Grillen auf Hessisch: Presskopf-Burger und Frankfurter Sushi | ABC-Z

Aus den Lautsprechern hallt „Unser Auto läuft mit Ebbelwei“”, während Grillmeister Alex das Programm des Tages vorstellt: „Zuerst machen wir Frankfurter Sushi“, sagt er. Die Gäste lachen, doch das, was da später auf dem Teller liegen wird, erinnert visuell tatsächlich ein bisschen an das beliebte japanische Gericht. Mit der asiatischen Küche haben Zutaten hier allerdings kaum etwas gemein. Denn im Grillseminar „Hessisch Grillen” ist der Name Programm. Sauerkraut, Zwiebeln und Essiggurken werden zusammen mit in Speck eingerollten Handkäs-Würstchen in einem Wrap gegrillt und anschließend in Stücke geschnitten. Aufgrund ihrer Form erinnern sie an Maki. „Wir haben mit der Wurst schon viele Kalorien, aber davon brauchen wir noch mehr“, sagt Alex grinsend, während er die Würstchen mit dem Speck ummantelt.
Alex Weimar ist Grillmeister im Kurs von „Santos”. Bei ihm gilt das allgemeine Griller-Du. Zusammen mit seinen Kollegen Adi und Mike führt er die Gäste durch das Programm. Alex ist 36 Jahre alt und gelernter Koch. Seit rund einem Jahr bietet er bei „Santos“ in Frankfurt Grillkurse an. Insgesamt können bei dem Grillhändler Seminare zu 14 verschiedenen Themen gebucht werden. Heute dreht sich alles um hessische Zutaten – Handkäs, Grüne Soße, Presskopf, Mispeln und Apfelwein.
Teilnehmer sind größtenteils Männer
Die meisten Gäste greifen bei der Getränkewahl dennoch erst einmal zum Bier. „Das passt einfach gut zum Grillen”, sagt ein Teilnehmer. Auch Ingo hält eine Flasche in der Hand. Mit einem schwarzen Spruch-T-Shirt sticht er aus den Gästen heraus. In großen roten und weißen Buchstaben steht darauf: ““Hurra, ich liebe meine Frau und endlich heiraten wir.“ Er sei am Morgen von seinen Freunden überrascht worden, sagt er. Erst beim Seminar angekommen, habe er erfahren: Das Seminar „Hessisch Grillen” ist der Start in seinen Junggesellenabschied.
Schon bei Alex’ Rezepte-Vorstellung ist der ganzen Gruppe die Begeisterung anzumerken. Neben „Frankfurter Sushi“ werden hessische Burger mit Presskopf und Handkäs zubereitet. Außerdem gibt es Tafelspitz mit Grillkartoffeln und grüner Soße, bevor zum Abschluss Kartoffelpuffer auf dem Grill landen sollen. An zwei langen Tischen sitzen die 22 Teilnehmer des Kurses – zwanzig Männer und zwei Frauen. Normalerweise seien in den Gruppen mehr Frauen als heute, sagt Alex. Meist sei rund ein Sechstel der Teilnehmer weiblich. Ulrike pflichtet ihm bei. Sie hat bereits an mehreren Grillseminaren teilgenommen und sagt: „Dass wir nur zu zweit sind, ist nicht normal.“ Heute wolle sie aber die Chance nutzen und sich begrillen lassen.
Dementsprechend sind es vor allem die Männer, die sich schnell bewegen, als Alex ankündigt: „Wer als Erstes am Brett steht, hat gewonnen.“ In Teamarbeit werden gleich alle vier Gerichte vorbereitet – jeder übernimmt einen Arbeitsschritt. Während die einen die Zwiebeln würfeln, schneiden Marco und Martin den Tafelspitz in Steakform. Hierbei sei Fingerspitzengefühl nötig, erklärt Alex. Unter jedem Fettdeckel des Tafelspitzes liege eine Sehne. „Die wollen wir ganz leicht durchtrennen”, sagt er. So könne sichergestellt werden, dass das Fleisch gleichmäßig garen könne.
„Es gibt nichts, was ein Keramik-Ei nicht kann“
Als alle Vorbereitungen abgeschlossen sind, geht es raus an den Grill. Im „Railway Garden”, wie der Veranstaltungsort direkt an den alten Bahnschienen heißt, stehen gleich mehrere Geräte, die Griller-Herzen höherschlagen lassen. Verschiedene Gasgrills, Pellet-Smoker, eine Feuertonne und der Trendgrill schlechthin – ein grünes Keramik-Ei. Theoretisch könne der Keramikgrill rund um die Uhr genutzt werden, sagt Alex. „Es gibt nichts, was ein Keramik-Ei nicht kann.“
Dabei sei es wichtig, mit fallenden Temperaturen zu arbeiten, um das volle Potential des Grills zu nutzen. Zu Beginn, mit rund 400 Grad, könne in dem Ei gegrillt, bei rund 300 Grad könnten Pizzen und andere schnell backende Teige gebacken werden. Bei einer weiter fallenden Temperatur ist das Backen von Brötchen oder Kuchen und Desserts wie Crème brûlée möglich.
Schließlich starte bei rund 100 Grad die richtige Temperatur zum Smoken. Alex erklärt: „Wenn ihr smoken wollt, sollte die Temperatur immer bei 60 bis 90 Grad liegen.“ Er hat den Grill schon vor dem Kurs vorgeheizt, sodass jetzt die richtige Temperatur erreicht ist und der Tafelspitz im Ei geräuchert werden kann.

