Das Das Erste-Sommerinterview mit Grünen-Vorsitzendem Banaszak im Faktencheck | ABC-Z

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Der Grünen-Bundesvorsitzende Felix Banaszak war im im ARD-Sommerinterview zu Gast. Die meisten seiner Aussagen halten einer Überprüfung stand – für einige, etwa zum Familiennachzug, finden sich aber keine Belege.
Fragen rund um Haushalt und Wirtschaftspolitik nahmen im ARD-Sommerinterview mit dem Grünen-Vorsitzenden Felix Banaszak viel Raum ein. Aber auch zur Migrationspolitik und Deutschlands Haltung zu Israel äußerte er sich im Interview oder im anschließenden Stream mit Fragen aus der Community. Die meisten seiner Aussagen lassen sich belegen. Für einige fehlen aber konkrete Nachweise oder der Kontext.
Da es während eines solchen Gesprächs nicht immer möglich ist, falsche oder irreführende Behauptungen sofort zu korrigieren, werden hier einige Aussagen von Banaszak noch einmal genauer beleuchtet.
Gegenleistungen für die Taliban
Bezüglich der Migrationspolitik der aktuellen Bundesregierung kritisiert Banaszak die aus seiner Sicht “symbolische Ausweisung” von illegalen Migranten nach Afghanistan. “Die Taliban freuen sich. Denn die werden etwas dafür bekommen haben, diese Leute wieder aufzunehmen.”
Er bezieht sich hier auf den ersten Abschiebeflug unter der aktuellen Bundesregierung, in dem im Juli 81 Afghanen zurück nach Afghanistan gebracht wurden. Allerdings lässt Banaszak offen, welche Art von Gegenleistung die Taliban seiner Ansicht nach erhalten haben.
Es gibt keine Belege dafür, dass die Bundesregierung dem Taliban-Regime im Ausgleich Geld gezahlt hat. Allerdings hat die Bundesregierung zwei Vertreter der afghanischen Konsularverwaltung einreisen lassen. Sie sollen eingegliedert werden, “um die weiteren geplanten Rückführungsflüge zu unterstützen”, sagte Regierungssprecher Stefan Kornelius. Der Austausch sei mit dem Abschiebeflug einhergegangen. Darüber hinaus nutzen die Taliban die Rückkehr der Abgeschobenen zur Selbstinszenierung, wie die ARD-Korrespondentin Stefanie Markert berichtete.
Wen trifft die Aussetzung des Familiennachzugs?
Im Bezug auf die Aussetzung des Familiennachzugs für subsidiär Schutzberechtigte kritisierte der Grünen-Politiker, dass 80 Prozent der davon betroffenen Menschen Frauen und Kinder seien. Subsidiär Schutzberechtigte können keinen Flüchtlingsschutz oder eine Asylberechtigung gewährt bekommen, sind aber dennoch vom ernsthaften Schaden in ihrem Herkunftsland bedroht.
Sie hatten bis Juli die Möglichkeit, für ihre Ehegatten, Kinder oder im Fall von minderjährigen schutzberechtigten Eltern die Familienzusammenführung zu beantragen. Dass 80 Prozent der so nach Deutschland kommenden Menschen Frauen und Kinder sind, wurde auch schon von der Grünen-Politikerin Filiz Polat im Bundestag behauptet. Außerdem findet sich diese Zahl in einer Pressemeldung der Menschenrechtsorganisation Kölner Flüchtlingsrat.
In den Zahlen des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge werden dazu jedoch keine Angaben gemacht. Es lässt sich nur entnehmen, dass 67 Prozent der 2023 eingereisten Angehörigen subsidiär schutzberechtigter Kinder von subsidiär schutzberechtigten Eltern waren. Die Aussage Banaszaks lässt sich also nicht mit konkreten Zahlen belegen.
Wie ungerecht empfinden die Deutschen ihr Land?
Angesprochen darauf, dass Grünen-Politiker Cem Özdemir weniger Fokus auf “Umverteilungsdebatten” in seiner Partei gefordert hat, sagt Banaszak, dass die Mehrheit der Deutschen den Eindruck haben, in einer ungerechten Gesellschaft zu leben.
“80 Prozent der Menschen haben das Gefühl, dass es in diesem Land nicht gerecht zugeht”, so der Grünen-Vorsitzende. “Dass auf der einen Seite die Vermögen Einzelner immer weiter steigen, während sie mittlerweile nicht mehr am 25., sondern am 20. des Monats nicht mehr wissen, wie sie noch über die Runden kommen.”
