Hackerangriff auf Aeroflot – Dutzende Flüge in Russland gestrichen | ABC-Z

Berlin. Über 40 Flüge sollen am Montag in Russland ausgefallen sein – wegen eines Hackerangriffs auf die Airline Aeroflot. Wer hinter dem Angriff steckt.
Aeroflot, die größte Fluggesellschaft Russlands mit Sitz in Moskau, ist offenbar gehackt worden. Das berichtet die Nachrichtenagentur Reuters. In der Konsequenz mussten demzufolge Dutzende Flüge gestrichen werden. Die Tatverdächtigen sind der Nachrichtenagentur zufolge auch schon ausgemacht: Es soll sich um zwei pro-ukrainische Hackerguppen handeln, die den schwerwiegenden Cyberangriff auf das größte Land der Erde verursacht haben sollen.
Die Staatsanwaltschaft hat den Hack bestätigt und strafrechtliche Ermittlungen aufgenommen. Der Kreml sprach von einem besorgniserregenden Vorfall, von einem Weckruf für das Land. Der hochrangige russische Politiker Anton Gorelkin sagte, Russland sei einem digitalen Angriff ausgesetzt.
„Wir dürfen nicht vergessen, dass der Krieg gegen unser Land an allen Fronten geführt wird, auch an der digitalen. Und ich schließe nicht aus, dass die ‚Hacktivisten’, die sich zu dem Vorfall bekannt haben, im Dienste unfreundlicher Staaten stehen”, sagte Gorelkin in einer Erklärung. Ein weiteres Mitglied des Parlaments, Anton Nemkin, sagte, die Ermittler müssten nicht nur die Angreifer identifizieren, sondern auch „diejenigen, die systemische Versäumnisse beim Schutz zugelassen haben“.
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Mitten in der Urlaubszeit: Wegen Hackerangriff fallen mehr als 40 Aeroflot-Flüge aus
Aeroflot hat bislang keine Angaben dazu gemacht, wann die Probleme behoben sein könnten. Die Abflugtafeln am Moskauer Flughafen leuchteten am Montag rot. Der Hackerangriff trifft die Airline mitten in der Urlaubszeit. Mehr als 40 Flüge mussten nach Angaben des Unternehmens gestrichen werden, darunter insbesondere Inlandsflüge sowie einige Flüge in die belarussische Hauptstadt Minsk und die armenische Hauptstadt Eriwan. Weitere Flüge seien am Flughafen Sheremetyevo verspätet gewesen.
Auch auf dem Aktienmarkt machte sich der Vorfall bemerkbar: Die Aktien der Fluggesellschaft waren um 14 Uhr mitteleuropäischer Zeit um 3,9 Prozent gefallen und blieben damit hinter dem Gesamtmarkt zurück, der um 1,4 Prozent nachgab.
Zwei pro-ukrainische Hackergruppen bekennen sich zu der Cyber-Attacke
In einem Bekennerschreiben, das von der Hackergruppe Silent Crow stammen soll, heißt es, man habe die Aktion gemeinsam mit der Gruppe Belarusian Cyberpartisans geplant und durchgeführt. Letztere soll eine sogenannte Hacktivisten-Gruppe sein, die sich gegen den belarussischen Präsidenten Alexander Lukaschenko stellt und Belarus laut der Mitteilung von einer Diktatur befreien will.
„Ruhm der Ukraine! Lang lebe Belarus!“, soll Silent Crow geschrieben haben. Auch die Gruppe Belarusian Cyberpartisans schrieb laut Reuters auf ihre Website: „Wir unterstützen die Ukrainer in ihrem Kampf gegen die Besatzer, indem wir einen Cyberangriff auf Aeroflot durchführen und die größte Fluggesellschaft Russlands lahmlegen.”
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Cyber-Angriff auf Aeroflot wohl schon ein Jahr lang geplant
Aus der Ukraine gab es zu dem Vorfall von offizieller Seite zunächst keinen Kommentar. Für die Gruppe Silent Crow wäre es nicht der erste Hackerangriff – sie bekannte sich in diesem Jahr schon zu Angriffen auf eine russische Immobiliendatenbank, ein staatliches Telekommunikationsunternehmen, eine große Versicherungsgesellschaft, die IT-Abteilung der Moskauer Regierung und die russische Niederlassung des südkoreanischen Automobilherstellers KIA. Einige der Angriffe führten zu großen Datenlecks.
Laut Silent Crow und Belarusian Cyberpartisans sei der Angriff ein Jahr lang geplant worden. Die Gruppen haben eigenen Angaben zufolge das Netzwerk von Aeroflot tief infiltriert, 7000 Server zerstört und die Kontrolle über die Computer von Mitarbeitern, darunter auch Führungskräfte, übernommen.
Aeroflot ist eine der größten Airlines der Welt
Die betroffene Airline arbeite derzeit daran, die Auswirkungen auf den Flugplan in Grenzen zu halten und einen normalen Betrieb wieder zu ermöglichen. Viele Menschen in Russland haben sich zwar seit dem Angriffskrieg auf die Ukraine an regelmäßige Flugausfälle gewöhnt. Dennoch haben sich Reuters zufolge mehrere Betroffene in sozialen Netzwerken ihrem Ärger Luft gemacht. Demnach sei der Informationsfluss zu Flugstreichungen und Umbuchungen gestört und die Airline weder über die Website noch per App erreichbar.
Die wiederum teilte mit, dass betroffene Passagiere eine Rückerstattung erhalten oder umbuchen könnten, sobald die Systeme wieder funktionieren. Man versuche, einigen Passagieren Plätze bei anderen Fluggesellschaften zu besorgen. Aeroflot ist trotz der westlichen Sanktionen in Bezug auf die Passagiere eine der größten Fluggesellschaften der Welt. Im letzten Jahr seien 55,3 Millionen Menschen durch das Unternehmen befördert worden.
Aeroflot-Cyberangriff ist laut einem russischen Luftfahrtexperten „eine schwere Katastrophe“
Immer wieder ist Russland in den vergangenen Jahren Hackerangriffen ausgesetzt gewesen – dieser dürfte einer der weitreichendsten sein. Der ehemalige Aeroflot-Pilot und Luftfahrtexperte Andrei Litvinov sagte gegenüber Reuters: „Das ist eine schwere Katastrophe. Okay, Flugverspätungen – damit kann man leben. Aber das sind Verluste, enorme Verluste für ein staatliches Unternehmen.“ Er fügte hinzu: „Wenn die gesamte Korrespondenz, alle Unternehmensdaten offengelegt werden, kann das sehr langfristige Folgen haben … Erst die Drohnen, und jetzt sprengen sie diese Situation von innen heraus.“
Hauptstadt Inside von Jörg Quoos, Chefredakteur der FUNKE Zentralredaktion
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Auch Kreml-Sprecher Dmitri Peskow sagte: „Die Informationen, die wir in der Öffentlichkeit lesen, sind ziemlich alarmierend. Die Hacker-Bedrohung ist eine Gefahr, die für alle großen Unternehmen, die Dienstleistungen für die Bevölkerung erbringen, weiterhin besteht.“