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Corona und Krieg: Wie Krisen Aberglauben fördern – Wissen | ABC-Z

Eine schwarze Katze quert den Weg, ein Spiegel zerbricht und obendrein ist Freitag, der 13. Drei schlechte Omen auf einmal, wie also reagieren? Auf Holz klopfen, bei der nächsten Sternschnuppe wünschen, dass alles wieder gut wird, oder doch den Glücksbringer in der Hosentasche fest mit den Fingern umschließen?

Kleine Auslöser und Rituale alltäglichen Aberglaubens scheinen noch immer weit verbreitet zu sein, auch in Gesellschaften, die sich für weltlich-aufgeklärt und progressiv halten. Das wirft die Frage auf, welche psychischen Bedürfnisse Alltagsaberglaube befriedigt: Welche psychischen Dispositionen und sozio-demografischen Merkmale gehen mit einer erhöhten Wahrscheinlichkeit einher, an übergeordnete Kräfte zu glauben, die vermeintlichen Einfluss auf die eigene Existenz ausüben?

Diese Frage werfen Psychologen um Avner Caspi von der Open University of Israel in einer Studie auf, die sie gerade im Personality and Social Psychology Bulletin publiziert haben. Die kurze Antwort darauf lautet, dass vor allem zwei Faktoren damit in Zusammenhang stehen, wie weit Menschen sich auf Aberglauben einlassen: Zum einen, ob sie einen analytischen oder eher intuitiven Denkstil pflegen, wobei Letzteres mit einer Nähe zu Hokuspokus einhergeht. Und zum anderen, wie stark ausgeprägt die individuelle Toleranz gegenüber Ungewissheit ausfällt. Wer ein ausgeprägtes Bedürfnis nach Kontrolle und Gewissheit in sich trägt und schwer mit Unsicherheit zurechtkommt, klopft demnach eher mal auf Holz, um sich zu beruhigen und gefühlten Einfluss auf Situationen zu nehmen (oder ergeht sich in anderen Formen des Aberglaubens).

Was die sozio-demografischen Einflussgrößen angeht, haben die Psychologen um Caspi hingegen kaum eindeutige Befunde in ihren Daten heben können. Erst einmal nur so viel: Alter korreliert negativ mit einem Hang zu Aberglauben. Jüngere Menschen öffnen ihren Geist demnach eher für esoterisch-übersinnliche Angelegenheiten.„Zustimmung zu Aberglauben ist ein allgegenwärtiges Phänomen“, schreiben die Psychologen um Caspi im Personality and Social Psychology Bulletin. Zugrunde liege diesen Überzeugungen der Wunsch, Einfluss auf künftige Ereignisse zu nehmen.

Fast ebenso allgegenwärtig wie Aberglaube ist auch die Forschung dazu, deren Ergebnisse aus den vergangenen Jahrzehnten sich zu einem Papierstapel von beeindruckender Höhe auftürmen ließen. Verblüffend viele Menschen richten wesentliche Entscheidungen nach Aberglauben aus, in der Liebe, der Gesundheit oder wenn es ums Geld geht. Laut Studien sind insbesondere Frauen, religiöse Menschen sowie solche mit eher rechts-konservativen Ansichten anfällig. Auch Ängstlichkeit, Intoleranz gegenüber Ungewissheit und ein intuitiver statt analytischer Denkstil korrelieren laut Studien mit einem Hang zu übersinnlichen Praktiken und Überzeugungen.

Kleine Rituale verschaffen Sicherheit – auch wenn man nicht daran glaubt

Die Psychologen um Caspi werteten nun für ihre aktuelle Studie zwei Datensätze mit etwa 1300 Teilnehmern aus, die aus den USA sowie aus Israel stammten. In beiden Stichproben zeigte sich, dass die beschriebenen gängigen abergläubischen Inhalte erstaunlich weit verbreitet sind. In der Stichprobe aus den USA gab lediglich ein einziger Teilnehmer an, dass er an gar keinen der beschriebenen Aberglauben glaube oder praktiziere. Von den Israelis waren es gut sieben Prozent der Teilnehmer, die sich von schwarzen Katzen, Glücksbringern und Ähnlichem nicht im Entferntesten beeindrucken ließen – also weder daran glaubten noch die kleinen Rituale ausführten. Letzteres unterschieden die Psychologen um Caspi: Nur wenige Menschen, so die Idee der Forscher, glaubten wirklich ernsthaft, dass es zum Beispiel Glück bringe, auf Holz zu klopfen. Viele machten das aber trotzdem, weil es ja nicht schaden könne und das kleine Ritual ein Gefühl der Sicherheit verschaffe.

In beiden Stichproben zeigte sich der aus der Forschungsliteratur bekannte Alterseffekt: Junge Menschen sind anfälliger für Aberglauben. In Israel waren zudem Frauen offener für solche Praktiken und Überzeugungen. Zudem zeigte sich hier ein Zusammenhang mit Religiosität und eher rechts-konservativen Ansichten, während höhere Bildung eher vor Aberglaube bewahrte. In den Daten aus den USA fanden sich hingegen keine Hinweise auf einen Geschlechtereffekt. Auch die politischen Überzeugungen sowie der Bildungsgrad standen in keinem Zusammenhang mit dem Glauben an übersinnliche Kräfte – anders als Religiosität, die auch in den USA ein relevanter Faktor war.

In beiden Stichproben zeigte sich ein deutlicher Zusammenhang zwischen einem analytischen Denkstil und einer individuellen Ferne zu Aberglauben. Auch Intoleranz gegenüber Ungewissheit zeigte in beiden Ländern einen Effekt. In beiden Stichproben fanden sich auch Hinweise darauf, dass allgemeiner Stress sowie das Gefühl einer persönlichen Bedrohungslage durch Großereignisse wie die Corona-Pandemie oder der Krieg seit dem 7. Oktober 2023 Aberglauben fördern.

Ob solche irrationalen Überzeugungen und Handlungen also jemals verschwinden werden? Vermutlich nicht, egal wie oft die Wunsch an Sternschnuppen gerichtet wird, denn offenbar befriedigen sie menschliche Grundbedürfnisse. Bei manchen sind diese stärker, bei anderen eben geringer ausgeprägt.

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