Bildungstheater für den Spätherbst: Gabriel Faurés „Pénélope“ im Prinzregententheater – die AZ-Kritik | ABC-Z

Der britische Dramatiker Noël Coward soll über das Musical “Camelot” gesagt haben, es sei “like ‘Parsifal’, but without the jokes”. Ähnliches lässt sich über die von der Bayerischen Staatsoper als zweite Premiere der 150. Münchner Opernfestspiele im Prinzregententheater herausgebrachte “Pénélope” von Gabriel Fauré sagten: Sie erinnert an Debussys “Pélleas et Mélisande”, nur ohne die Witze.
Faurés Oper bringt die seit 20 Jahren wartende Penelope und den heimkehrenden Odysseus auf die Bühne: mit der Ermordung der Freier am Ende und der finalen Versöhnung, aber ohne jeden dramatischen Konflikt und als Bildungstheater mit einem sehr gipsernen französischen Text.
Die Musik fließt maßvoll als zweistündiges Allegro ma non troppo dahin. Hin und wieder erinnert sie den Hörer mit einem bereits in der Ouvertüre auftauchenden Trompetenmotiv rumpelnd und mit forcierten Beckenschlägen daran, dass Odysseus ein Held ist, dann verfällt sie wieder in ihr geschmackvolles Phlegma, aus dem sie erst bei der Ermordung der Freier und einem etwas herbeigezwungenen Schmetterschluss erwacht.
Die Inszenierung beginnt, nicht ganz zufällig, in einem Antikenmuseum mit blendend weißen Marmorfiguren (Bühne: Raimund Orfeo Voigt). Odysseus schiebt seine schlafende, womöglich gar demente Frau im Rollstuhl herum. Dann bedecken in gemessenem Tempo und technisch ausgesprochen virtuos von rechts mehrere Bühnenkästen dieses Bild. Sie enthalten einen Leichenberg, allerlei trostlose Zimmer mit Waschbecken, ein Schlachthaus, eine Pathologie und ein ärztliches Wartezimmer.

© Bernd Uhlig
von Bernd Uhlig
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Womöglich befinden wir uns anschließend im Kopf Penelopes: Die Figuren bewegen sich langsam wie in einem Traum, ihre penetranten Freier sind graue Herren mit Hut. Ithakas übermenschlich treue Königin und der anfangs als Bettler verkleidete Odysseus werden teilweise verdoppelt und verdreifacht.
Lust am Rätsel
Das ist interessant anzusehen und handwerklich hervorragend gemacht. Aber was die Regisseurin Andrea Breth genau damit sagen will, bleibt letztendlich im Vagen. Das Tempo der Inszenierung passt jedoch zur konservativen Ruhe der liedhaft anti-dramatischen Musik. Und wenn man sich auf die Bilder einlässt, vermittelt die Inszenierung eine Lust am Rätsel, die das Ungefähre durchaus aufwiegt.
Die für eine Wagner-Diva komponierte und von Göttinnen wie Régine Crespin und Jessye Norman gesungene Titelpartie ist im Prinzregententheater demonstrativ leicht besetzt: mit der ab 2022 dem Ensemble angehörenden und bisher in eher kleinen Rollen eingesetzten Mezzosopranistin Victoria Karkacheva. Die singt klar, mit einer vollen, kräftigen Stimme und einer guten Höhe.

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Dass sie nicht die Aura und die musikalischen Manierismen einer lange Karriere mitbringt, stört in dieser Aufführung nicht. Ein wenig unpersönlich wirkte sie dennoch, aber gleichzeitig vermittelt die in Russland geborene Künstlerin den Eindruck eines starken Potenzials für eine weitere Entwicklung.
Gesungen wird ausgezeichnet
Der amerikanische Tenor Brandon Jovanovich hat nicht nur den idealen graubärtigen Charakterkopf für den Odysseus, er bewältigt auch mit Meisterschaft diese hybride Rolle, die einen lyrischen Tenor mit heroischen Momenten erfordert. Liedhaftes singt er sehr kontrolliert und zurückgenommen, für das Finale mangelt es ihm nicht an Kraft. Das ist nach seinem unpersönlichen Hermann in “Pique Dame” eine höchst erfreuliche Überraschung. Besser, so scheint es, ist diese komplexe Rolle nicht zu besetzen.

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Nichts außer rundum Erfreulichem lässt sich auch zu den anderen Sängerinnen und Sängern dieser personenreichen Oper sagen: Der Tenor Loïc Félix macht exemplarisch mit einem kleinen Solo auf sich aufmerksam. Gleiches gilt für Rinat Shaham (Euryclée), Thomas Mole (Eumée) und einen Tölzer Knaben. Das Vokalensemble Lauschwerk singt die kleine Chorpartie so klar wie opulent. Und auch die artistische Bogenschützin Daniela Maier ist höchst bemerkenswert.

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von Bernd Uhlig
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Das von Susanna Mälkki geleitete Bayerische Staatsorchester brachte seine Wagner-Erfahrung für Faurés von “Parsifal” und “Tristan” inspirierte Schmerzensmusik mit, die wohllautend aus dem Orchestergraben aufstieg. Hin und wieder wirkten Bläser und Streicher klanglich nicht ideal verschränkt, aber das mag an der tiefen Position der Musikerinnen und Musiker in diesem Theater liegen. Und auch an der fehlenden Kunst des Übergangs, die Fauré nicht so meisterlich wie Wagner oder Debussy beherrschte.
Diese Oper hat ihre Fans
Die 1913 in Monte Carlo uraufgeführte “Pénélope” ist kein Werk für das Repertoire und wird es auch nie werden. Aber sie enthält gediegenste und hörenswerte Musik, die bei Kennern wie dem Cellisten Steven Isserlis Begeisterung auslöst: Er hat einen enthusiastischen, höchst lesenswerten Text für das Programmheft verfasst und war unter den Besuchern der zustimmend aufgenommenen Premiere.

© Bernd Uhlig
von Bernd Uhlig
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Laien dürften sich dennoch nach “Il ritorno d’Ulisse in patria” sehnen. Claudio Monteverdi hat in seiner Oper über den gleichen Stoff seinen Homer nicht grundlos um komische Figuren wie den verfressenen Iro bereichert, um ihn genießbarer zu machen. Denn Theater braucht Gegensätze und Kontraste, an denen es hier bei dieser spätherbstlichen Musik etwas mangelt.
Wieder am 21., 23., 26. und 29. Juli im Prinzregententheater, Restkarten über die Homepage der Staatsoper oder Telefon 2185 1920