Bezirke

Studie der Financial Health Initiative: So gut geht es den Münchnern – München | ABC-Z

Hohe Lebensmittelpreise, teure Mieten, Krankheiten, Alter oder familiäre Belastungen – es gibt viele Dinge, die Menschen in finanzielle Not bringen können. Die Financial Health Initiative ist eine Münchner NGO und will Verbrauchern helfen, ihre persönlichen Finanzen zu verbessern und den Alltag leichter zu meistern.

„Mit unserem Engagement wollen wir die Ungleichheiten reduzieren und zu einer nachhaltigeren Gesellschaft beitragen“, sagt Emanuel Renkl, der sich mit einem guten Dutzend Ehrenamtlicher in der NGO engagiert. Er ist Doktorand an der Technischen Universität München (TUM) und beschäftigt sich mit dem Thema Digital Household Finance, also Finanzentscheidungen privater Haushalte.

Im Team der Financial Health Initiative sind Studierende, Doktoranden, Mitarbeiter von Fintechs, Ökonomen, Informatiker, Psychologen und Bildungswissenschaftler. Die meisten kommen von der TUM oder der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU).

Gemeinsam mit Wirtschaft und Politik wollen sie die finanzielle Gesundheit von Haushalten messen und fördern. Erste Zahlen für München und Deutschland liegen bereits vor. Ausgangspunkt ist ein Messinstrument für die Gesundheit der Finanzen (Financial Health Score), dessen methodische Grundlagen das Consumer Financial Protection Bureau der USA geschaffen hat; die Behörde schützt Verbraucher bei Finanzgeschäften. Der daraus abgeleitete Score liegt zwischen 0 und 100; er misst den individuell erlebten Grad an finanzieller Sicherheit und Entscheidungsfreiheit. Als finanziell gesund gilt jemand, der seinen laufenden Verpflichtungen nachkommen kann, genügend Rücklagen für Notfälle hat sowie für langfristige Ziele sparen und sein Leben genießen kann.

Im Dezember 2024 wurden erstmals Daten zur finanziellen Gesundheit der Münchner und Deutschen repräsentativ erhoben. Die Messung ist subjektiv, das heißt, die Ergebnisse beruhen auf der persönlichen Einschätzung der Befragten. Für die Zukunft plant die Initiative, auch die objektive finanzielle Lage zu ermitteln. In der Umfrage, die vom Meinungsforschungsinstitut Yougov durchgeführt wurde, wurden auch Merkmale wie Alter, Geschlecht, Bildung, Einkommen oder Haushaltsgröße erfasst. Die nun vorliegenden Berichte für München und Deutschland zeigen, wie sich finanzielle Gesundheit in der Bevölkerung verteilt. Und sie machen sichtbar, welche Gruppen besser und welche schlechter dastehen.

Zentrales Ergebnis ist: Der Financial Health Score in München liegt bei 55,03 (Deutschland: 52,83). Damit fällt er in die Kategorie mittel bis hoch. Zwei Drittel der Deutschen finden sich in den drei Kategorien mittel-niedrig, mittel-hoch und hoch wieder; in München ist diese finanziell sichere Mitte deutlich stärker ausgeprägt als im Landesdurchschnitt. Auffallend ist auch, dass in München weniger Befragte einen niedrigen oder sehr niedrigen Score aufweisen als in ganz Deutschland; und es gibt mehr Menschen mit einem hohen oder sehr hohen Score. „Wenn man diese beiden Pole – niedrige versus hohe Scores – gegenüberstellt, fällt auf, wie weit die Alltagsrealität zwischen den Gruppen auseinanderklafft und welche Welten dazwischen liegen“, sagt Simon Hochstraßer, Doktorand an der TUM. Er forscht zu finanzieller Bildung und privater Finanzplanung. „Während bei den einen das Einkommen oft nur für das Nötigste reicht, können sich die anderen ein finanziell komfortables Leben leisten“, sagt der Wissenschaftler.

Der Großteil derjenigen Münchner und Deutschen (67 und 65 Prozent), die einen sehr niedrigen Financial Health Score erzielen, ist häufig oder dauerhaft mit seinen finanziellen Verpflichtungen im Rückstand. Die meisten (83 und 93 Prozent) geben an, dass sie gerade so über die Runden kommen.