Banaszak nennt keine Quelle für diese Behauptung. In einer repräsentativen Umfrage der Universität Konstanz aus dem April 2025 sagten 81 Prozent der Befragten, die Einkommensunterschiede in Deutschland seien zu groß. Im ARD-DeutschlandTrend von infratest dimap gaben im Juli 2025 dagegen nur 60 Prozent der Menschen aus der repräsentativen Stichprobe an, die Gesellschaft in Deutschland eher ungerecht zu finden. 33 Prozent dagegen waren der Meinung, dass sie eher gerecht sei.
Banaszak spricht von “Wortbruch” bei Stromsteuer
Bei Fragen nach dem Haushalt kritisierte Banaszak die aktuelle Bundesregierung, wirft ihr etwa bei der Stromsteuer Wortbruch vor: “Die Stromsteuer soll nicht für alle gesenkt werden, sondern nur für Einzelne. Das ist ein krasser Wortbruch gegenüber dem, was von allen im Wahlkampf und im Koalitionsvertrag, im Sofortprogramm angekündigt wurde.”
Tatsächlich war die Stromsteuer Thema im Wahlkampf. Im Wahlprogramm von CDU und CSU hieß es: “Der Strom muss für alle schnell und spürbar günstiger werden.” Auch die SPD hatte in ihrem Programm zur Bundestagswahl eine niedrigere Stromsteuer gefordert.
Im Koalitionsvertrag zwischen SPD und Union war ebenfalls immer noch die Rede davon, “Unternehmen und Verbraucher” dauerhaft zu entlasten und “die Stromsteuer für alle auf das europäische Mindestmaß” zu senken.
Keine Preissenkung für alle
Die Stromsteuer soll nun aber, entgegen diesen Versprechungen, nicht für alle gesenkt werden. Das Kabinett hatte im Zuge des Haushaltsentwurfs zwar Entlastungen bei den Energiepreisen zum 1. Januar 2026 auf den Weg gebracht: So sollen etwa die Netzentgelte, ein Bestandteil des Strompreises, gesenkt und die Gasspeicherumlage für Gaskunden abgeschafft werden.
Für alle – also Betriebe und private Haushalte – gesenkt werden soll die Stromsteuer jetzt aber doch nicht. Das Problem sei die Finanzierung: Eine Senkung der Stromsteuer für alle Betriebe und Verbraucher würde nach Angaben des Bundesfinanzministeriums im kommenden Jahr rund 5,4 Milliarden Euro zusätzlich kosten.
Die vorerst ausgebliebene Senkung für alle löste breite Kritik bei Opposition, Wirtschaftsverbänden, Gewerkschaften und Sozialverbänden aus – aber auch innerhalb der Regierungsparteien. Ein Koalitionsausschuss zu dem Thema endete ohne erkennbare Ergebnisse.
Kritik an der Nutzung der Sondervermögen
Auch im Bezug auf ein noch vom alten Bundestag beschlossene Sondervermögen für Investitionen und Klimaschutz übte Banaszak scharfe Kritik an der Bundesregierung. Der SPD-Vorsitzende und Finanzminister Lars Klingbeil versuche mit “einer hohen Kreativität, ja beinahe Akribie”, jedes Schlupfloch zu nutzen, “das die Grundgesetzformulierung irgendwie lässt.” Er nutze das Sondervermögen nicht für die gedachten Zwecke, sondern zur Lösung anderer Probleme.
Banaszak spricht hier von dem im März 2025 durch eine Grundgesetzänderung ermöglichten Sondervermögen für zusätzliche Investitionen in Infrastruktur und Klimaschutz. Von den insgesamt geplanten 500 Milliarden Euro sollen 100 Milliarden für den Klima- und Transformationsfonds (KTF) genutzt werden. 100 Milliarden stehen den Bundesländern für Investitionen in deren Infrastruktur zur Verfügung.
Jetzt solle aber zum Beispiel aus dem KTF Gas künstlich subventioniert werden, kritisiert der Grünen-Politiker. “Aus Geldern, die dafür da sind, dass wir in die Zukunft investieren, soll jetzt die Vergangenheit subventioniert werden.”
Geld für fossile Energie, aber auch für Infrastruktur
Es ist richtig, dass die bislang über den Gaspreis finanzierte Gasspeicherumlage in Zukunft aus dem KTF bezahlt werden soll. Damit würden fossile Energieträger aus dem eigentlich für Klimaschutzmaßnahmen vorgesehenen Fonds subventioniert.
Laut einem Bericht des Bundesrechnungshofs an den Bundestag im Juli will die Bundesregierung außerdem Geld aus dem KTF für Entschädigungszahlungen an die Betreiber von Kohlekraftwerken nutzen.
Allerdings plant die Bundesregierung laut ihrem beschlossenen Haushaltsentwurf für 2026 mit dem Sondervermögen auch Investitionen in Bildung, Wohnungsbau, Digitalisierung und die Modernisierung der Verkehrsinfrastruktur – wofür die Grundgesetzänderung gedacht war. Explizite Investitionen in den Klimaschutz weist der Entwurf nicht gesondert aus.
