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Gebrauchte Elektronik: Nachhaltig, günstig – aber auch gut? | ABC-Z

AUDIO: Wie Reseller den Markt mit Gebrauchtem aus der Nische heben (9 Min)

Stand: 24.07.2025 10:26 Uhr

Anbieter von generalüberholten Tablets, Kameras und vor allem Smartphones locken mit niedrigeren Preisen und dem Argument der Nachhaltigkeit. Viele Verbraucher bleiben bei gebrauchter Elektronik aber weiterhin skeptisch.

von Astrid Kühn

In Smartphones stecken Dutzende wertvolle und seltene Rohstoffe: Kobalt, Gold, Palladium, Tantal, Lithium und Seltene Erden. Deren Abbau ist oft schädlich für Mensch und Umwelt. Wenn wir unsere Smartphones länger nutzen würden, müssten weniger neu produziert werden. Das würde Rohstoffe sparen. Laut Europäischer Umweltagentur kauft jeder Haushalt im Schnitt alle zweieinhalb Jahre ein neues Smartphone, jedes Jahr werden deutlich mehr als eine Milliarde neue Geräte hergestellt.

Sogenannte Reseller wie die Firma Rebuy in Berlin versprechen, dass sie bei wiederaufbereiteter (“refurbished”) Elektronik die Qualität prüfen. Sie sind angetreten, um den Markt mit Gebrauchtem aus der Nische zu heben – scheinbar mit Erfolg, messbar an einer großen Nachfrage und einem jährlichen Umsatz von Hunderten Millionen Euro.

Von Handarbeit bis zur Automatisierung

Smartphones in Transportkisten von Rebuy

In Transportboxen gelangen die gereinigten Smartphones zur technischen Überprüfung.

Der Prozess bei Rebuy startet mit Handarbeit: Mitarbeitende reinigen mit elektrischen Zahnbürsten, Zahnstochern und Wattestäbchen Smartphones, die das Unternehmen gebraucht ankauft und wieder auf den Markt bringt. Das dauere drei bis fünf Minuten, je nachdem, wie verschmutzt die Geräte sind, erklärt Philipp Gattner, Chef von Rebuy: “Die müssen gut gereinigt sein, denn nur dann können wir beim automatisierten Prüfprozess sicherstellen, dass alle Kratzer erkannt werden.”

Versprechen: Smartphones werden intensiv geprüft

Täglich senden seine Kundinnen und Kunden Hunderte von Smartphones ein. Zuvor haben diese online einige Fragen zum Zustand beantwortet und einen vorläufigen Preisvorschlag erhalten. Die meisten Smartphones, die eingeschickt werden, sind den Angaben zufolge zwischen zwei und zweieinhalb Jahren alt. Nach der Behandlung mit der Zahnbürste kommen die nun wieder glänzenden Smartphones eins nach dem anderen in blauen Transportboxen aufs Laufband und gelangen zur technischen Prüfung, dem sogenannten Grading. Dafür schnappt sich ein Roboter mit zwei Greifarmen die Smartphones vom Band und legt sie behutsam in einen der vier Automaten, sodass konstant vier Telefone gleichzeitig gegradet werden können. Über 60 Funktionstests werden laut Rebuy durchgeführt. So werde die Kamera auf Herz und Nieren geprüft, Akku und Display gecheckt.

Am Ende leuchtet es grün oder rot. Die voll funktionsfähigen Smartphones verkaufen Gattner und sein Team von Rebuy weiter. Wenn die Qualität abweicht, wird den Kunden oder Kundinnen ein neuer Preis vorgeschlagen – und dann angekauft oder zurückgeschickt.

“Gebrauchtwarenhandel von der Nische in die Masse bringen”

500.000 Elektronikprodukte – vor allem Smartphones – verkauft Rebuy nach eigenen Angaben pro Jahr. Rechnet man Medien – also Bücher, CDs und Spiele – dazu, sind es neun Millionen Produkte, die über die Homepage gehandelt werden. Damit machte Rebuy im vergangenen Jahr rund 220 Millionen Euro Umsatz. Rund drei Viertel davon mit Elektronik, denn hier sind die Restwerte hoch. Der durchschnittliche Ankaufspreis liegt laut Gattner bei 200 bis 300 Euro pro Gerät. Sein Ziel: “Unsere übergreifende Vision ist, dass wir den Gebrauchtwarenhandel von der Nische in die Masse bringen.”

Viele Verbraucher bleiben skeptisch bei gebrauchter Elektronik

Einer Umfrage des Bundesverbands der Verbraucherzentralen zufolge haben knapp 20 Prozent der Deutschen schon mal gebrauchte Elektronik gekauft, die meisten ein Smartphone. Viele haben aber noch Bedenken bezüglich der Qualität und Funktionalität. 63 Prozent der Befragten gaben an, dass gebrauchte Elektronik für sie deshalb nicht infrage komme.

