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Was Frido Mann zur Weltlage sagt – München | ABC-Z

„Es ist besser, ein kleines Licht anzuzünden, als über die große Dunkelheit zu klagen.“ Ein treffenderes Motto als diesen Satz von Konfuzius hätte Frido Mann seinem neuen Buch nicht voranstellen können. „Fridos politische Passioniertheit“ beschrieb bereits sein Großvater Thomas Mann 1953 im Tagebuch – und noch in hohem Alter wird der Theologe, Psychologe, Musiker und Schriftsteller nicht müde, über die Welt nachzudenken und über Lösungen für die Probleme unserer Zeit.

„Um der Güte und Liebe willen“ heißt die neue, auf gut 80 Seiten verdichtete Schrift, die sich auf eines der berühmtesten Zitate von Thomas Mann bezieht – passend zu Frido Manns eigenem 85. und dem 150. Geburtstag des Großvaters setzt er sich mit dessen geistigem Erbe auseinander und versucht, es für die Gegenwart nutzbar zu machen. Bei einem Abend im Literaturhaus, moderiert von Thomas-Mann-Experte Dirk Heißerer, stellte Frido Mann – angereist aus der Schweiz, wo er seit einigen Monaten wieder lebt – sein Buch nun vor vielen Bewunderern vor. Er hielt sich dabei, was das Live-Erlebnis ein wenig minderte, weitgehend an den gedruckten Text, den er und Heißerer vorlasen. Der Text hat es aber auch in sich.

„Der Mensch soll um der Güte und Liebe willen dem Tode keine Herrschaft einräumen über seine Gedanken.“ Dieser zentrale Satz aus dem „Schnee“-Kapitel von Thomas Manns „Zauberberg“-Roman ist der Ausgangspunkt für „Zehn Wege eines kämpferischen Humanismus“, die Frido Mann in seiner Schrift erarbeitet. Auch damit bezieht er sich auf den Großvater: auf dessen Forderung nach einem „militanten Humanismus“.

Thomas Mann meinte damit in den Dreißigerjahren, dass man gegenüber totalitären Regimes mit Appeasement-Politik nicht weit komme. Das bezog sich auf die Versuche insbesondere des britischen Premierministers Neville Chamberlain, das nationalsozialistische Deutschland im Münchner Abkommen 1938 einzuhegen: Die Europäer ließen die Tschechoslowakei fallen, was ihnen allerdings wenig brachte, denn Hitler schob den Krieg nur ein wenig auf.  Frido Mann zieht Parallelen zu heute und einem Herrscher wie Putin, dem die Staaten der Europäischen Union zunächst keinen Widerstand entgegensetzten, als er bereits vor zehn Jahren begann, die Ukraine anzugreifen – das „böse Erwachen“, so Mann, kam dann beim Überfall vor drei Jahren.

In kurzen Tiefenbohrungen analysiert Frido Mann unter anderem das Wesen des Bösen (als „eine Spirale aus Angst und Beschädigung“) und des „Untertanen“-Geistes, diesmal in Anlehnung an Heinrich Mann, der sein Großonkel war. Und Frido Mann umkreist Möglichkeiten, von der Eskalations- immer wieder in eine De-Eskalationsspirale zu kommen. Er weiß: „Das Miteinander ist kein Zustand. Es ist ein Prozess, ein Ideal, ein Ziel“. Und er bezieht sich auf den Religionsphilosophen Martin Buber, wenn er schreibt: „Alles wirkliche Leben ist Begegnung.“

Frido Mann fordert mehr Unterstützung der Palästinenser

Das Miteinander, die Demokratie müssen jedoch gelernt werden. Es gibt ja leuchtende Beispiele, die Mann nennen kann; eine Schule bei Bethlehem etwa, in der muslimische und christliche Kinder zusammen unterrichtet werden, auch derzeit unter schwierigen Bedingungen: „ein gutes Beispiel dafür, wie durch gezielte Wiedererweckung verschütteter innerer Anlagen und Kräfte eine krankgewordene Gesellschaft gesunden könnte“. Mann wird später in einem Schlussappell nochmals über Israel sprechen und mehr Unterstützung der Palästinenser anmahnen: Gegen das Vorgehen der israelischen Regierung müsse aus Deutschland mehr Protest kommen.

Denn die Humanität, die Frido Mann sich als politisch passionierter Mensch vorstellt, ist – und hier lässt sich wieder sein Großvater zitieren –  „kein erlesener und gedachter, sondern ein erlebter Gedanke“: Es geht um die Praxis. Das wird noch einmal deutlich, als Frido Mann auf Publikumsfragen am Ende doch frei antwortet. Was sein Großvater zur heutigen Weltlage sagen würde? Thomas Mann würde den Niedergang von Amerika kaum glauben können, sagt er, da wäre vor allem „ein Staunen“. Auch er selbst ist düster gestimmt und glaubt, dass für die nächsten gar acht Jahrzehnte nicht viel von Amerika zu erwarten sei, im Gegenteil das Schlimmste zu befürchten: „Wir sind höchst alarmiert und keiner weiß, wo es hingeht.“ Und dennoch, seine Botschaft bleibt: „Dranbleiben und tun, was man kann.“

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