Venedig nur für Reiche? Das darf nicht die Lösung sein | ABC-Z

Berlin. 100 Euro Eintritt für Venedigs Tagestouristen? Dieser Vorschlag trifft die Falschen. Die Lagunenstadt braucht faire und kluge Alternativen.
Venedig ist ein kulturelles Weltwunder – und soll das auch zu Recht bleiben. Ob Markusplatz, Rialtobrücke oder Dogenpalast, die jahrhundertealte Architektur, die Kopfsteinpflastergassen und zahlreichen Kanäle, die die Stadt durchziehen, leiden unter den Menschenmassen, die jährlich in die Lagunenstadt drängen. Tagestickets für Touristen wurden getestet, um die Besucherzahl einzudämmen. Das Ergebnis: unbefriedigend. Aber sollten deshalb künftig in den Hauptreisezeiten nur noch Menschen mit gut gefülltem Portemonnaie kommen?
Ein FUNKE Liebe
Alle zwei Wochen sonntags: Antworten auf Beziehungsfragen – ehrlich, nah und alltagstauglich.
Mit meiner Anmeldung zum Newsletter stimme ich der
Werbevereinbarung
zu.
Wer jetzt, wie der Präsident der Händlervereinigung Piazza San Marco, ernsthaft vorschlägt, dass Venedigs Tagestouristen künftig pauschal 100 Euro Eintritt zahlen, offenbart ein zutiefst elitäres Verständnis von Stadtkultur. Natürlich ist der Massentourismus ein Problem, das niemand wegdiskutieren kann. Aber die Lösung in drastischen Preissteigerungen zu suchen, wäre ungerecht und würde die Falschen zusätzlich benachteiligen.
Urlaub in Venedig: Kultur für alle! Es braucht Gerechtigkeit beim Reisen
Denn: Wer mit Kindern reist, ist oft auf die Ferienzeiten angewiesen – und damit auf die Hauptsaison. Familien, junge Reisende und Menschen mit ohnehin begrenzten finanziellen Mitteln sind dann die Ersten, die draußen bleiben. Was für ein fatales Signal: Kultur ja – aber nur, wenn du’s dir leisten kannst.
Anne-Kathrin Neuberg-Vural, Redakteurin Ratgeber & Wissen im Ressort Leben der Funke Zentralredaktion.
© FUNKE Foto Services
| Reto Klar
Statt die Preise weiter nach oben zu treiben, braucht es faire und intelligente Steuerungssysteme. Wie wäre es etwa mit einem digitalen Buchungssystem mit begrenzten Tageskontingenten – ähnlich wie bei beliebten Museen. Frühzeitige Planung würde belohnt, Spontantrips wären möglich, solange Plätze frei sind. Auch soziale Staffelungen wären weiter denkbar: Einheimische, Familien mit Kindern, Schüler, Studierende – sie alle könnten bevorzugt oder kostenlos Zutritt erhalten. Reisegruppen würden limitiert.
Mehr über das Problem von Massentourismus erfahren Sie in „Touristen sind wie Lemminge“. Hier erklärt ein Tourismusforscher außerdem, wohin Sie nicht reisen sollten.
Eine Weltkulturerbe-Stadt, die für ihre Geschichte gerühmt wird, die Kunst und Kultur geprägt hat, sollte auch künftig, den Horizont aller erweitern. Venedig darf sich nicht zum Freizeitpark für Besserverdienende entwickeln. Die Stadt muss offenbleiben für alle, die ihren Zauber erleben möchten.