Während der Tafelspitz gart, werden die anderen Gerichte gegrillt und probiert. Besonders das „Frankfurter Sushi” überrascht viele Teilnehmer positiv. Stefan ist komplett begeistert. „Ich würde jeden Döner, jede Pizza dafür liegen lassen“, sagt er. Die Stimmung ist ausgelassen. Überall stehen die Teilnehmer in kleinen Gruppen zusammen. Gegessen wird im Stehen. Gerade dieses Gesellige gefällt Ulrike an dem Grillseminar: „Man lernt immer neue Leute kennen, die das gleiche Hobby wie du haben.”
Einige der Teilnehmer wagen sich in der nächsten Runde – der Hessenburger wird gegrillt – erstmals an polarisierende Lebensmittel wie Handkäs oder Presskopf. Auch das macht Gruppendynamik. Sie ist in der Lage, sonst vorhandene Vorbehalte zu überwinden. Drei Teilnehmer berichten, sie hätten noch nie Presskopf probiert.

Johannes isst an diesem Samstagnachmittag das erste Mal Handkäs, und das, obwohl er schon seit vielen Jahren im Rhein-Main-Gebiet wohnt. Der Probiertest ist ein voller Erfolg: „Ich weiß nach dieser Erfahrung heute nicht, warum ich das jahrelang nicht gegessen habe“, sagt er. Und auch für Grillkurs-Veteranin Ulrike ist etwas Neues dabei – sie probiert zum ersten Mal Blutwurst und ist positiv überrascht. „Auf dem Burger schmeckt das super”, sagt sie.
Zu den Kartoffelpuffern gibt es einen Apfel-Mispel-Kompott
In der Zwischenzeit ist der Tafelspitz fertig gegart. Damit dieser noch eine Kruste bekommt, wird er noch, Haut nach unten, auf einer Feuerplatte angebraten. Bräutigam Ingo und sein Trauzeuge Jannik übernehmen diese Aufgabe. Anschließend wird das Fleisch in Scheiben geschnitten – gegen die Faser, damit es nicht zäh wird. Dazu wird eine klassische Grillkartoffel mit einer Portion Grüne Soße serviert.
Nach dem Essen bildet sich an der Kaffeemaschine eine kleine Schlange. Drei Gänge scheinen alle gesättigt zu haben. Und in Vorbereitung auf das Dessert braucht der ein oder andere wohl eine kleine Pause. Als Adi allerdings anfängt, die Kartoffelpuffer zu grillen, wollen doch alle Gäste probieren. Auch beim Nachtisch darf die hessische Komponente nicht fehlen. Zu den Puffern gibt es einen Apfel-Mispel-Kompott – auch der ist in einem Topf auf der Feuerplatte gekocht worden.
Die Küche im „Railway Garden” wird nur für die anfallenden Vorbereitungsarbeiten genutzt. Alle Gerichte werden an den Grills zubereitet. So lernen die Teilnehmer nicht nur neue Gerichte kennen, sondern erfahren auch mehr zu Grillmethoden und den Vor- und Nachteilen verschiedener Grillarten. „Man lernt immer etwas”, sagt Ulrike.

In einem Rundgang über das Gelände stellt Alex die verschiedenen Geräte vor und berichtet aus der täglichen Nutzung. Beim Kauf eines Gasgrills rät er beispielsweise: „Wer Qualität haben will, sollte Gusseisen nehmen.” Und während er von Pellet-Smokern schwärmt, stellt er klar: “Wenn man sich so etwas kauft, dann nur als schönes Zweitgerät.”
Zum Abschluss erhalten die Teilnehmer nach fast fünf Stunden Grillerei und Klönerei ein „Grill-Diplom”. Wer wolle, könne sich das an die Wand hängen, sagt Alex und grinst dabei. „Da zeigt ihr, was ihr in eurem Leben erreicht habt.”
Frankfurter Sushi
Zutaten (für 10 Personen):
5 Wraps
5 Stück Handkäs-Bratwurst
1 Glas Sauerkraut Speckwürfel
200 Gramm Bacon
200 Gramm Schmand Senf
2 rote Zwiebeln
1 Glas Gewürzgurken
Zubereitung:
Den Grill auf 200 Grad Celsius vorheizen. Die Handkäs-Würstchen mit jeweils zwei Scheiben Bacon spiralförmig umwickeln. Das Sauerkraut abtropfen lassen. Anschließend den Schmand nach Belieben mit Senf, Gurkenwasser und Salz abschmecken. Die Essiggurken in kleine Würfel schneiden. Auch die roten Zwiebeln in gleich große Würfel schneiden. Die eingewickelten Bratwürste nun auf den Rost des Grills legen und so lange grillen, bis der Bacon knusprig ist.
Die Wraps mit dem gewürzten Schmand bestreichen. Dann Sauerkraut, Essiggurken und Zwiebeln darauf verteilen. Anschließend eine ganze gegrillte Bratwurst in die Mitte legen. Die belegten Wraps an den Seiten einschlagen und zusammenrollen und im Anschluss direkt bei mittlerer Hitze grillen, bis sie von allen Seiten schön braun sind. Die fertigen Wraps in Streifen schneiden und servieren.
Tipp von Grillmeister Alex:
Die gefüllten Wraps immer zur geschlossenen Seite drehen – oder auch „in den Grill hineindrehen”. So kann die geschlossene Naht nicht festkleben und sich wieder öffnen.