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Wie Berlin und Brandenburg Personal im Einzelhandel suchen | ABC-Z

Fachkräftemangel

Wie Berlin und Brandenburg Personal im Einzelhandel suchen


So 27.07.25 | 08:24 Uhr | Von Charlotte Gerling

dpa/Unai Huizi

Video: rbb24 Abendschau | 25.07.2025 | C. Gerling, A. Herr | Sebastian Stietzel, IHK Berlin im Gespräch | Bild: dpa/Unai Huizi

Über 2.600 Einzelhandelskaufleute fehlen in Berlin und Brandenburg. Eine aktuelle IW-Studie geht für die kommenden Jahre von einer größer werdenden Fachkräftelücke aus – besonders im Einzelhandel. Gefragt sind gute Ideen für genügend Personal. Von Charlotte Gerling

Mit Menschen ins Gespräch kommen, stilsicher beraten und jeden Tag in einem netten Team arbeiten – für Alina Bergmann ist der Job als Verkäuferin in einem Möbelhaus in Hennigsdorf (Oberhavel) ihr Traumberuf. “Eine Bindung zu Menschen aufzubauen, die man eigentlich gar nicht kennt. Das macht mir einfach am meisten Spaß, dass ich denen ein Erfolgserlebnis bieten kann, damit dass sie sich einfach eine schöne Einrichtung besorgen können.”

Die 20-Jährige hat kürzlich eine Ausbildung zur Einzelhandelskauffrau in dem inhabergeführten Unternehmen mit knapp 40 Mitarbeiter:innen abgeschlossen. “Mir war wichtig, dass ich auch etwas in der Tasche habe, dass ich sagen kann, ich bin eine gelernte Fachkraft. Und das ist heutzutage auch sehr viel wert.” Nun arbeitet sie als Einrichtungsberaterin in der Bettenabteilung. Fachkräfte wie Alina Bergmann sind begehrt – allein in Brandenburg sind laut Bundesagentur für Arbeit aktuell über 1.300 Stellen nicht besetzt.

Düstere Prognose bis 2028

Laut einer aktuellen Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft in Köln fehlen bis 2028 deutschlandweit 40.470 Fachkräfte im Verkauf. Die Lücke werde demnach dem Trend nach größer sein als in der Pflege, Informatik oder Kinderbetreuung. Der Grund: Der demografische Wandel komme hier besonders zum Tragen, die Unternehmen fänden immer schwerer Ersatz, heißt es in der Studie weiter [www.iwkoeln.de].

Im Hennigsdorfer Möbelhaus tut sich schon jetzt eine Lücke auf bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die schon etwas mehr Erfahrung haben. “Im Bereich der 30 bis 40-Jährigen, im mittleren Alter, da sieht es bei uns nicht so gut aus. Da haben wir im Moment keinen Erfolg, Leute einzustellen”, sagt Marc Traphöner, der das Geschäft zusammen mit seinem Vater führt. Die Gründe liegen seiner Ansicht nach hauptsächlich bei den ungünstigen Arbeitszeiten. “Die Leute, die kleine Kinder haben, arbeiten ungerne samstags.” Und das lässt sich in einem Möbelhaus nicht vermeiden – der Samstag ist der Wochentag mit den meisten Kunden.

Flexible Arbeitszeiten für unterschiedliche Bedürfnisse

Die Strategie des Hennigsdorfer Möbelhauses: “Wir sind ein Familienunternehmen, wir sind kein großer Konzern, was ein riesiger Vorteil für uns ist. Wir gehen auf unsere Mitarbeiter ein und sind für sie zu sprechen, wenn was ist”, sagt Traphöner. Außerdem versuchen sie mit flexiblen Arbeitszeiten auf die Bedürfnisse ihrer Mitarbeiter einzugehen, darunter eine Vier-Tage-Woche oder kürzere Arbeitszeiten. Erfolgreich sieht sich das Unternehmen dabei, Azubis zu gewinnen und nach der Ausbildung zu halten. Aktuell haben drei ehemalige Auszubildende direkt nach dem Abschluss Vollzeit-Stellen angetreten.