Geplante Ausgaben aus dem Sondervermögen Infrastruktur und Klimaschutz
in Mrd. Euro *
2025 | 2026 | 2027 | 2028 | 2029 | |
---|---|---|---|---|---|
Verkehrsinfrastruktur | 11,7 | 21,3 | 20,2 | 20,3 | 19,8 |
Krankenhausinfrastruktur | 1,5 | 6,0 | 3,5 | 3,5 | 19,8 |
Energieinfrastruktur | 0,9 | 2,1 | 2,8 | 3,2 | 3,0 |
Bildungs- und Betreuungsinfrastruktur | 0 | 1,2 | 1,4 | 1,4 | 1,5 |
Forschung und Entwicklung | 0,5 | 1 | 1,5 | 2,1 | 3,4 |
Digitalisierung | 4,0 | 8,5 | 8,6 | 8,6 | 8,5 |
Wohnungsbau | 0,3 | 0,5 | 0,7 | 1,0 | 1,2 |
Bundessäule gesamt | 18,9 | 40,5 | 38,8 | 40,1 | 40,8 |
Zuweisungen an Länder/ Kommunen | 8,3 | 8,3 | 8,3 | 8,3 | 8,3 |
Zuweisung an KTF | 10,0 | 10,0 | 10,0 | 10,0 | 10,0 |
Ausgaben gesamt | 37,2 | 58,9 | 57,1 | 58,4 | 59,2 |
* Rundungsdifferenzen sind möglich Quelle: Bundesfinanzministerium |
Pünktlichkeit bei der Deutschen Bahn
Bezüglich der nötigen Investitionen in die Infrastruktur behauptete Banaszak, eine “65 Prozent Pünktlichkeitsquote im Fernverkehr bei der Deutschen Bahn kann doch niemand zufriedenstellen. Dieser Wert ist gerundet korrekt.
Im Integrierten Zwischenbericht der Deutschen Bahn wird für das erste Halbjahr 2025 ein Pünktlichkeitswert von 63,4 Prozent für den Fernverkehr genannt. Die Reisendenpünktlichkeit im DB Fernverkehr lag im ersten Halbjahr 2025 bei 68,7 Prozent. Beide Werte sind im Vergleich zum Vorjahr leicht gestiegen.
Die Deutsche Bahn unterscheidet nach eigenen Angaben die betriebliche Pünktlichkeit und die Reisendenpünktlichkeit. Ein Zug wird als “betrieblich pünktlich” gewertet, wenn er seine planmäßige Ankunftszeit um weniger als 6 Minuten überschritten hat. Darüber hinaus gibt die Reisendenpünktlichkeit Aufschluss über die pünktliche Ankunft von Fahrgästen am gebuchten Zielbahnhof unter Berücksichtigung funktionierender oder verpasster Anschlüsse, Ausfällen und Fahrplanänderungen.
Antwort auf Fragen aus der Community
Nach dem Sommerinterview beantwortete Banaszak noch Fragen aus der tagesschau-Community. Im Bezug auf Deutschlands Haltung zu Israel sagte er, es müsse aufgrund der Situation im Gazastreifen mehr Druck auf die israelische Regierung geben.
Außerdem halte er es für einen Fehler, dass die EU noch keine Sanktionen gegen Bezalel Smotrich und Itamar Ben-Gvir verhängt hat; zwei Minister, die Banaszak zufolge “eindeutig rechtsextrem sind”.
Sanktionen gegen israelische Minister
Der israelische Finanzminister Bezalel Smotrich ist Mitglied einer Partei, die das in London ansässige Institute for Strategic Dialogue als “Zusammenschluss von religiösen rechtsextremen Parteien” beschreibt. Außerdem hat sich Smotrich selbst als “faschistischer Homophob” bezeichnet, wie unter anderem die israelische Zeitung Haaretz 2023 berichtete.
Sicherheitsminister Itamar Ben-Gvir gehört der Partei “Otzma Yehudit” an. In einem UN-Bericht von 2023 wird die Partei als “am weitesten rechts stehende Partei in der israelischen Politik” bezeichnet. 2007 wurde er wegen “Anstachelung zu Rassismus” und Unterstützung einer Terrororganisation verurteilt.
Mehrere Länder, unter anderem das Vereinigte Königreich, haben gegen die beiden Minister Sanktionen aufgrund rechtsextremer Äußerungen erlassen.
Die Termine der kommenden Sommerinterviews
10. August: Bärbel Bas, SPD
17. August: Jan van Aken, Linke
24. August: Markus Söder, CSU