sich derzeit auch niederländische Verbraucherverbände gegen die Onlineplattform, weil Nutzerinnen über Jahre zu hohe Preise gezahlt hätten, was zu einem Schaden von Hunderten Millionen geführt haben soll. 

Was ist die Bestpreisklausel eigentlich?

Mit sogenannten Bestpreisklauseln wollte das Online-Vergleichsportal Booking.com erreichen, dass Reisende die Zimmer auf der Seite nicht bloß vergleichen, sondern dort auch direkt buchen. Das lohnt sich für das Vergleichsportal, denn Booking verlangt pro Buchung dem Vernehmen nach oft mindestens 12 Prozent Provision. In Städten wie Berlin soll der Satz sogar bei 15 Prozent liegen. Hinzu komme eine Zahlungsgebühr, die irgendwo zwischen einem und drei Prozent liegen soll. Vermietet ein Hotel ein Zimmer über Booking für 100 Euro, bekäme das Portal nach dieser Logik zum Beispiel 13 Euro davon. Der Rest, in diesem Beispiel 87 Euro, gingen dann an das Hotel.  

Damit Hotels ihre Zimmer nun woanders nicht für mindestens 88 Euro anbieten und Booking unterbieten konnten, wurde zunächst die “weite Bestpreisklausel” eingeführt. Hotels durften ihre Zimmer damit weder auf der eigenen Internetseite noch auf anderen Portalen günstiger bewerben als bei Booking – und zwar online wie offline. Außerdem mussten Hotels auf Booking.com die meisten verfügbaren Zimmer und die besten Buchungs- und Stornobedingungen anbieten.  

Das rief das deutsche Bundeskartellamt auf den Plan. Um ein Urteil zu vermeiden, schlug Booking dann 2015 vor, nur noch eine “enge Bestpreisklausel” zu verfolgen. Demnach erlaubte das Portal Hotels zwar, ihre Zimmer bei anderen Portalen günstiger anzubieten als bei Booking, nicht jedoch auf ihrer eigenen Website. Im selben Jahr betitelte das Bundeskartellamt allerdings auch die enge Bestpreisklausel als kartellrechtswidrig. “Aufgrund der Bestpreisklauseln besteht praktisch kaum ein Anreiz für die Hotels, ihre Zimmer auf einer neuen Plattform günstiger anzubieten, solange sie diese Preissenkungen auf ihren eigenen Webseiten nicht nachvollziehen können”, befürchtete der Chef des Bundeskartellamts, Andreas Mundt. 2021 urteilte auch der Bundesgerichtshof (BGH) in Deutschland, die enge Bestpreisklausel sei nicht mit dem Kartellrecht vereinbar. 

Sind Bestpreisklauseln immer schlecht für Reisende?

Manches deutet darauf hin, dass die Bestpreisklauseln Hotels in ihrer Preisgestaltung tatsächlich stark einschränkten. Eine Studie des Leibniz-Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) verweist auf Forschungsergebnisse, dass die Zimmerpreise einer Hotelkette bei veränderter Bestpreisklausel niedriger waren als zuvor, wenn sie nicht über Preisvergleichsportale gebucht wurden, sondern direkt beim Hotel. Auch eine neuere Studie deutet darauf hin, dass stärkere Regulierung in Sachen Bestpreisklauseln in der Tendenz zu wettbewerbsfähigeren Preisen führte. Gleichzeitig findet man mittlerweile bei Booking nicht mehr zuverlässig den niedrigsten Preis. Kurzum: Keine Bestpreisklauseln bedeuten offenbar größere Chancen für Verbraucher, auch mal ein Schnäppchen direkt beim Hotel zu machen.  

Umgekehrt hätten Kundinnen und Kunden ohne Hotelvergleichsportale wie Booking.com vermutlich weniger Übersicht über Preise, Leistungen und Stornobedingungen, stellte der Europäische Gerichtshof im vergangenen Herbst fest. Immerhin hat die faktische Abschaffung der Bestpreisklausel auch dazu geführt, dass noch mehr Hotels ihre Zimmer auch bei Booking anbieten, wie das ZEW ebenfalls herausfand. Selbst die Verbraucherzentralen raten, sich mithilfe der Portale einen schnellen Überblick über Leistungen und Konditionen zu verschaffen. “Wir empfehlen aber, immer mehrere Vergleichsportale zu nutzen”, sagt Reiseexpertin Julia Zeller von der Verbraucherzentrale Bayern. 

