Formel 1 in Budapest: Norris gewinnt das Rennen, Piastri behält die WM-Führung – Sport | ABC-Z

Alles heil geblieben diesmal bei der Siegerehrung zum Großen Preis von Ungarn. Lando Norris hatte sich vorgenommen, die kostbare Porzellanvase diesmal nicht zu zerbrechen. Das war einfacher, als den Erfolg auf der Piste gegen seinen Teamkollegen Oscar Piastri ins Ziel zu bringen. Vielleicht kam der kostbaren Trophäe auch die Erschöpfung zugute. „Ich bin tot“, stammelte der Brite mit erstickter Stimme nach einer spannenden Aufholjagd und einer dramatischen Schlussphase. Bei der Analyse war sein Grinsen dann wieder zurück: „Es ist immer Zockerei dabei.“
Der Doppelerfolg von McLaren beim letzten Rennen vor der Sommerpause der Formel 1 markiert den 200. Grand-Prix-Sieg von McLaren. Damit verschärft sich das Titelduell, wenn es Ende August weitergeht: Piastri liegt weiter vorn – aber Norris hat jetzt nur noch neun Punkte Rückstand.
:„Ich nehme schon wahr, dass da etwas Großes kommt“
Wie wird aus einem chancenlosen ein erfolgreicher Rennstall? Daran arbeitet das künftige Audi-Werksteam intensiv. Maßgeblich dazu beitragen soll Nico Hülkenberg – der einzig verbliebene deutsche Fahrer in der Formel 1.
Vom alten Hungaroring, der vor 40 Jahren entstand, um zum ersten Mal im damaligen Ostblock die kapitalistischste aller Sportarten zu beherbergen, steht nicht mehr viel. Tribünen und Boxengebäude vor den Toren Budapests wurden innerhalb von zwölf Monaten abgerissen und neu aufgebaut. Die Rennstrecke aber blieb unberührt von den Bulldozern: ein schier endloses Kurvengeschlängel – und immer gut für ein eintöniges Rennen. Eintönig allerdings nur, was die Anzahl der Überholmanöver angeht. Die subtile Spannung entwickelte sich auch diesmal aus einem Taktikrennen alter Schule.
Beim Start ist Charles Leclercs Ferrari umzingelt von den beiden Mercedes-Boliden – aber setzt sich durch
Die erste Kurve, die 444 Meter nach dem Start kommt, ist meist die entscheidende. Charles Leclerc, der zum ersten Mal in dieser Saison seinen Ferrari auf die Pole-Position stellten konnte, sieht sich umzingelt von orangefarbenen Flecken, links im Spiegel den McLaren von WM-Spitzenreiter Piastri, rechts im Spiegel den von Norris. Aber der Monegasse bleibt an der Spitze. Piastri hält die Position, Norris kommt mal wieder nicht in die Gänge und fällt zunächst auf Rang fünf zurück. Da deutet noch wenig auf seinen späteren Sieg hin.
Alles aber kein Vergleich zum Schicksal eines Max Verstappen, des Titelverteidigers, der nur als Achter starten konnte und zum Schluss Neunter wird. Oder eines Lewis Hamilton, der nach seinem zwölften Startplatz im Ferrari seinem Team empfiehlt: „Wahrscheinlich solltet ihr den Fahrer tauschen.“ Platz zwölf im Rennen lindert die Sorgen des Rekordchampions dann auch nicht. Der gerade 44 Jahre alt gewordene Fernando Alonso mit dem bislang indiskutablen Aston Martin hingegen zeigt sich ungewohnt weit vorn, ist zu Beginn Vierter. Der fünfte Platz am Ende ist ein Riesenerfolg, ebenso wie der sechste Rang von Gabriel Bortoleto im Sauber, dem künftigen Audi-Werksteam.
Nach 20 Runden beginnt der Reifenwechsel-Reigen an der Spitze, Piastri versucht es als Erster, Leclerc folgt – und bleibt vorerst noch vorn. Norris diskutiert mit seinen Ingenieuren darüber, das Rennen noch über eine Ein-Stopp-Strategie zu seinen Gunsten zu drehen. Vorerst interessanter sind die Schimpftiraden von Noch-Spitzenreiter Leclerc. Er fährt sich die Seele aus dem Leib, erkennt aber früh, dass er trotz des gelungenen Starts nicht gewinnen wird. Strategie und Abstimmung des Autos sind gegenläufig zu den Wünschen des Fahrers: „Wir sollten diese Dinge diskutieren, bevor wir sie probieren“, ruft er über Funk. Aber bei Ferrari steht der Wille des Teams grundsätzlich über dem des Piloten.

Die Prophezeiung Leclercs erfüllt sich, er wird am Ende bloß Vierter – und längst ist allen klar, dass der 14. WM-Lauf zum Ausscheidungsfahrer der McLaren-Piloten wird. Piastri lässt sich immer nur vorrechnen, wie er im Vergleich zu Norris liegt, und lenkt den Ferrari nach 51 der 70 Runden in einem Rutsch an Leclerc vorbei. Jetzt tobt der richtig: „Ich habe euch gewarnt, wir verlieren alles!“ Während sich der Australier dann weiter absetzt und vorne auf die Jagd nach Norris macht, muss sich Leclerc im Ferrari mit George Russell abmühen. In seinem emotionalen Zustand versucht er die Angriffe durch verbotene Schlenker abzuwehren; das Manöver in der 62. Runde zwischen den beiden geht fast schief. Russell, der oberste Fahrergewerkschafter, petzt das gleich über Boxenfunk. Leclerc bekommt auch noch fünf Strafsekunden. Und Russell springt am Ende noch aufs Podium, als Dritter.
Fünf Runden vor Schluss hat sich Piastri dann in den Windschatten von Norris gesetzt, der dank seiner Ein-Stopp-Strategie die Führung übernommen hat, letztlich aber nicht nah genug dran. „Es blieb mir nichts anderes, als Druck zu machen, Vollgas zu geben“, sagt er hinterher, nachdem er sich geärgert hat, nicht auch auf nur einen Stopp gesetzt zu haben. Der Rest ist eine Frage der Nerven, fast wie am Start. Norris darf nicht von der Ideallinie weichen, Piastri muss den richtigen Moment für die Attacke auf den Teamkollegen abpassen.
Beinahe kommt es noch zum Auffahrunfall in der vorletzten Runde
In der vorletzten Runde vermeidet Piastri nur mit einer Vollbremsung einen Auffahrunfall – das wäre die peinlichste Aktion seit Lewis Hamilton und Nico Rosberg in Barcelona 2016 gewesen. „Ich hatte nichts zu verlieren, ich musste es probieren“, sagt er über die spektakulärste Aktion des ganzen Rennens. Schon in Spielberg wäre es kürzlich in ähnlicher Konstellation fast zu einer Kollision zwischen den beiden gekommen. Gescheitert ist Piastri aber nur für dieses eine Manöver – er wirkt weiter wie der abgeklärte Titelfavorit. Doch diesmal fährt Norris seinen fünften Saisonsieg mit 0,7 Sekunden Vorsprung nach Hause und geht ebenfalls entspannt in die Sommerpause. Relativ entspannt, denn das Titelrennen hat sich weiter zugespitzt. McLaren gegen McLaren. „Es wird hart bleiben“, verspricht Oscar Piastri.