Studentin aus Gaza in Frankreich: Antisemitische Posts? – Politik | ABC-Z

Ein Skandal bewegt die Franzosen. Nour A., eine Rechtsstudentin aus Gaza, 25 Jahre alt, war erst vor ein paar Wochen von Frankreich eingeladen worden, ihre kriegsversehrte Heimat zu verlassen und an einer französischen Universität weiterzustudieren. Mit einem Stipendium der Regierung, im Rahmen eines Hilfsprogramms. Empfohlen hatte sie und rund 300 weitere junge Palästinenser das französische Generalkonsulat in Jerusalem. Nour A. erfüllte alle Kriterien.
Man fand für sie einen Masterkurs an der Universität Sciences Po in Lille, in dem es noch Plätze gab. Ihr Zimmer aber war noch nicht frei, und so überließ der Direktor des Instituts, Étienne Peyrat, seine eigene Wohnung der jungen Frau, weil er selbst gerade in den Ferien war. Der Radiosender RMC besuchte Nour A. in Lille. Im Interview sagt sie, sie sei glücklich, „endlich einen ruhigen Ort“ gefunden zu haben, weit weg von den Bomben. Eine gute Geste und das Gesicht dazu: RMC zeigte auf seiner Webseite ihr Foto, hell lächelnd.
Eine Gefahr für Frankreichs diplomatische Offensive im Gaza-Krieg?
Ein paar Tage später publizierte dann die Sonntagszeitung Journal du Dimanche unsäglich antisemitische Posts und Retweets von X, von denen es hieß, sie stammten vom Profil von Nour A. aus Gaza. Auf einem Post sieht man den Kopf von Adolf Hitler, dazu den Aufruf, alle Juden zu töten, jung und alt, ohne Gnade.
Der Artikel im oft polemischen JDD löste schnell Reaktionen aus. Bruno Retailleau, Frankreichs rechter Innenminister, schrieb auf X, „die Propagandisten der Hamas“ hätten in Frankreich nichts zu suchen, sie gehöre sofort ausgewiesen. Sein Ministerium trage für den Fall aber keine Verantwortung, die liege beim Außenministerium. Auch der Direktor der Sciences Po Lille, der seine Wohnung zur Verfügung gestellt hatte, wehrte sich gegen jede Kritik der Nachlässigkeit. Die Auswahl, sagte er, habe das Außenministerium getroffen; der Universität falle nur die Aufgabe zu, die akademische Eignung der Studentinnen und Studenten zu überprüfen.
Die Einschreibung von Nour A. an der Sciences Po Lille wurde nun wieder gelöscht, ihr Masterstudium hätte im September beginnen sollen. Die Universität hat eine Untersuchung eingeleitet. Man will auch ganz sicher sein, dass dieses Profil, von dem kompromittierende Screenshots zirkulieren, tatsächlich Nour A. gehört. Aber so viel ist schon mal sicher: Die Posts, schreibt Sciences Po Lille ebenfalls auf X, widersprächen frontal allen ihren Werten, „ihrem Kampf gegen Rassismus, gegen Antisemitismus, gegen alle Diskriminierungen und gegen alle Appelle zum Hass, gegen welchen Bevölkerungsteil der auch immer gerichtet ist“.
Der Fall von Nour A. hat unmittelbare Folgen für andere Flüchtlinge aus Gaza, die auf eine Aufnahme in Frankreich gehofft hatten: Frankreichs Außenminister Jean-Noël Barrot beschloss, das Programm werde so lange ausgesetzt, bis alle Schwachstellen im Auswahlsystem überarbeitet seien. Sein Ministerium werde nun die persönlichen Hintergründe aller Teilnehmer des Programms durchleuchten, die sich bereits in Frankreich aufhielten.
Die politische Nervosität hat mindestens zwei Gründe. Erstens wird der Nahostkonflikt in Frankreich, wo die jeweils größte muslimische und größte jüdische Gemeinde Europas leben, immer mit besonderer Dringlichkeit erlebt. Zweitens bemüht sich Frankreich gerade, möglichst viele westliche Staaten, die das noch nicht tun, dafür zu gewinnen, Palästina als Staat anzuerkennen.
Israels Regierung kritisiert Emmanuel Macron für diesen Vorstoß hart. Sie wirft dem französischen Präsidenten vor, ein „Handlanger der Hamas“ zu sein. Wenn Frankreich jetzt nicht sehr entschlossen gegen eine Studentin aus Gaza vorgeht, die offenbar antisemitische Posts abgesetzt hat, würde Paris vielleicht auch die Dynamik seiner diplomatischen Offensive gefährden.
Das Außenministerium in Paris erklärte am Sonntag, Nour A. habe agesichts der Schwere der Äußerungen nicht auf französischem Territorium bleiben können. Sie habe Frankreich verlassen, um nach Katar zu reisen und dort ihr Studium fortzusetzen.
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Dieser Artikel wurde mit der Information aus dem französischen Außenministerium ergänzt.