Gilt die Bestpreisklausel überhaupt noch?

Auf Anfrage teilte Booking mit, dass das Unternehmen Bestpreisklauseln in Deutschland bereits seit 2016 nicht mehr verwende und im August 2024 im gesamten Europäischen Wirtschaftsraum abgeschafft habe. “Unsere Unterkunftspartner können ihre Vertriebs- und Preisstrategie vollkommen frei festlegen”, teilte das Unternehmen mit. 

Im Alltag dürften Kundinnen und Kunden bisweilen trotzdem merken, dass Theorie und Praxis verschiedene Dinge sind. In der Praxis setzen Hotels nun schließlich auf drei unterschiedliche Varianten: Manche bieten über das hoteleigene Buchungsportal nun tatsächlich günstigere Preise als über Booking.com. Andere bieten auf ihren eigenen Onlineseiten weiterhin denselben Preis wie beim Vergleichsportal, offerieren Kunden auf der eigenen Internetseite dafür mal ein kostenloses Glas Sekt zum Empfang oder besseres Wi-Fi. Es gibt jedoch auch weiterhin noch Hotels, die sich rein freiwillig weiter peinlich genau an die inzwischen abgeschaffte Bestpreisklausel halten. Manche Hoteliers finden es schlicht bequem, wenn alle ihre Buchungen über Booking laufen und sie sich die eigene Reservierungszentrale nahezu vollständig sparen können. 

Außerdem gab es in der Vergangenheit wiederholt Kritik am Ranking der Hotels auf der Plattform. Eine Studie aus dem Dezember 2018 legte jedenfalls nahe, dass bis 2017 in mehreren europäischen Ländern ein niedriger Preis auf der eigenen Seite oder bei einer anderen Plattform zur Folge hatte, dass das Hotel eine schlechtere Platzierung bei Booking.com bekam. “Es wäre wünschenswert, wenn Buchungsportale die Verbraucher besser darüber informieren würden, wie sie ihre als ’empfohlen’ oder ‘unsere Toptipps’ bezeichneten Ranglisten berechnen”, sagt dazu der Ökonom und Studienautor Reinhold Kesler. Booking sagte auf Anfrage, sie könnten solche Ergebnisse wie aus der Studie “nicht nachvollziehen”. Aktuell hätte die Preisgestaltung der Hotels auf anderen Plattformen oder der hoteleigenen Internetseite keine Auswirkung auf deren Ranking.

Können Hotels Booking.com sinnvoll umgehen?

Das ist schwierig, da Booking über große Marktmacht verfügt. Viele Kundinnen und Kunden suchen inzwischen standardmäßig nur noch über das bekannte Onlineportal. “Die Beziehung zwischen Hotels und Booking ist eine Hassliebe”, sagt Markus Luthe, Hauptgeschäftsführer des Hotelverbands Deutschland. In der Praxis können es sich aus seiner Perspektive nur wenige Hotels erlauben, nicht auf Vergleichsportalen wie Booking vertreten zu sein. Tendenziell gilt laut Branchenexperten: Je exklusiver das Hotel, je treuer die Stammkundschaft und je origineller das eigene Marketing, desto größer sind die Chancen, auf die Plattformpräsenz verzichten zu können. 

Wo bucht es sich am günstigsten?

Wer sparen will, sollte direkt beim Hotel buchen – zumindest in Deutschland. Das legen mehrere Untersuchungen nahe, unter anderem vom Preisvergleichsportal Mydealz. Demnach waren bei einer Stichprobe im Jahr 2019 von 750 Hotels in über 40 Prozent der Fälle die günstigsten Angebote auf den eigenen Hotelwebsites zu finden. Auf Booking.com hingegen lag der Bestpreis nur in 6,5 Prozent der Fälle vor – ein Hinweis darauf, dass sich Direktbuchung inzwischen oft lohnen dürfte. 

