Bezirke

Augsburg: Kind misshandelt – Gericht verhängt gegen Eltern hohe Haftstrafen – Bayern | ABC-Z

Von „Hölle“ ist in den Plädoyers des Staatsanwalts und der Nebenklagevertreterin die Rede. Auch von lediglich der „Spitze des Eisbergs“, was an Vorwürfen im Prozess zutage gefördert wurde. Vater und Stiefmutter sollen einen Sechsjährigen geschlagen, gefesselt und in den Heizungsraum sowie andere Zimmer gesperrt haben. Sie sollen dem Buben Essen vorenthalten, ihn entwürdigt und misshandelt haben. „Er wurde“, so formuliert es die Anwältin des Buben, „als Fußabstreifer für sämtlichen Stress und Ärger benutzt“.

So sieht es am Ende auch das Schöffengericht am Amtsgericht Augsburg. Der Vater muss drei Jahre und acht Monate in Haft, die Stiefmutter drei Jahre und zwei Monate, wegen schwerer Misshandlung von Schutzbefohlenen, Körperverletzung und Freiheitsberaubung. Die Geständnisse, kritisiert die Richterin, seien „sehr wenig von Reue getragen“. Dass ein Kind in diesem Alter von zu Hause fliehe, wie es der Bub schließlich tat, „das macht einen einfach nur sprachlos“. Am Ende ging es in dem Prozess auch darum, wie Aussagen eines Sechsjährigen bewertet werden können. In diesem Fall, da lässt die Richterin in ihrer Urteilsbegründung keinen Zweifel, glaubt das Gericht dem Kind vollumfänglich.

Die Verteidiger der Angeklagten, die beide Bewährungsstrafen forderten und zumindest für den Angeklagten vermutlich in Berufung gehen werden, finden in ihren Plädoyers den Ursprung allen Übels im plötzlichen Tod der leiblichen Mutter. Erst anschließend sei aus dem einst liebevollen Vater ein in Berufs- und Privatleben überforderter Erziehungsberechtigter geworden. Die Stiefmutter, die selbst vier Kinder hat, wovon ihr zwei vor ihrer Ehe mit dem Angeklagten vom Jugendamt entzogen worden waren, sei zumindest bei den körperlichen Misshandlungen nicht die treibende Kraft gewesen.

Vor allem aber heben beide Verteidiger darauf ab, dass aus ihrer Sicht Zweifel blieben an den Aussagen des Kindergartenkindes. Seine Einlassungen seien nicht durchgehend konsistent, sie seien teils widersprüchlich. Auch wenn die Vorwürfe im Kern stimmten, könne man nicht ausschließen, dass der Bub Schilderungen über Misshandlungen übertreibe. Sie zeigen sich deshalb nicht einverstanden damit, dass das Gericht kein Gutachten über die Aussagequalität des Buben zuließ.

Dem widersprechen die Nebenklagevertreterin und der Staatsanwalt vehement. Die Aussagen, wie er gefesselt worden sei, wie er einmal beim Essen nur habe zusehen dürfen, seien detailreich und erlebnisbasiert. Sie seien vor allem im Gespräch mit Zeugen, bei der Polizei und dem Gericht durchgehend gleich geblieben. Der Bub habe bei einer der Vernehmungen ungefragt Besen gemalt und auch eine genaue Beschreibung des Besens gegeben, mit dem er geschlagen worden sei. „Selbst wenn es Unschärfen in den Aussagen gegeben hat, betreffen sie nicht das Kerngeschehen“, argumentiert der Staatsanwalt.

Der Angeklagte überreicht einen Brief an seinen Sohn

Der Sechsjährige ist mindestens ein Jahr lang zu Hause eingesperrt, geschlagen und immer wieder gefesselt worden, daran besteht für Gericht und Anklage kein Zweifel. Dies bestätigten Zeugenaussagen, auch Funde wie aufgeschnittene Kabelbinder im Heizungskeller neben einem mit Kissen und Decke ausgestatteten Schlafplatz. Dies bestätige auch, dass der Bub im Jahr 2024 zwar zehn Zentimeter gewachsen sei, aber ein halbes Kilo abgenommen habe. Und dies bestätigte schließlich das rechtsmedizinische Gutachten, das die Verletzungen des Buben, Hämatome und Striemen von Fesselungen, mit seinen Schilderungen in Einklang brachte.

Als „besonders eindrücklich“ schildern die Ankläger das am vorletzten Verhandlungstag vorgetragene Gutachten eines Facharztes für Kinder- und Jugendmedizin. Der Professor vom Haunerschen Kinderspital in München berichtete von einem hohen Risiko für das Kind, später einmal psychische Krankheiten zu erleiden, dass er etwa eine depressive Störung bekomme oder in die Drogenabhängigkeit rutsche. Es gebe bereits Anzeichen für eine posttraumatische Belastungsstörung, sagt der Staatsanwalt.

Man müsse Vater und Stiefmutter vorwerfen, dass sie sich in ihrer Überforderung keine Hilfe geholt hätten. Sowohl der Staatsanwalt als auch die Anwältin des Buben kritisieren vor allem den Vater, selbst im Prozess keine glaubhafte Reue gezeigt zu haben. Auffällig war tatsächlich: Zu Beginn des Prozesses ließ der 33-Jährige durch seinen Verteidiger die Anklagepunkte einräumen. In seinen Aussagen bestritt er dann jedoch einen Großteil der Taten und zeichnete das Bild eines harmonischen Familienlebens.

Da hilft aus Sicht der Ankläger auch der Brief an seinen Sohn nichts mehr, den der Angeklagte am Tag des Urteils der Richterin vorlegt: Er hoffe, schreibt der Vater, dass sein Sohn, der inzwischen in einer Wohngemeinschaft untergebracht ist, ihm irgendwann verzeihen könne. Dass er vielleicht mal wieder die Möglichkeit haben werde, ihn in den Arm zu nehmen.

Back to top button