Maßnahme gegen Vorbehalte: Drei Jahre Garantie

Philip Gattner von Rebuy sind diese Vorbehalte bewusst: drei Jahre Garantie gibt es deshalb auf Geräte, die man über die Seite kauft. Das ist in der Regel länger, als die Hersteller gewährleisten. Als Marge für Logistik, Datenlöschung, Reinigung und Prüfung, nimmt Rebuy laut Gattner 20 bis 30 Prozent, die zwischen Ankaufs- und Verkaufspreis klaffen.

Stichproben auf der Homepage ergeben aber höhere Margen: Für ein gebrauchtes Smartphone im guten Zustand, etwa zwei Jahre alt, Neupreis um die 430 Euro, würde rebuy mir laut Homepage 225 Euro auszahlen – und selbst für rund 100 Euro mehr weiter verkaufen.

Philipp Gattner Geschäftsführer von Rebuy in einer Halle

Das Geschäftsmodell von Rebuy-Geschäftsführer Philipp Gattner scheint aufzugehen.

So lohne es sich im Idealfall für alle Beteiligten, sagt Gattner: “Es geht am Ende darum, die Nutzungsdauer der Geräte zu verlängern. Also die, die vorher nur zwei bis drei Jahre genutzt wurden, zu verdoppeln, vielleicht zu verdreifachen – das ist am Ende das Ziel.”

Mehr Potenzial für Weiternutzung vorhanden

Das Unternehmen Rebuy ist bereits seit Jahrzehnten am Markt und hat sich mit Automatisierung und Professionalisierung offenbar eine Marge erarbeitet, die Wirtschaftlichkeit zulässt. Das Geschäftsmodell ist aufwendig, scheint aber aufzugehen, denn das Unternehmen ist nach eigenen Angaben seit Jahren profitabel. Der Flaschenhals sei der Ankauf, sagt Firmenchef Gattner. Seine Firma könnte noch mehr Elektronik wieder in den Markt bringen, wenn mehr Menschen ihnen mehr gebrauchte Produkte verkaufen würden.

Eine Hand hält ein Smartphone, auf dem Display das EU-Energie-Label.

Ein verpflichtendes EU-Label für Handys liefert jetzt Informationen zu Akku-Laufzeit, Reparierbarkeit und Haltbarkeit.

Konkurrenz ist groß

Die Recommerce-Branche ist groß und wachstumsträchtig: Laut Marktanalyse der Branche lag das Marktvolumen in Europa 2023 für Elektronik bei 15 Milliarden Euro. Bis Ende des Jahrzehnts geht die Branche von einer Verdopplung auf 30 Milliarden Euro aus, es gibt sogar noch höhere Schätzungen. Von den rund 1,2 Milliarden neuen Smartphones, die im vergangenen Jahr weltweit produziert wurden, könnten nach und nach viele auch auf dem Gebrauchtmarkt landen. Entsprechend tummeln sich mittlerweile einige Anbieter. Die größten sind neben Rebuy Asgoodasnew, Clevertronic und Zoxs.

Kaufargument: Günstiger als Neuware

Für die Kunden ist der niedrigere Preis offenbar als Kaufargument merklich stärker geworden, weil das Geld knapper geworden ist. Eine Umfrage der Verbraucherzentralen bestätigt dies: Drei Viertel der Kaufenden begründen ihren Gebrauchtkauf damit. Neben Firmen, die Geräte selbst ankaufen, technisch prüfen und weiterverkaufen, gibt es auch Anbieter wie Back Market, Refurbished oder Refurbed, die lediglich die Plattform anbieten und die Geräte über Händler verkaufen.

Diese arbeiten mit unabhängigen Händlern zusammen, die die Wiederaufbereitung der Geräte übernehmen. Bei diesen Plattformen ist nicht alles aus einer Hand. Als Kunde muss man sich darauf verlassen, dass die Händler gut arbeiten und seriös sind. Dafür sind diese Angebote preislich oft attraktiver und es gibt eine größere Auswahl an Modellen als bei Rebuy, die alles selbst machen. Es gibt also Vor- und Nachteile bei den unterschiedlichen Geschäftsmodellen, auch wenn die Namen recht ähnlich sind.

Eine junge Frau steht in einem begehbaren Kleiderschrank.

Immer mehr Online-Händler spezialisieren sich darauf. Umwelt- und Klimaschäden kann das sogenannte Recommerce-Geschäft jedoch nur bedingt auffangen.

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