Kochel am See: Auf den Spuren des Märchenkönigs in den Bergen – Bad Tölz-Wolfratshausen | ABC-Z

In vier Minuten mit der Herzogstandbahn 800 Höhenmeter nach oben zu schweben, hätte dem technikaffinen König Ludwig II. wohl gefallen. Weniger angetan wäre er womöglich von den vielen Touristen, die heutzutage dort unterwegs sind, wo er 1866 im Gebiet zwischen Fahrenberg-, Martinskopf und Herzogstandgipfel seine Bergresidenz zu bauen begann.
Das leitet über zur schwierigen Balance, einerseits die sensible Bergnatur für kommende Generationen erhalten und andererseits touristisch erschließen zu wollen. In dieses Spannungsfeld führt die neue Themenwelt „König der Berge“, die Vertreter der Kommune Kochel am See gemeinsam mit zahlreichen Ehrengästen am Mittwochnachmittag auf dem Herzogstand eröffneten.
„Es werden nicht mehr Gäste als sowieso schon kommen“, sagt der Kochler Tourismusleiter
Daniel Weickel, der das Tourismusamt im Kochler Rathaus leitet, hält das Risiko, damit mehr Besucher als verträglich anzuziehen, für gering. „Es werden nicht mehr Gäste als sowieso schon kommen“, sagt er auf Nachfrage. Die Informationstafeln, die das Leben Ludwigs II. im Gebirge und seine Bergresidenzen nahebringen sollen, stünden ausschließlich an bestehenden Wegen. Es entstehe identitätsstiftender Mehrwert für Einheimische und Gäste. „Ludwig II. war nicht nur der Märchenkönig, sondern auch der Bergkönig.“
Genau diese naturverbundene Seite Ludwigs II. sollen die drei neuen Themenwege im Herzogstandgebiet aufzeigen. Der Monarch hatte zu Beginn seiner Regierungszeit die von der Wittelsbacher Familie zur Jagd genutzten Berghäuser übernommen und teils umgebaut. Oben am Berg verbrachte er mehrere Wochen im Jahr in den verschiedenen Regionen zwischen dem Ammer- und Wettersteingebirge, Kochel und Walchensee, dem Karwendel und Berchtesgaden. Darüber können sich Nutzer ebenso mithilfe der kostenlosen König-der-Berge-App informieren und weitere Hintergrunddetails abzurufen. Das soll das Projekt Menschen barrierefrei zugänglich machen, die es nicht auf den Berg schaffen.
Von einem Gemeinschaftswerk zwischen Wissenschaft, öffentlicher Hand, Bürgern und dem Haus Wittelsbach sprach der Kochler Tourismusleiter Weickel beim Pressetermin. „Das ist weit mehr als ein touristisches Angebot, sondern ein Akt historischer Rückgewinnung.“
Michaela Kaniber, Staatsministerin der CSU für Ernährung, Landwirtschaft, Forsten und Tourismus, sparte die Thematik des Overtourism nicht aus. Bergtourismus werde immer attraktiver, sagte sie. Daher müsse es darum gehen, Qualität vor Quantität zu stellen, echte Begegnungen in den Vordergrund zu stellen und bleibende Eindrücke statt kurzlebiger Instagram-Motive in den Mittelpunkt der Reise zu stellen. Dafür stehe das einzigartige Kochler Projekt.
Am Herzogstand werde die Verbindung zwischen Monarch und Natur lebendig, sagt Ministerin Kaniber
„Hier am Herzogstand wird die Verbindung zwischen Monarch und Natur lebendig“, so Kaniber. Ludwig II. habe Workation – die Verbindung von Arbeiten und Urlaub – vorweggenommen und die Natur bewahren wollen. Das vermittelten auch die Themenwege.
Zu seiner Zeit prägte Ludwig II. durch seine Aufenthalte ab 1866 neben der unmittelbaren Bergregion am Herzogstand auch die Tallagen der Umgebung. In Kochel am See und Schlehdorf waren Teile seiner Gefolgschaft untergebracht. Am Altlachler Hochkopf in der östlich angrenzenden Jachenau hatte Ludwig II. auch ein Bergrefugium. Daran erinnerte der Kochler Bürgermeister Jens Müller (UWK). Für seine Bergaufenthalte habe sich der Monarch ganz bewusst die noch etwas lieblichere Voralpenregion ausgesucht, so der Rathauschef. Das Projekt verdeutliche, dass Ludwig II. nicht nur der König der Schlösser, sondern auch der Märchenlandschaften sei.
Viel in den Bergen unterwegs waren Ludwig und sein Bruder von Kindheitstagen an. Sein Vater, der spätere Max II., war zu Fuß in den Bergen zwischen Lindau und Berchtesgaden unterwegs. Dessen Frau Marie bestieg zahlreiche Berge Bayerns. So vermittelten beide ihren Kindern den Zugang zur Natur. „Ludwig II. hat das perfektioniert, die Berghäuser ausgebaut“, so Luitpold Prinz von Bayern. Seine Familie hatte zu Recherchezwecken für das Projekt „König der Berge“ das geheime Hausarchiv geöffnet. „Die Erhabenheit der Natur und Landschaft zu erhalten, ist wichtig“, so Prinz Luitpold.

Unter den Ehrengästen im Berggasthaus Herzogstand war auch der Autor und Ludwig-Kenner Jean-Louis Schlimm, der das Projekt mit seiner Expertise unterstützte. Federführend dafür recherchierten aber der einstige Kastellan von Schloss Neuschwanstein, Markus Richter, sowie Vanessa Richter, die früher Kulturvermittlerin des Museums der bayerischen Könige war.
Beide schilderten, dass die Bergleidenschaft Ludwigs II. anfangs gar nicht so sehr in ihrem Fokus gestanden habe. Informationen zu den Berghäusern zu finden, die heute vielfach nicht mehr existent seien, habe der Suche nach der Nadel im Heuhaufen geglichen. Doch im Archiv hätten sie schließlich komplette Aufzeichnungen aller Bauten gefunden.
Vanessa Richter fragte, ob es Zufall sein könne, dass die Unesco die bayerischen Schlösser Ludwigs II. ausgerechnet am 12. Juli 2025 ins Weltkulturerbe aufgenommen und der König am 12. Juli 1867 die erste Nacht im neu eingeweihten Haus am Herzogstand verbracht habe. „Natur war für Ludwig II. Abbild der Schöpfung“, so Markus Richter. Der König habe Entschleunigung in den Bergen vorgelebt. Dieser Gedanke solle sich im Projekt widerspiegeln.
Das soll sich mittelfristig laut Weickel etwa durch Vernetzung mit anderen Regionen Bayerns mit Bezug zu Ludwig II. weiterentwickeln. Der Kochler Tourismusleiter gab an, sogar von einem Informationszentrum für den Monarchen in Kochel am See zu träumen. Zumindest ab Herbst soll eine Dauerausstellung im Bahnhof Gästen den „König der Berge“ näherbringen. „Wir wollen den Menschen erklären, nicht verklären“, so Weickel. Besuchern der Region solle das Projekt vermitteln, sich ebenso mit der Natur auseinanderzusetzen.