Auch in Berlin gibt es einen hohen Bedarf an Einzelhandelskaufleuten. Über 1.300 Stellen sind laut Arbeitsagentur derzeit offen, die IHK geht mindestens von einem Bedarf von etwas über 2.000 Fachkräften aus, weil nicht alle Unternehmen direkt an die Arbeitsagentur melden würden.

Bei der Supermarktkette Bio Company seien aktuell nur wenige Einzelhandelskaufleute-Stellen nicht besetzt – ein Grund dafür sei, dass man mit Quereinsteigern arbeite, die sich für den Job weiterqualifizieren, sagt Daniela Feldt, Vorständin für Personal und Finanzen. Man habe ein Programm aufgelegt – vom Quereinsteiger zum Bioallrounder. Ihr ist klar, dass in den Supermärkten die Arbeitszeiten oft nicht familienfreundlich sind. “Wir gucken, wie wir die Arbeitszeiten ausrichten können”, sagt sie. “Gleichzeitig ist es auch ein Thema der Anerkennung in der Gesellschaft. Ein Einzelhandelskaufmann, eine Einzelhandelskauffrau erfährt wenig Wertschätzung”, sagt Feldt.

Fachkräftegewinnung in Namibia

Schon jetzt arbeiten Menschen aus etwa 50 Nationen im Unternehmen. Beteiligen möchte sich die Supermarktkette nun zusätzlich an einem Projekt der IHK Berlin, die ab dem kommenden Jahr Jugendliche in Namibia für Berliner Unternehmen ausbilden möchte. Geplant ist ein Ausbildungszentrum in Berlins Partnerstadt Windhoek “Wenn wir alle Flüchtlinge integrieren, wenn wir alle Arbeitslosen, alle Teilzeitkräfte in Arbeit bekommen, dann werden wir damit die Fach- und Arbeitskräftelücke in Berlin, aber auch in Deutschland nicht schließen können”, sagt IHK-Präsident Sebastian Stietzel. Deshalb sei internationale Fachkräftezuwanderung ein großes Thema.

Die Idee: junge Menschen aus Namibia mit Deutschunterricht und unterschiedlichen Berufsausbildungen – etwa als Industrieelektriker Einzelhandelskauffrau oder Bürokaufmann – nach deutschen Standards für den Arbeitsmarkt qualifizieren. So ließen sich die Hürden der Anerkennung eines ausländischen Berufsabschlusses verbunden mit der Arbeits- und Aufenthaltserlaubnis umschiffen. “Wenn das gut funktioniert, wenn das auch skalierbar ist, dann ist das natürlich auch in anderen Ländern des globalen Südens möglich”, so Stietzel. Mit Namibia habe man sich bewusst für ein Land mit hoher Jugendarbeitslosigkeit entschieden, so dass beide Seiten profitieren könnten.

Gefahr eines Brain-Drain?

Trotzdem bestehe immer die Gefahr eines Brain-Drain, da davon auszugehen sei, dass gerade die besser Qualifizierten die Chance nutzen würden, das Land zu verlassen, gibt Sven Meyer zu bedenken. Meyer sitzt für die SPD im Berliner Abgeordnetenhaus und ist Sprecher für Arbeit und Ausbildung. “Gerade in Beziehung zu einem Land, welches einmal eine Kolonie Deutschlands war, ist das ein besonders schwieriges Thema”, so Meyer.

Bei dem Projekt in Namibia seien bereits 30 Unternehmen an Bord, 2.500 bis 3.000 Jugendliche sollen perspektivisch das Ausbildungszentrum in Windhoek besuchen können. Finanziert werden soll das hauptsächlich von den beteiligtenen Firmen, die für die Azubis Stipendien anbieten – so der Plan. Starten sollen die Ausbildungen im kommenden Jahr.

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Sendung: rbb24 Brandenburg aktuell, 27.07.2025, 19:30 Uhr

Beitrag von Charlotte Gerling


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