Teilweise kann es sich sogar lohnen, zum Telefonhörer zu greifen. “Wer als Kunde beim Hotel anruft, kann in rund einem Drittel der Fälle Glück haben und einen günstigeren Preis bekommen”, sagt Tourismusprofessor Alexander Dingeldey von der Dualen Hochschule Baden-Württemberg (DHBW). Selbst Hotels, die sich online faktisch weiter an die inzwischen abgeschaffte Bestpreisklausel halten, gehen am Telefon teilweise geschmeidiger vor.  

Auch wenn sich ein Vertrag rein mündlich schließen lässt, sollten sich Kundinnen und Kunden ihre Reservierung noch einmal schriftlich bestätigen lassen. “Auch der Preis sollte dann unbedingt in der Mail stehen”, sagt Verbraucherschützerin Julia Zeller von der Verbraucherzentrale Bayern. Kundinnen und Kunden sollten außerdem nicht enttäuscht sein, wenn die Hotelmitarbeiter sich nicht auf das Feilschen einlassen: In vielen Hotels dürfen die Empfangsmitarbeiter gar nicht eigenständig Rabatte gewähren, wenn die Chefs ihnen das verboten haben. 

Ist es überhaupt gut, auf Portalen wie Booking.com Hotel und Flug getrennt zu buchen?

Auch wenn es vermeintlich unflexibler klingt, kann es Sinn ergeben, Flug und Hotel gemeinsam zu buchen. Buchen Kunden auf diese Weise eine Pauschalreise, sind sie besser abgesichert. Auch wenn das Wort Pauschalreise für viele Kundinnen und Kunden nach Bettenburgen und klebrigem Käse beim Frühstück klingt, hat diese Reiseform ihr schlechtes Image zu Unrecht. Denn eine Pauschalreise ist aus rechtlicher Sicht im Regelfall einfach eine Reise, bei der Kunden mindestens zwei Reiseleistungen im Paket zu einem Gesamtpreis buchen. Dafür reicht es schon, wenn Urlauber Hotel und Flug gemeinsam buchen – oder bloß Hotel und Mietwagen.  

Und das kann sich lohnen: Ist ihr Flughafen eingeschneit oder kommt es zu Problemen im Reiseland, können sich Kundinnen und Kunden oft an eine Reiseleitung vor Ort wenden. Sollte der Reiseveranstalter insolvent gehen, kümmert sich im Regelfall der Deutsche Reisesicherungsfonds. “Die Pauschalreise ist deswegen immer die bessere Option”, sagt Tourismusprofessor Dingeldey. 

Gibt es auch Vergleichsportale für Pauschalreisen?

Ja, zum Beispiel der Anbieter Check24 versucht in jüngster Zeit massiv, in den Markt mit Pauschalreisen zu drängen und ist dort laut Branchenangaben inzwischen ein großer Spieler. Mit Aurum Tours betreibt die Unternehmensgruppe des Vergleichsportals sogar einen eigenen Reiseveranstalter. Doch auch wenn Kundinnen und Kunden inzwischen auf diesem und anderen Onlineportalen Pauschalreisen vergleichen können, lohnt sich Experten zufolge auch hier eher der altmodische Weg: einfach ins Reisebüro gehen. 

In den spezialisierten Softwaresystemen der klassischen Reisebüros laufen teilweise mehr Angebote ein als auf den Vergleichsportalen im Netz. Oft werden die Zimmerkontingente und Preisinformationen auf Online-Vergleichsportalen auch nur einmal täglich aktualisiert, sodass Kundinnen und Kunden kurz vor der Buchung online mitunter einen höheren Preis angezeigt bekommen. “Und im Reisebüro bekommt man Pauschalreisen tatsächlich für den exakt gleichen Preis wie im Netz”, sagt Tourismusprofessor Dingeldey. Und vielleicht sogar noch eine nette Beratung. 

Back to top button