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Cold Case Cornelia Hümpfer: US-Soldat zu lebenslanger Haft verurteilt | ABC-Z

„Am Ende hat er dann sein wahres Gesicht gezeigt“, sagt der Bruder von Cornelia Hümpfer nach der Urteilsverkündung. „Er wirkte den ganzen Prozess über ruhig. Aber das ist er wohl nicht.“ Der Bruder ist sich sicher: Tommy M. hat seine Schwester vor 47 Jahren ermordet. Und am Ende des Indizienprozesses ist auch das Landgericht Schweinfurt zu diesem Schluss gekommen. Tommy M. wird wegen des Mordes an Hümpfer zu lebenslanger Haft verurteilt.

Damit endet der Fall, den die Vorsitzende Richterin bei der Urteilsverkündung am Dienstag als „ganz besonders“ bezeichnet. Vieles bleibt offen, viele Indizien nennt die Richterin selbst ungenügend. Aber am Ende holte Tommy M. eine jahrzehntealte DNA-Spur an einem Kniestrumpf ein.

Lange verfolgt M. die Urteilsverkündung reglos, ein Dolmetscher übersetzt für ihn. Doch als die Vorsitzende Richterin ansetzt, um ihn über sein Revisions-Recht aufzuklären, wird der 71-Jährige laut. „Go to hell!“, schreit er die Richterin an. „I didn‘t do it!“, ruft er aus und springt auf: Fahr zur Hölle, ich war es nicht.

Seine Verteidiger wollen in Revision gehen

Für seine beiden Verteidiger ist das die Wut eines zu Unrecht lebenslang verurteilten Mannes. Noch dazu in einem Rechtssystem, das ihm fremd ist. Beide wollen Revision einlegen. Die Vorwürfe seien M. angehängt worden von einer Ex-Frau sowie einem Freund, mit dessen Frau Tommy M. angeblich eine Affäre hatte. Beide hatten in dem Prozess gegen M. ausgesagt, er habe ihnen die Tat gestanden.

Nachdem der Fall Jahrzehnte ungelöst ruhte, wurden 2023 DNA-Spuren von Tommy M. an einem Kniestrumpf der toten Cornelia gefunden. Diese Spuren führten zu seiner Festnahme in Nebraska. Ein Jahr später wurde er nach Deutschland überstellt. Damit zieht sich der Fall an dem Landgericht in der beschaulichen bayerischen Stadt über zwei Kontinente und fast 50 Jahre.

Tommy M. war in den Siebzigern als US-Soldat in Schweinfurt stationiert. Über das Verhältnis zwischen ihm und Hümpfer ist nicht viel bekannt. Laut der Vorsitzenden Richterin hatte der damals 24-Jährige eine Affäre mit der 18-jährigen Cornelia. Sie machte zu dem Zeitpunkt eine Ausbildung zur Erzieherin. Sie sei Teil einer großen, fröhlichen Familie gewesen, erzählt ihr Bruder nach dem Prozessende. Einen Freund hatte sie auch.

Mit ihm war sie eigentlich verabredet am 20. April 1978. Hümpfer soll erzählt haben, sie gehe zuvor zu einer Chorprobe. Weder dort, noch bei ihrem Freund tauchte sie auf. Stattdessen, davon ist das Landgericht überzeugt, traf sie sich mit Tommy M. Sie soll ihm von ihrer Schwangerschaft erzählt haben, davon, dass sie ihn auffliegen lassen würde, alles seiner Frau Linda M. erzählen würde. Daraufhin habe er sie getötet, mit 14 Messerstiche in den Rücken der jungen Frau. Cornelia Hümpfer verblutete und wurde am nächsten Morgen tot auf einem Feld am Straßenrand gefunden.

Er wollte die Affäre und die Schwangerschaft vertuschen

Im Visier der Ermittler war Tommy M. schon lange. Seine zweite Ehefrau, die er erst nach seinem Aufenthalt in Deutschland traf, zeigte ihn in den Neunzigerjahren US-Militärpolizei an. Zuvor soll er ihr den Mord gestanden haben. Die Schweinfurter Ermittler wurden informiert, hatten aber noch nicht die technischen Möglichkeiten, seine DNA auf Hümpfers Kleidung nachzuweisen.

Mit dem Mord habe er die Affäre und die Schwangerschaft vertuschen wollte, so soll es Tommy M. seiner Ex-Frau damals erzählt haben. Damit, fügt die Vorsitzende Richterin hinzu, habe Tommy M. nicht nur Hümpfer, sondern auch deren vermeintliches Kind getötet. Dass Hümpfer tatsächlich nicht schwanger war, mag der Verurteilte erst in dem Mordprozess erfahren haben.

Die Vorsitzende Richterin spricht von einem sehr schwierigen Prozess: Viele Indizien wies das Gericht als ungenügend zurück. Es gab weitere Zeugen, die ein Liebespaar, möglicherweise Cornelia und Tommy M., in einem Auto am Tatort gesehen haben sollen, dazu Reifenspuren, die zum Wagen von Tommy M. passen sollen.

Bruder: „Vergessen werden wir Cornelia nie“

Aber dass sich zwei Personen in unterschiedlichen Jahrzehnten unabhängig voneinander die Geschichte eines Geständnisses ausdenken würden und dann, passend dazu, Tommy M.s DNA an Cornelia Hümpfers Kniestrümpfen auftauche – darin einen Zufall zu sehen, sei laut der Vorsitzenden Richterin „absurd“. Die Verbindung aus den Zeugenaussagen und den DNA-Spuren sei es, was letztlich zu der Verurteilung geführt habe.

Der Prozess habe in den vergangenen Jahren viel aufgewühlt, sagt Cornelias Hümpfers Bruder vor dem Gerichtsgebäude. Ob sich mit dem Schuldspruch etwas für ihn verändern würde? „Es ist eine Geschichte, die kein Happy End hat“, sagt er. Nun könne die Familie zumindest abschließen. „Vergessen werden wir Cornelia nie.“

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