England feiert die EM-Titelverteidigung ausgelassen | ABC-Z

Erst die Arbeit, dann das Vergnügen: Nach dem hart erkämpften EM-Titel im Finale gegen Spanien (4:2 n.E.) haben die englischen Fußballerinnen ausgelassen gefeiert. Die “Lionesses” haben vielen Widerständen getrotzt – und immer an sich geglaubt.
Als Beth Mead gegen 23 Uhr die Musikbox vorbei an den wartenden Journalistinnen und Journalisten durch die Mixed Zone schob, dröhnte das EM-Motto der “Löwinnen” durch die Katakomben des St. Jakob-Parks: “Don’t Stop Believin’”. Geschafft, aber glücklich folgten die alten und neuen Europameisterinnen.
Ich bin so stolz auf diese Mannschaft. Und wir feiern heute Abend für die ganze Nation mit.
“Wir haben dem Druck standgehalten – und werden eine große Party feiern”, kündigte Torschützin Alessia Russo an und Chloe Kelly, die den finalen Elfmeter verwandelt hatte, fügte hinzu: “Der Titel bedeutet mir so viel. Ich bin wirklich stolz, eine Engländerin zu sein. Wir fahren jetzt zurück ins Hotel – und die Party wird ‘massive‘.” Massiv. Frei übersetzt: riesig.
Allesamt waren noch ungeduscht – und in ihren Trikots. Auf dem schnellsten Weg zum Mannschaftsbus, um nach der Feierei im Stadion und mit den Fans in ihrem Hotel weiterzumachen.
Verdienter Sieger? England überwindet alle Widerstände
“Don’t Stop Believin’” – “Hör nicht auf daran zu glauben”. Der Evergreen der Band Journey von 1981 wurde für die Engländerinnen in der Schweiz zum Motto. Und damit so aktuell wie selten. Denn nur drei Wochen ist es her, dass sie mit der 1:2-Niederlage gegen Frankreich einen Fehlstart ins Turnier hingelegt hatten. Aber selbst in dieser Partie hatten die Spielerinnen von Trainerin Sarina Wiegman den 0:2-Rückstand aus der ersten Hälfte am Ende fast noch ausgeglichen.
Ich habe von Anfang an gewusst, dass wir wieder den Titel gewinnen werden.
Die “Lionesses” haben bei dieser EM wirklich nie aufgegeben. Dabei standen sie, die ihre beiden anderen Gruppenspiele souverän gewonnen hatten, in der Folge mehrfach vor dem Aus. Im Viertelfinale gegen Schweden, als sie nach 25 Minuten mit 0:2 hinten lagen – und sich schließlich im Elfmeterschießen durchsetzten.
Und im Halbfinale gegen Italien, als sie in der sechsten Minute der Nachspielzeit durch das Tor von Michelle Agyemang gerade noch die Nachspielzeit erzwangen – und Kelly wiederum eine Minute vor dem Ende der Verlängerung zum 2:1-Sieg traf.
Wir haben so viel Resilienz gezeigt und immer dran geglaubt, dass wir unseren Titel verteidigen werden.
Da überraschte es nicht, dass sich Kapitänin Leah Williamson und Co. auch vom spanischen 1:0 im Endspiel nicht aus der Bahn werfen ließen. Man könnte sagen, England habe – anders als Weltmeister Spanien – nicht europameisterlich gespielt. Allerdings hat auch kein Team einen solchen Willen und eine solche Moral gezeigt wie die Frauen von der Insel.
Nimmermüder Einsatz wird belohnt
Die Engländerinnen haben sich den Sieg wahrlich hart erarbeitet: Kein Team ist mehr gelaufen – insgesamt waren es nach dem Finale 733 Kilometer. Sie haben sich die meisten Großchancen erspielt – im Schnitt 4,1 pro 90 Minuten. Sie haben die meisten Flanken und langen Bälle zur Mitspielerin gebracht.
Und auch wenn nicht alles so silbern glänzte wie der EM-Pokal – insgesamt haben die Britinnen nur zwei ihrer sechs EM-Spiele nach 90 Minuten gewonnen – so haben sie sich die Trophäe durch ihren nimmermüden Einsatz redlich verdient.
Und wieder ertönt am Ende “Sweet Caroline”
Und so sangen am Ende die englischen Fans wieder voller Inbrunst: “Sweeeeet Ca-ro-line! Oh, oh, ooooh!” Torhüterin Hannah Hampton hatte zwei Elfmeter gehalten – und wurde zur Spielerin des Spiels gewählt. Die 19-Jährige Agyemang wurde als beste junge Spielerin des Turniers ausgezeichnet. Und wie schon beim Heim-Turnier vor drei Jahren bekam das ganze Team die 6,7 Kilogramm schwere und 60 Zentimeter hohe EM-Trophäe.
Wiegman hebt England “auf ein neues Level”
Wiegman, für die es nach dem Triumph mit den Niederlanden 2017 sogar schon der dritte Titel in Serie war, kündigte an, bei der Party “wohl ein bisschen weniger als die Spielerinnen” zu trinken. Die Niederländerin war aber selbst im Stadion schon freudentrunken vor der englischen Kurve durch den Strafraum getanzt.
England-Trainerin Sarina Wiegman (M.) wurde zum “Feierbiest”.
Und als die “Lionesses” wenig später am Ende ihrer Ehrenrunde den Pokal für ihre Siegerfotos im Mittelkreis suchten, wurde Esme Morgan eben bei Wiegman fündig, die den Pokal glückselig in den Armen hielt.
“Sie ist immer die Erste, die den Anteil aller am Erfolg betont“, erklärte Routinier Lucy Bronze. “Aber sie ist einfach toll. Sie hat unsere Mannschaft auf ein neues Level gehoben.” Und Russo ergänzte: “Sie hat es auf jeden Fall verdient. Sie ist hier der Boss.”
Bronze hat noch lange nicht genug
Bronze hofft jedenfalls, dass sie und Wiegman den gemeinsamen Weg noch ein bisschen weitergehen. Die 33 Jahre alte Rechtsverteidigerin hat mit dem Einsatz im Finale einen Rekord aufgestellt. Es war ihr 36. Spiel bei einer EM oder WM. Damit hat sie US-Ikone Jill Scott (35) nun hinter sich gelassen. Ob es ihr letzter Einsatz bei einem großen Turnier war, wurde sie in der Mixed Zone gefragt. Die Antwort: “Auf gar keinen Fall.”
Und genauso wie ihr Karriereende in der Nationalmannschaft nicht abzusehen ist, galt das auch für die Sause in der Baseler Nacht. Bronzes Mitspielerin Morgan kündigte jedenfalls gleich mal mehrere Tage Party an.