Am oberen Ende der Skala sagen dagegen fast alle Befragten (99 und 92 Prozent), dass sie genügend Geld haben, um das Leben zu genießen. Mehr als die Hälfte (79 und 61 Prozent) schätzt ihr persönliches Vermögen auf mehr als 50 000 Euro. Auch hier sieht man, dass die Münchner bessergestellt sind. Dies gilt insbesondere für die 55- bis 66-Jährigen: 73 Prozent dieser Gruppe werden in der oberen Hälfte der Skala eingeordnet (mittel-hoch, hoch, sehr hoch); in ganz Deutschland sind es lediglich 55 Prozent.

Der Alltag der Menschen ist vor allem dann von finanziellen Sorgen geprägt, wenn sie unter psychischen oder chronischen Krankheiten leiden. „Die Verbindung zwischen allgemeinem Gesundheitszustand und finanzieller Gesundheit ist bedrückend“, sagt Renkl. Wer seine Gesundheit als ausgezeichnet, sehr gut oder gut empfindet, erreicht nur selten einen sehr niedrigen, niedrigen oder mittel-niedrigen Financial Health Score; es sind in München wie im gesamten Land nur rund ein Drittel der Befragten. Wenn die Menschen ihre Gesundheit jedoch als schlecht bezeichnen, springt der Wert in München auf 67 Prozent, in Deutschland auf 72 Prozent.

Doktoranden der TU München haben eine Initiative gegründet, um herauszufinden, wie es um die Finanzgesundheit der Deutschen bestellt ist. Mit dabei: Emanuel Renkl. (Foto: Robert Haas)

Renkl fände es interessant zu verstehen, wie der kausale Zusammenhang ist: Also ob finanzieller Stress auf die physische und mentale Gesundheit durchschlägt oder ob Leute, die sich krank fühlen, nicht so produktiv sind und weniger arbeiten können.

Zu den vulnerablen Gruppen zählen der Studie zufolge auch Auszubildende, Menschen ohne Schulabschluss oder mit Hauptschulabschluss. Die Hälfte von ihnen steckt in einem sehr niedrigen, niedrigen oder mittel-niedrigen Feld fest. Schlecht ist es auch um die finanzielle Gesundheit von Bürgergeld-Empfängern bestellt, von denen in München 62 Prozent nur einen sehr niedrigen, niedrigen oder mittel-niedrigen Score erzielen; in ganz Deutschland sind es sogar 86 Prozent. Ähnlich schätzen Haushalte mit drei oder mehr Kindern ihre Lage ein: deutschlandweit kommen 67 Prozent auf einen schwachen Score; in München sind es 41 Prozent. Auch eine Scheidung birgt das Risiko, in finanzielle Schwierigkeiten zu geraten. 58 Prozent aller geschiedenen Deutschen haben einen (sehr) niedrigen oder mittel-niedrigen Score; unter den geschiedenen Münchnern sind es 41 Prozent. Verwitwete Personen stehen sowohl in München als auch im ganzen Land ein wenig besser da.

Positiv überrascht in der Umfrage, dass der Migrationshintergrund für die finanzielle Gesundheit nur eine untergeordnete Rolle zu spielen scheint. Aber es gibt ihn: Personen mit Migrationsgeschichte geben häufiger an, gerade so über die Runden zu kommen, als Personen ohne.

LMU-Doktorand Andreas Wittmann, der zu Kapitalmärkten und sozialer Ungleichheit forscht, überrascht eine Sache am meisten –  und zwar: „Dass es keinen Geschlechterunterschied gibt, den es ja vor allem bei Einkommen und Vermögen tatsächlich gibt.“ Aus der Ungleichheitsforschung sei bekannt, dass Frauen grundsätzlich schlechter dastehen würden. „Das ist Fakt. Die subjektive Wahrnehmung der Frauen scheint aber eine andere zu sein.“

Die Gründer der Financial Health Initiative wollen künftig verstärkt mit anderen NGOs, Unternehmen und Universitäten zusammenarbeiten. Es gibt eine Kooperation mit dem House of Finance & Tech in Berlin, das aus öffentlichen Mitteln und von der Privatwirtschaft finanziert wird. Gemeinsam will man die finanzielle Gesundheit in Berlin messen und nach Berufsgruppen untersuchen. Der Hintergrund: In Berlin sind überproportional viele Menschen als Freelancer, Selbständige oder im Kulturbereich tätig.

Ein weiteres Projekt läuft mit dem Münchner Fintech Divizend, in dessen App der Financial Health Score implementiert werden soll. Nicht zuletzt werden die gewonnenen Daten auch für die eigene Website genutzt. Dort kann jeder selbst seine finanzielle Gesundheit messen und sich künftig mit anderen Gruppen vergleichen.

Back to top button